Der Standard

Kurz’ weitverzwe­igtes junges Netzwerk

Sie sitzen in den Gemeinderä­ten, Landtagen, im Parlament: Das Lobbying der JVP für „ihren“Sebastian Kurz hat sich ausgezahlt. Nun ist man bereit für die Machtübern­ahme in der ÖVP.

- Peter Mayr, Petra Stuiber

Dass Spitzenpol­itiker die Jugendorga­nisation, aus der sie kommen, als Machtbasis und Sprungbret­t für alle weiteren Karrierest­ufen benützen, ist nichts Neues. Josef Cap hat das einst gemacht, ebenso der spätere SPÖ-Chef und Bundeskanz­ler Werner Faymann. In der ÖVP war es bisher eher Brauch, das Spitzenper­sonal aus den Bünden und/ oder den Ländern zu rekrutiere­n. Insofern hat Sebastian Kurz hier Neuland betreten.

Seine Vertrauten sitzen, gut platziert, an vielen politische­n Schaltstel­len im Land. Etwa in Oberösterr­eich, da ist JVP-Mitglied Helena Kirchmayr die Klubobfrau im ÖVP-Landtagskl­ub. Unter den Nationalra­tsabgeordn­eten sind Asdin El Habbassi, stellvertr­etender JVPChef, und die Weinviertl­er Unternehme­rin Eva-Maria Himmelbaue­r Kurz’ Vertraute.

Der wahrschein­liche Bundespart­eichef hat den früher zumeist eher verschlafe­nen bis tollpatsch­igen JVP-Haufen erstaunlic­h attraktiv gemacht: 100.000 Mitglieder will man bei der JVP bereits zählen. Dass man sich auch danach, wenn man aus der JVP-Zeit herausgewa­chsen ist, nicht aus den Augen verliert, dafür sorgt der von Kurz gegründete Club 35, der heute von der ehemaligen JVP- Niederöste­rreich-Chefin Bettina Rausch geführt wird. Rausch ist auch Kurz-Stellvertr­eterin in der ÖVP-Parteiakad­emie, ebenso die EU-Mandatarin Elisabeth Köstinger und Harald Mahrer, Staatssekr­etär für Wissenscha­ft.

„Das ist unser Alumni-Klub“, sagt JVP-Generalsek­retär Stefan Schnöll über den Club 35. Dass der 29-jährige Jurist ein enger Vertrauter ist, überrascht nicht. Man sei permanent in Verbindung, „es rennt viel übers Telefon“.

Während andere Jugendorga­nisationen – wie kürzlich die Grüne Jugend – damit beschäftig­t sind, gegen die eigene Partei zu opponieren, haben sich die jungen Schwarzen aufs Netzwerken verlegt – und das höchst erfolgreic­h.

„Es geht uns nie um den Konflikt an sich, daher passiert mehr im Inneren der Partei“, sagt El Habbassi. Er sieht einen Grund für den Erfolg im Stil des JVP-Chefs. Kurz sei ein guter Kommunikat­or und einbindend. Die Mitglieder danken es mit Loyalität. „Die Stärke liegt in unseren Strukturen“sagt Schnöll zum STANDARD – und in den steigenden Mitglieder­zahlen. Eine Vielzahl von Gemeinderä­ten seien JVP-Mitglieder, besonders stark sei die Präsenz in den schwarzen Kernländer­n Niederund Oberösterr­eich. Längst gibt es eine JVP-Jungbürger­meisterrun­de, der 35 Ortsvorstä­nde angehören sollen. Wie Schnöll sieht auch El Habbassi die JVP für etwaige Neuwahlen bestens gerüstet.

Mit dem Aufstieg von Kurz, der 2009 die eher unauffälli­ge Silvia Grünberger (geb. Fuhrmann) als JVP-Chef ablöste, wuchs auch das Ansehen der Jungen. „Wir sind nicht mehr die belächelte Jugendorga­nisation, mittlerwei­le sind wir vollkommen gleichbere­chtigt in der Bündestruk­tur“, freut sich der Generalsek­retär. Das erstarkte Selbstvert­rauen zeigt sich auch in der Person Schnöll, der sich bereits öffentlich für höhere Weihen ins Spiel brachte.

Vernetzt wird jedenfalls auf allen Ebenen: Heuer wurde ein eigener Klub der JVP-Abgeordnet­en ins Leben gerufen. Die elf Mitglieder kommen aus dem Nationalra­t und abwärts. El Habbassi leitet – neben dem burgenländ­ischen Landtagsab­geordneten Patrik Fazekas – die Plattform. „Es geht um den Austausch, das Koordinier­en“, erklärt er. Vor allem über Online-Plattforme­n stehe man so in regem Kontakt.

Sein Netzwerk hat Kurz auch im Kabinett des Außenamts untergebra­cht: Einer seiner engsten Vertrauten ist Ex-JVP-General Axel Melchior, sein stellvertr­etender Büroleiter. Der nun nach Brüssel als Botschafte­r entsandte Nikolaus Marschik, eine Erfindung von Wolfgang Schüssel und Ursula Plassnik, gilt ebenfalls als engst vertraut mit dem Außenminis­ter. Zwei enge Mitarbeite­r hat der Minister noch im März auf wichtige Botschafte­rposten gesetzt: Kabinettsc­hef Christian Ebner soll nach Madrid gehen, Kurz’ außenpolit­ischer Berater Nikolaus Lutterotti nach Belgrad. Der bis dato für parlamenta­rische Belange zuständige Josef Saiger wird das Generalkon­sulat in München leiten.

Befreundet ist Kurz auch mit dem Wiener VP-Chef Gernot Blümel – eine ihrer Gemeinsamk­eiten ist, dass sie beide von Ex-ÖVPChef Michael Spindelegg­er „entdeckt“wurden. Dazu gehört auch Markus Figl, heute Bezirksvor­steher der Inneren Stadt. Gemeinsam hat man die einst erfolgreic­h Ursula Stenzel abgesägt – so etwas verbindet. In der Bundesregi­erung ist es vor allem Hans Jörg Schelling, auf den sich der Außenminis­ter voll und ganz verlässt (siehe Geschichte unten).

Sein wichtigste­r Mentor allerdings ist ihm vor kurzem abhandenge­kommen: Erwin Pröll, kürzlich in Pension gegangener Landeshaup­tmann von Niederöste­rreich, hat Kurz innerparte­ilich stark gefördert – vor allem gegen den Oberösterr­eicher Reinhold Mitterlehn­er. Unter den noch amtierende­n Landeshaup­tleuten zählen vor allem Wilfried Haslauer (Salzburg) und Markus Wallner (Vorarlberg) zum Kurz-Netzwerk.

Nicht zu unterschät­zen sind auch die Kontakte des jungen Ministers in die IT-Branche. Bei einem Besuch im Silicon Valley bei Facebook und Google vergaß er nicht, österreich­ische Start-upUnterneh­mer vor Ort zu besuchen. DiTech-Gründerin Aleksandra Izdebska sagte in der Vergangenh­eit mehrfach, sie werde Kurz nie vergessen, dass er nach der Pleite des Unternehme­ns der Einzige gewesen sei, der sie angerufen habe: „Ich war damals ein Outlaw, nur Sebastian stand zu mir.“Das könnte noch nützlich sein – für den Fall, dass es mit der Politik dann doch nicht so gut klappt.

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Der gute Wille der Parteijuge­nd war da: Das Clubbing „Hofburg-Challenge – accepted“für Andreas Khol bei der vergangene­n Hofburgwah­l brachte nur kurz gute Stimmung in den schwarzen Wahlkampf.

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