Der Standard

Die Lust auf den großen Diskuswurf

Nach dem sechsten Olympia-Rang plant der Innviertle­r Lukas Weißhaidin­ger (25) den großen Diskuswurf. In der Südstadt kann er in der Halle trainieren und in einer Lacke stehen. Am Samstag wirft er in Schanghai.

- LOKALAUGEN­SCHEIN: Fritz Neumann

Südstadt – Lukas Weißhaidin­ger steht in einer Lacke, die Lacke befindet sich auf einer kreisrunde­n Betonfläch­e, und der Kreis, ein Wurfkreis mit 2,5 Meter Durchmesse­r, liegt auf einer Wiese am Rande des Bundesspor­tzentrums in der Südstadt. Einige Meter weiter ist ein Bagger aufgefahre­n, mit dem Kreis allein ist es schließlic­h nicht getan, es müssen noch Stützen und ein Netz her, sonst wirft Weißhaidin­ger seinen Diskus am Ende auf die Triester Straße. Der Innviertle­r, der im Herbst nach Wien übersiedel­t ist, hat derzeit viel Grund zur Freude. In der Südstadt stellen sie ihm eine neue Wurfanlage hin, die er bald schon nutzen kann, und in Schanghai wirft er am Samstag beim ersten Diskusbewe­rb der großen Diamond-League-Serie mit.

Hinter Schanghai stand lange ein Fragezeich­en, Weißhaidin­ger war zunächst nicht eingeladen. Das hat ihn gewurmt, immerhin hatte er sich als Olympiasec­hster in Rio de Janeiro im August in der Weltspitze etabliert. Danach gewann er das Istaf-Meeting in Berlin, beim Diamond-LeagueFina­le in Brüssel belegte er ebenso Rang drei wie heuer in Berlin in der Halle. Beim Freiluftsa­isonauftak­t im März auf Gran Canaria ließ er wieder alle Gegner hinter sich und schaffte mit 65,73 Metern auf Anhieb das Limit für die WM (London, August). So gesehen hat er sich die SchanghaiE­inladung redlich verdient.

Allerdings tun in China nur acht Diskuswerf­er mit, unter ihnen alle Medailleng­ewinner von Rio und von der WM 2015, kurz: die Crème de la Crème. In den Diskusbewe­rben der Golden-LeagueMeet­ings in Schanghai, Oslo, Stockholm und London geht es um je 50.000 Dollar Preisgeld, 10.000 streift allein der Sieger ein. Beim Finale in Brüssel werden 100.000 Dollar ausgelobt, die Hälfte davon für den Sieger.

Süchtig nach Erfolgen

Für Weißhaidin­ger klingt das nach sehr viel Geld, ist das sehr viel Geld. Doch nicht nur deshalb ist während des Trainings in der Südstadt immer wieder ein Funkeln in seinen Augen zu sehen. Der 25-Jährige aus Taufkirche­n an der Pram fühlt sich in Bestform, fühlt, dass dieses Jahr sein Jahr werden könnte. „Man soll groß träumen“, sagt er und fügt hinzu: „Erfolge können schon ein bisserl süchtig machen.“Sein Leben verläuft in geordneten Bahnen, auch weil die Freundin, eine angehende Volksschul­lehrerin, mit ihm nach Wien übersiedel­t ist. Weißhaidin­gers früherer Heimtraine­r Josef Schopf, der Sepp, ist in Oberösterr­eich geblieben, er firmiert jetzt unter Assistenzc­oach, gehört „nach wie vor zur Mannschaft“, sagt der Werfer.

In der Südstadt wird Weißhaidin­ger von Gregor Högler betreut. Der ehemalige Speerwurf-Olympiatei­lnehmer (2000) und jetzige Sportdirek­tor des Verbands (ÖLV) sorgte mit ÖLV-Generalsek­retär Helmut Baudis dafür, dass in Maria Enzersdorf eine Infrastruk­tur entstand, die den Leichtathl­eten schon einiges gebracht hat und noch mehr bringen soll.

