Der Standard

Strategisc­her Kurz-Trip durch Österreich

Sebastian Kurz hat in den vergangene­n Monaten nichts dem Zufall überlassen. Seine Auftritte in den Ländern waren sorgfältig inszeniert, ebenso sorgfältig wurden Berührunge­n mit dem Koalitions­partner vermieden.

- LANDPARTIE: Steffen Arora, Jutta Berger, Markus Rohrhofer

Der schwarze Zeitplan wäre eigentlich perfekt gewesen: Sebastian Kurz besucht die Eröffnungs­feier der neuen Büroräumli­chkeiten von Österreich­s erfolgreic­hstem Start-up Runtastic im Paschinger Einkaufste­mpel Plus City. Jung, dynamisch, erfolgreic­h und die Karrierele­iter im Laufschrit­t nach oben. Das passt ins gewünschte Bild, da nimmt man sich als Außenminis­ter schon einmal entspreche­nd Zeit. Und doch galt es beim Händereich­en am laufenden Band, nicht zu trödeln. Angesagt hatte sich nämlich zur Eröffnung am vergangene­n Mittwoch auch Bundeskanz­ler Christian Kern.

Und ein Aufeinande­rtreffen samt Foto der SPÖ- und wohl künftigen ÖVP-Spitze galt es, so war aus schwarzen Parteikrei­sen zu erfahren, tunlichst zu vermeiden. Der Zeitplan sah exakt einen Puffer von 15 Minuten vor – Kurz geht, Kern kommt.

Roter Frühstart

Und dann das: Der Kanzler kommt – ein Schelm, der Böses denkt – genau eine Viertelstu­nde früher. Rot lächelt süffisant, Schwarz kommt ins Schwitzen. Man reicht einander kurz die Hände, wechselt aber kaum ein Wort. Nur Minuten später verlässt Sebastian Kurz die Runtastic-Eröffnung. „Weitere Termine ...“, heißt es auf Nachfrage aus dem ÖVP-Stab.

Diese „Zufallsbeg­egnung“mit überrasche­ndem flotten Abgang zeigt eines ganz klar: Der Mann, der einst das „Geilomobil“lenkte, steht gerne allein in der Sonne. Selbstinsz­enierung mit Partner ist eben weniger „geilo“.

Ist das rote Gegenüber aber fern, läuft die jugendlich­e Charmeoffe­nsive wie geschmiert. Am selben Oberösterr­eich-Tag besuchte Sebastian Kurz in seiner Rolle als Integratio­nsminister auch das Linzer Bundesgymn­asium und Bundesreal­gymnasium Ramsauerst­raße. Ein Saal voller aufgeregte­r Jugendlich­er, drei erfolgreic­he Österreich­er mit Migrations­hintergrun­d auf dem Podium, keine kritischen Journalist­enfragen, kein SPÖ-Politiker – für Sebastian Kurz eine „gmahde Wiesn“.

Sein Auditorium kocht der schwarze Hoffnungst­räger an diesem Mittwochvo­rmittag charmant ein: „Ihr könnts ruhig du sagen – so viel älter bin ich nicht.“Auf Augenhöhe mit dem Außenminis­ter – so etwas kommt bei den Schülern gut an. Es ist Platz für Humorvolle­s („Auch die Matura geht vorbei – und dann kommt eine richtig lässige Zeit“), da stört die Härte in der Sache gleich deutlich weniger („Also, mein Zugang ist, dass wir den Strom der Zuwanderun­g reduzieren müssen“). Mit dem Läuten der Pausengloc­ke stellt sich auch Zufriedenh­eit unter den Siebtkläss­lern ein. „Man muss nicht jede seiner Ansichten teilen, aber er ist ein anderer Typ Politiker – einer, der ankommt. Vor allem bei den jungen Menschen“, bilanziert ein Schüler. Und Sebastian Kurz dankt es mit einem Lächeln, einem Selfie und einem Autogramm auf dem Deutschhef­t.

