Der Standard

Das freie Spiel der Kräfte

Die SPÖ reagiert auf die Ankündigun­g von Sebastian Kurz, Neuwahlen anzustrebe­n, mit heftiger Kritik an diesem. Im Parlament sollen noch Beschlüsse gefasst werden – auch gegeneinan­der.

- Lisa Kogelnik, Maria Sterkl, Michael Völker

Auch die SPÖ ist bereits im Wahlkampfm­odus und schießt sich auf Sebastian Kurz, den mutmaßlich neuen Chef der Volksparte­i, ein. „Kurz hat klargemach­t und aufgedeckt, warum die letzten Monate permanent blockiert worden ist. Es ist einfach nur darum gegangen, mutwillig Neuwahlen vom Zaun zu brechen“, sagte SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder am Freitag. Und wenn es jetzt keine Jobs und kein Ausbildung­sprogramm gebe, dann sei daran nur einer schuld: Sebastian Kurz.

Schieder appelliert an die ÖVP, „dass man das, was im Regierungs­programm ausverhand­elt und unterschri­eben wurde, noch Wirklichke­it werden lässt“. Der SPÖ gehe es jetzt um den Mindestloh­n, den Beschäftig­ungsbonus, die Job-„Aktion 20.000“, die Abschaffun­g der kalten Progressio­n und auch die Reform der Schulauton­omie, die immer noch nicht fertig ausverhand­elt ist.

Gespräche im Hintergrun­d

Bundeskanz­ler Christian Kern will weiterregi­eren, von der SPÖ werde es keine aktive Unterstütz­ung für einen Neuwahlant­rag geben, hieß es. Kern wolle im Parlament noch einzelne Maßnahmen umsetzen, zur Not auch mit wechselnde­n Mehrheiten. In der Presse sagte Kern: „Wenn uns die ÖVP den Stuhl vor die Tür stellt, bedeutet das auch das Ende für eine rot-schwarze Zusammenar­beit für sehr lange Zeit.“

Die Strategie der SPÖ ist klar: Kern will möglichst viele Punkte aus dem Arbeitspro­gramm der Regierung, aber auch aus seinem Plan A im Parlament zur Abstimmung bringen – und sich dabei auch Mehrheiten jenseits der ÖVP suchen. Darüber verhandelt Kern bereits im Hintergrun­d mit den Chefs der Opposition­sparteien.

Dass die Opposition eine Minderheit­sregierung von Kern unterstütz­en könnte, ist aber unwahrsche­inlich. Für eine Mehrheit im Parlament bräuchte Kern 92 der 183 Abgeordnet­en. Mit Grünen und Neos, die eine Unterstütz­ung bei Sachthemen durchblick­en lassen, käme die SPÖ auf 84 Abgeordnet­e. Die SPÖ bräuchte also noch die vier wilden Abgeordnet­en und die sechs aus dem Team Stronach – oder die FPÖ.

FPÖ will baldige Wahlen

FPÖ-Generalsek­retär Herbert Kickl hat sich aber bereits klar für rasche Neuwahlen ausgesproc­hen. Dass die FPÖ jetzt aus ihrer Opposition­srolle ausschert und den Kanzler – oder auch Kurz – unterstütz­t, ist undenkbar. „Da hätten wir einen Vogel“, heißt es aus der Parteizent­rale gegenüber dem Kickl sagt: „Kern und Kurz sind beide auf ihre Weise der gleiche Typ des politische­n Blenders, dem Machterhal­t weit wichtiger ist als das Regieren im Interesse der Österreich­er.“Parteichef Heinz-Christian Strache schließt die Duldung einer roten Minderheit­sregierung aus.

Gegen einen raschen Neuwahlbes­chluss sind die Grünen. Deren Parteichef­in Eva Glawischni­g sagte im Gespräch, ihre Partei werde Neuwahlen nicht vor Ende Juni zustimmen. Vorher müsste der Eurofighte­r-Untersuchu­ngsausschu­ss Fahrt aufnehmen und die Bildungsre­form unter Dach und Fach gebracht werden, auch die Ökostromno­velle ist aus Sicht der Grünen ein Muss. Sollte der U-Ausschuss abgedreht werden, ohne dass man mit dem Abarbeiten der Ladungslis­te begonnen habe, wäre das „ein schwerer Schaden für die Demokratie“, so Glawischni­g. Die Bildungsre­form „nach monatelang­en Verhandlun­gen einfach in den Kamin zu schieben, würde kein Mensch in Österreich verstehen“. Die Grünen-Chefin sieht zudem „keinen Grund zur Eile“, was einen Neuwahlbes­chluss betrifft.

„Bis zum letzten Tag“

Neos-Chef Matthias Strolz sagt, seine Partei werde einen Neuwahlant­rag unterstütz­en. „Die Frage ist noch offen, wann diese Neuwahlen stattfinde­n werden. Und offen ist, was bis zum Wahltag im Parlament noch erledigt werden kann.“Die Neos wollen „jedenfalls bis zum letzten Tag arbeiten“. Strolz: „Nachdem die Regierung versagt hat und mehr als die Hälfte der geplanten Vorhaben nicht umgesetzt hat, werden wir darauf drängen, dass das Parlament die Arbeitspak­ete von der Regierung übernimmt und einige davon noch zum Abschluss bringt.“

Ob die SPÖ tatsächlic­h den Versuch einer Minderheit­sregierung starten wird, ist noch offen. Klubchef Schieder wollte das nicht ausschließ­en, es gebe aber verschiede­ne Wege, Maßnahmen im Parlament umzusetzen.

Im Parlament dürfte bis zur voraussich­tlichen Neuwahl im Herbst aber jedenfalls eine Phase des freien Spiels der Kräfte begin- nen. Die SPÖ macht darauf aufmerksam, dass ja auch Kurz das gemeinsame Arbeitspro­gramm der Regierung unterschri­eben hat, deren einzelne Maßnahmen werde man im Parlament einbringen. Wenn diese gegen die ÖVP beschlosse­n werden sollten, sei das für die ÖVP besonders peinlich, so die Hoffnung der roten Strategen.

Aus dem Umfeld von Kurz heißt es aber, dass dieser sehr versuchen wolle, jene Punkte aus dem Regierungs­programm, die bereits ausgemacht und fertig ausverhand­elt sind, bis zum Sommer noch umzusetzen. Im September solle es dann einen „kurzen und fairen Wahlkampf“geben, wie es heißt.

Kurz muss jedenfalls mit heftigstem Gegenwind der SPÖ rechnen. Infrastruk­turministe­r Jörg Leichtfrie­d (SPÖ) legte bereits am Freitag die ungefähre Linie vor: „Kurz versenkt ein Regierungs­programm, das er vor wenigen Monaten noch selbst unterschri­eben hat“, sagte Leichtfrie­d. „Sein Egotrip schadet dem Land.“

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Kanzler Christian Kern will noch möglichst viele Punkte aus dem Regierungs­programm und auch aus seinem Plan A im Parlament zur Abstimmung bringen. Wechselnde Mehrheiten sind möglich.
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Foto: APA/Hochmuth Die Neos würden für Neuwahlen stimmen, sagt Matthias Strolz.
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Foto: APA/Schlager Sprecher der Minifrakti­on Team Stronach: Robert Lugar.
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Foto: APA/Hochmuth Will Minderheit­sregierung Kerns nicht stützen: FP-Chef Strache.
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Foto: APA/Neubauer Neuwahl ja, aber nicht sofort, sagt Grünen-Chefin Eva Glawischni­g.

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