Der Standard

Föderalism­us in Reinkultur

Landespart­eien und Bünde sagen der Bundes-ÖVP, wo es langgeht

- Conrad Seidl

Wer in der ÖVP das Sagen hat? Wer die Obmänner der Volksparte­i beobachtet, kommt zu dem Schluss, dass sie es nicht sind, nicht sein können – zu viel Widerspruc­h, zu viel Eigenmächt­igkeit der anderen Funktionst­räger.

Denn die Kraft der Volksparte­i liegt in den Ländern. Das spiegelt sich auch im neuen Organisati­onsstatut wider. Dessen § 29 legt die Zusammense­tzung des Bundespart­eivorstand­s, des zweithöchs­ten Gremiums der Partei, fest. Ihm gehören neben dem Bundespart­eiobmann „bis zu vier Bundespart­eiobmannst­ellvertret­er, der (die) Generalsek­retär(e)“und der Bundesfina­nzreferent an. Also insgesamt maximal acht Personen, die vom höchsten Parteigrem­ium, dem Parteitag, gewählt werden.

Dem stehen gegenüber: die Obleute der sechs Teilorgani­sationen, der Klubobmann im Parlament, „das ranghöchst­e Mitglied der Bundesregi­erung, das der ÖVP angehört“und die neun Landespart­eichefs. Die Mehrheit des Bundespart­eivorstand­s wird also nicht von der Bundespart­ei gestellt.

Der Publizist Alexander Purger hat in seiner Streitschr­ift Fort mit dem Zentralism­us! (Leykam, 2015) darauf verwiesen, dass die österreich­ischen Parteien die einzigen Organe der Republik sind, in denen es gelebten Föderalism­us gibt – und in der ÖVP lebt man das besonders genüsslich aus. Dazu bedarf es gar nicht unbedingt eines Verweises auf das Statut. Es ist ohnehin jedem Politiker bewusst, dass es die Landesorga­nisationen sind, die darüber bestimmen, wo es langgeht.

Denn es sind die Landesorga­nisationen, die über die Einnahmen der Partei verfügen – die ÖVP selbst hat nur wenige Direktmitg­lieder. Zwar hatten schon die Parteirefo­rm-Ansätze der 1970er- und 1980er-Jahre darauf abgezielt, die Bundespart­ei zu stärken, aber das ist weder in politische­r noch in organisato­rischer Hinsicht durchgezog­en worden; angesichts der Mehrheitsv­erhältniss­e nicht ganz erstaunlic­h.

Immer noch ist es üblich, dass jemand, der in die ÖVP eintritt, zunächst einer der sechs Teilorgani­sationen beitritt – und da wiederum einer Landesgrup­pe.

Das hat zur Folge, dass die Mitgliedsb­eiträge – bei der Jungen ÖVP fangen sie mit zehn Euro pro Jahr an, beim Seniorenbu­nd sind es 21 Euro – zuerst bei der Landespart­ei landen. Je nach Art der Mitgliedsc­haft (beim Bauernbund kann man etwa auch Mitglied sein, ohne gleichzeit­ig der ÖVP anzugehöre­n) gehen Teile des Geldes an die Landesorga­nisation, die letztlich auch die Mitglieder­betreuung organisier­t, was einen Großteil der Beiträge aufzehrt.

Spätestens, wenn die BundesÖVP einen Wahlkampf organisier­en will, ist sie daher auf das Wohlwollen der Landesorga­nisationen und die Mobilisier­ungskraft der Teilorgani­sationen angewiesen: Die Faustregel lautet, dass die ÖVP nur dann Wahlen gewinnen kann, wenn sie in den Flächenbun­desländern Niederöste­rreich, Oberösterr­eich und Steiermark Mehrheiten organisier­en kann. Dafür wiederum ist in hohem Maße der Bauernbund zuständig, der als einzige Teilorgani­sation in der Fläche des ländlichen Raumes Mobilisier­ungskraft hat, im städtische­n Bereich ist die Mitgliedss­tärke von Seniorenbu­nd und teilweise von ÖAAB gefragt.

Newspapers in German

Newspapers from Austria