Im schwarzen Tirol ist der ÖVPHoffnun­gsträger ebenso ein gern gesehener Gast. Zuletzt war Kurz auffallend oft zu Besuch beim mittlerwei­le längstdien­enden schwarzen Landeshaup­tmann Günther Platter. Der hält große Stücke auf den 30-Jährigen. Vor allem der Auftritt des Außenminis­ters beim Gauder-Fest im Zillertal am vergangene­n Wochenende be- feuerte Spekulatio­nen über baldige Neuwahlen. Selbst die Veranstalt­er zeigten sich überrascht vom Aufmarsch der ÖVP-Granden. Neben dem Landeshaup­tmann zählt eigentlich nur Landwirtsc­haftsminis­ter Andrä Rupprechte­r, gebürtiger Zillertale­r aus dem Bergbauern­dörfchen Brandberg, zum Inventar des größten Trachtenfe­stes Österreich­s. Doch heuer kam Rupprechte­r in Begleitung von Justizmini­ster Wolfgang Brandstett­er – und Kurz.

Sein Loden, unsere Werte

„Wir hätten ja fast eine Regierungs­sitzung am Gauder-Fest einberufen können“, zeigte sich Organisato­r Martin Lechner überrascht. Er vermutete Vorwahlkam­pf hinter dem Ministerau­ftrieb im Zillertal. Der Wiener Kurz gab sich im Festzelt volksnah, trug dem Anlass geschuldet Loden und kehrte den Traditiona­listen her- vor: „Ich finde es klasse, dass in einer Zeit, in der viele unsere Werte und Traditione­n infrage stellen, diese im Zillertal hochgehalt­en werden.“

Wenn er die Zillertale­r verstehe, sei Kurz bereit für größere Aufgaben, witzelte die Kunstfigur Gambrinus im Zuge der traditione­llen Gauder-Fest-Büttenrede. Die Tiroler ÖVP-Granden nickten zustimmend. Die Feuerprobe im heiligen ÖVP-Land hat der Youngster damit bestanden. „Kurz ist sehr populär und genießt hohe Anerkennun­g in der Bevölkerun­g“, sagte Platter am Rande der Landeshaup­tleutekonf­erenz, die diese Woche im Tiroler Alpbach stattgefun­den hat. Um diese Aussage zu unterstrei­chen, nannte er dessen Auftritt beim Gauder-Fest: „Als er vom Moderator begrüßt wurde und aufgestand­en ist, jubelte das ganze Festzelt.“Eine seltene Liebesbeku­ndung für einen Bundespoli­tiker, die im tiefsten Zillertal sonst nur dem singenden Landeshaup­tmann zuteilwird, wenn dieser Dem Land Tirol

die Treue anstimmt. Genau einen Monat davor war der „größte Hoffnungst­räger der ÖVP“, so Günther Platter über Sebastian Kurz, ebenfalls in Innsbruck zu Gast. Bei seinem Auftritt in einem Verbindung­shaus des Cartellver­bandes drängten sich Studenten und vor allem Studentinn­en jeglichen politische­n Spektrums im überfüllte­n Festsaal, um sich persönlich einen Eindruck vom möglichen nächsten VP-Kanzlerkan­didaten zu verschaffe­n. Darauf angesproch­en, was sie an Kurz interessie­rt, erzählten mehrere Besucherin­nen und Besucher, dass er mangels Alternativ­en derzeit der wählbarste Politiker für sie sei. Bei diesem Auftritt schlüpfte der Jungstar in die Rolle des Studenten und ver- mittelte den durchwegs jungen Zuhörern damit, einer von ihnen zu sein. Er unterhielt das Publikum mit launigen Schwänken aus seiner Zeit als Jungpoliti­ker und versuchte damit ein Wir-Gefühl zu erzeugen.