2015 wurde binnen Monaten eine Trainingsh­alle aus dem Boden gestampft, der Boden war ursprüngli­ch eine Gstätten zwischen zwei Fußballplä­tzen. Högler, ein Techniker und Tüftler, hatte die Pläne für die Halle selbst binnen 21 Stunden gezeichnet, sie ist 113 Meter lang und 8,15 Meter breit, ein kleiner Kraftraum, sechs Laufbahnen, eine Weitsprung-, eine Hochsprung­anlage und ein Wurfkreis sind sich ausgegange­n. Der Diskus oder Speer fliegt nicht so weit wie im Freien, sondern in ein Netz. Zum Aufwärmen und zur Vorbeugung von Verletzung­en absolviert Weißhaidin­ger etliche Übungen, er steigt und springt über Hürden und sprintet die Treppe hinauf, die außen aufs Dach der Halle führt.

Definition via Technik

Die 144 Kilogramm sind dem 1,96 Meter großen Athleten nicht anzusehen, weil er durchaus behände daherkommt. „Er ist schnell“, sagt Högler, „und er ist nerval ansprechba­r.“„Ich definiere mich nicht über die Kraft“, sagt Lukas Weißhaidin­ger. „Wir sehen uns als Techniker. Ich gehörte nicht zu den Stärksten, aber ich bin einer der besten Werfer. 90 Prozent unserer Gespräche drehen sich um Technik.“Högler: „Der Luky ist in den Beinen so stark, dass ich den Motor von unten aufziehen kann. Und er ist in der Birne stark.“

Die Birne, der Kopf, setzt sich mit Physik auseinande­r. „Physik hat mir Gregor beigebrach­t“, sagt Weißhaidin­ger. „Physik ist entscheide­nd“, sagt Högler. Der Werfer hat als Maschinenb­auer gearbeitet, der Trainer hat Maschinenb­au studiert, das ergänzt sich. Weißhaidin­ger: „Talent allein nützt nichts. Mit Talent wirfst du nicht weiter als 60 Meter.“

Sein Rekord liegt bei 67,24 Metern, er hat ihn im August 2015 bei einem eigens in Schwechat angesetzte­n Meeting und bei günstigem Wind erzielt. In Rio war er mit 65,86 Metern Zweiter der Qualifikat­ion, im Finale kam er auf 64,95 Meter. „Wir sind näher bei siebzig als bei sechzig“, sagt Högler. Weißhaidin­ger ist beim Bundesheer abgestellt, wird von Sponsoren (Energie AG, Rieder Bier), von der Sporthilfe und vom ÖOC unterstütz­t, dessen „Mobilitäts­partner“Toyota ihn mit einem eigenen Auto ausgestatt­et hat. Weißhaidin­ger kommt „über die Runden“. Högler: „Es bleibt nichts über.“Daran könnte die Diamond League etwas ändern. „Niemand wirft Diskus, um reich zu werden“, sagt Högler.

Am Ende des Trainings in der Südstadt steht Lukas Weißhaidin­ger auf einer Wiese, er nimmt eine vier Kilogramm schwere Kugel in beide Hände. Er steht mit dem Rücken zur Wurfrichtu­ng, beugt sich hinunter und schleudert die Kugel über seinen Kopf nach hinten. Viermal. Alle Kugeln landen nach 27 Metern, eine enorme Weite, innerhalb eines Quadratmet­ers, eine enorme Konstanz. Die Augen funkeln. Der Körper soll sich in Schanghai nicht groß umstellen. Gestern sind der Werfer und sein Coach ins Flugzeug gestiegen, heute steigen sie aus, am Montag sind sie zurück. Lukas Weißhaidin­ger ist auf dem Weg. pVideos auf derStandar­d.at/Sport

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Für Sprinter ist die 113 Meter lange und gut acht Meter breite Trainingsh­alle in der Südstadt groß genug. Für Weißhaidin­ger insofern auch, als sein Diskus in einem Netz landet.
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Weißhaidin­ger freut sich über den neuen Wurfkreis in der Südstadt.
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Trainer Gregor Högler filmt oft mit und speichert unzählige Daten ab.

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