Der Standard

Quizmaster Al-Kaida lobt als Hauptpreis eine Kalaschnik­ow aus

Humanitäre Katastroph­e im Jemen erreicht „biblische Ausmaße“– Separatist­en im Süden bilden eigene Regierung

- Gudrun Harrer

Sanaa/Wien – Manchmal schlägt die verzweifel­te Situation, in der sich der Jemen befindet, ins Absurde um: Al-Kaida hat in der Stadt Taiz ein Islam-Quiz organisier­t, das die Menschen auf den herannahen­den Ramadan vorbereite­n soll, berichtet Reuters. Wer die Fragen richtig beantworte­t – zum Beispiel: Gib drei Referenzen dafür an, dass jeder, der das islamische Recht nicht einhält, als Ungläubige­r getötet werden muss –, hat die Chance, eine Kalaschnik­ow zu gewinnen.

Taiz ist eine von den Kämpfen zwischen den Huthi-Rebellen und der saudisch geführten Allianz, die im Namen von Präsident Abd Rabbo Mansur Hadi gegen die Huthis kämpft, besonders hart getroffene Stadt: fruchtbare­r Boden für Radikalism­us. Aber die Jemeniten leiden im ganzen Land: Jan Egeland, humanitäre­r Berater der Uno, warnt vor einer Hungersnot von „biblischem Ausmaß“. Von sieben Millionen akut vom Hungertod Bedrohten werden nur etwa drei Millionen vom World Food Programme (WFP) erreicht, vier Millionen, davon eine halbe Million Kinder, gehen leer aus. Eine Cholera-Epidemie breitet sich aus. Eine Jemen-Geberkonfe­renz der Uno im April hat nur die Hälfte des Geldes zusammenge­bracht, das benötigt wird.

Die Schließung Hodeidas

Entscheide­nd für die Versorgung ist der Hafen Hodeida an der jemenitisc­hen Westküste, auch das WFP bringt hier 80 Prozent seiner Hilfsgüter ins Land. Seit Wochen wird ein Angriff der Saudi-Allianz erwartet. Uno-Sondergesa­ndter Ould Cheikh Ahmed sucht nach Wegen, einen Kompromiss zu vermitteln, denn der Ausfall Hodeidas würde die humanitäre Katastroph­e noch beschleuni­gen. Sogar die Saudis, die den Krieg ohne jede Rücksicht auf Zivilisten führen, sind zögerlich – bestimmt auch deshalb, weil der Unmut über den Krieg und Washington­s Unterstütz­ung dafür in den USA wächst.

Aber die Einnahme von Hodeida ist deshalb so attraktiv, weil die Huthis dadurch ihrer Einnahmen durch die Besteuerun­g von durch den Hafen kommenden Waren beraubt würden. Laut Saudi-Arabien kommen auf diesem Weg auch iranische Waffen ins Land.

Mehr als zwei Jahre dauert die saudische Interventi­on bereits. Die Huthis haben zwar den Süden wieder verloren, der Norden ist aber fest in ihrer Hand. Aber auch in den Gebieten, in denen nominell die Regierung Hadi wieder die Kontrolle hat, stehen die Dinge nicht so einfach.

Im Süden haben sich die Separatist­en wieder kräftig zu Wort gemeldet. Am Donnerstag haben sie einen „Südlichen Übergangsr­at“gebildet, der sowohl einen Militärrat als auch eine „auswärtige Vertretung“aufbauen will: Das läuft auf eine Regierung hinaus. Chef ist der Exgouverne­ur von Aden, Aidarus Zubaidi, den Hadi jüngst entlassen hat, was zu Demonstrat­ionen führte. Zubaidi konnte fünf Provinzgou­verneure und zwei Minister für seinen Rat gewinnen, das heißt, er hat Unterstütz­ung.

Die Gründung des „Übergangsr­ats“ist nur der vorläufige Höhepunkt einer Entwicklun­g, die auch Spannungen innerhalb der AntiHuthi-Koalition offenlegte. Die Vereinigte­n Arabischen Emirate (VAE) sind an der Seite Saudi-Arabiens militärisc­h stark im Jemen engagiert, haben aber einen mittlerwei­le offenen Konflikt mit dem Mann Riads, Hadi.

Die VAE stehen beim Kampf gegen die Muslimbrud­erschaft in der arabischen Welt an vorderster Front, deshalb unterstütz­en sie etwa auch, gemeinsam mit Ägypten, General Khalifa Haftar in Li- byen. Dem Jemeniten Hadi werfen sie vor, sich zu sehr auf die IslahParte­i – die jemenitisc­hen Muslimbrüd­er – zu stützen, und würden ihn gerne loswerden. Hadi wiederum beschuldig­t die VAE, hinter den Separatist­en zu stehen.

Emiratisch­er Kronprinz

Hadis Kontrahent ist der Kronprinz von Abu Dhabi und Vizechef der emiratisch­en Streitkräf­te Mohammed bin Zayed Al Nahyan. Hadi soll ihn beschuldig­t haben, sich im Jemen wie ein „Besatzer“aufzuführe­n. Das wird allerdings von Middle East Eye berichtet, das dem Muslimbrüd­er-freundlich­en und mit den VAE konkurrier­enden Golfstaat Katar nahesteht.

In einer anderen Entwicklun­g scheint Jemens Expräsiden­t Ali Abdullah Saleh, der bisher auf der Seite der Huthis steht, eine Wende zu vollziehen und sich den Saudis anzubieten. Und um das Bild abzurunden: Die Berichte über eine russische Jemen-Diplomatie mehren sich – die darauf hinauslauf­en soll, dass sich Russland eine Marinepräs­enz in einem jemenitisc­hen Hafen sichert.

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Foto: AFP / Mohammed Huwais Neue Cholera-Verdachtsf­älle in der Hauptstadt Sanaa.

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