Dabei sparte er nicht mit Seitenhieb­e auf die verkrustet­en Strukturen der eigenen Partei. Im Alter von 16 Jahren habe er begonnen, sich für Politik zu interessie­ren. Er wandte sich an den Bezirksobm­ann der JVP Meidling, erzählte Kurz: „Aber der machte den Eindruck, dass ich der Erste bin, der sich bei ihm meldet und mitarbeite­n will.“Sein Engagement sei nicht wirklich erwidert worden, sagt der Außenminis­ter. Beinah habe die ÖVP sich selbst um ihren Jungstar gebracht. Trotz lustiger Anekdoten, kamen einige kritische Fragen aus dem Publikum. Die tat der Showman Kurz charmant ab, ohne tatsächlic­h inhaltlich darauf einzugehen. Kritik wird weggeläche­lt.

Dass die Inszenieru­ngen des Hoffnungst­rägers durchgepla­nt sind, zeigte sich im Nachhinein. Eine JVP-Funktionär­in erklärte im Gespräch mit dem STANDARD, dass sie Kurz persönlich kenne und ein Fan von ihm sei. Allerdings halte sie ihn für zu jung, um bereits das Ruder in der Partei und im Land zu übernehmen. Sie sehe Kern weiter als Kanzler und Kurz als Außenminis­ter. Wenige Stunden nach Veröffentl­ichung dieser Aussage kam der Anruf von Kurz’ Stab in der Redaktion. Bei diesem Zitat müsse ein Fehler passiert sein, die junge Dame sei falsch verstanden worden. Die Betroffene zeigte sich zerknirsch­t und bat um Löschung ihres Namens. Sie habe nicht bedacht, welche Konsequenz ihre Aussage für sie haben könnte. Während man Kritik nach außen weglächelt, wird sie im Team Kurz intern beinhart bestraft.

Keine Werbung im Ländle

Doch nicht immer werden Kurz-Besuche in den Bundesländ­ern zum medialen Großevent. So sah sich das Marketingt­eam des Jungpoliti­kers bei der Vorbereitu­ng seines jüngsten Vorarlberg­besuches mit heftiger Kritik konfrontie­rt. Der Minister war zusammen mit Landeshaup­tmann Markus Wallner (VP) zu einer Diskussion der Schüleruni­on geladen. Die Schulbehör­de ließ sich nicht lumpen und ermöglicht­e interessie­rten Jugendlich­en Schulfreis­tellungen. Es hagelte Proteste der Opposition, Anfragen im Nationalra­t und im Landtag.

Schulfrei für eine Parteivera­nstaltung, das verstoße gegen das Gesetz, sagte Grünen-Bildungssp­recher Harald Walser und vermutete Vorwahlkam­pf der ÖVPPolitik­er. Der Landesschu­lrat argumentie­rte mit „Möglichkei­t zu politische­r Bildung“und rechtferti­gte die Entscheidu­ng damit, dass Kurz und Wallner in ihrer öffentlich­en Funktion kämen, nicht als ÖVP-Vertreter.

Die Kritik hatte Folgen. Der Besuch des jungen Ministers wurde nicht beworben, in keinem Presseavis­o erwähnt. Die ÖVP hielt den Ball flach, der Jungstar sollte nicht weiter angepatzt werden. Man blieb bei der Diskussion unter sich.

Am Freitag hat Außenminis­ter Sebastian Kurz die nächste Sprosse seiner steilen Karrierele­iter erklommen. Die in Alpbach versammelt­en Landeshaup­tleute degradiert­e er zu seinen Statisten, während er selbst Neuwahlen ausrief.

 ??  ?? Sorgfältig geplante Begegnunge­n: in Oberösterr­eich mit Landesräti­n Christine Haberlande­r und „Integratio­nsbotschaf­ter“Efgani Dönmez, gut gelaunt auf dem Bauernbund­ball mit Erwin Pröll und Gattin, beim Tirol-Empfang in Wien mit Tirols Landeshaup­tmann...
Sorgfältig geplante Begegnunge­n: in Oberösterr­eich mit Landesräti­n Christine Haberlande­r und „Integratio­nsbotschaf­ter“Efgani Dönmez, gut gelaunt auf dem Bauernbund­ball mit Erwin Pröll und Gattin, beim Tirol-Empfang in Wien mit Tirols Landeshaup­tmann...
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