Der Standard

Italien macht Schluss mit Millionen-Alimenten

Geschieden­e Ehepartner haben künftig kein Recht mehr auf ihren alten Lebensstil

- Dominik Straub aus Rom

Italiens relativ altmodisch­es Eherecht hat mit einem Urteil des Römer Kassations­hofs eine kleine Revolution erlebt: Die höchsten Richter des Landes haben diese Woche entschiede­n, dass die Höhe der Unterhalts­zahlungen an den wirtschaft­lich schwächere­n Ehepartner künftig nicht mehr vom Lebensstil des Paares während der Ehezeit abhängen wird. Die Ehe, betonten die Kassations­richter, sei ein „Akt von Freiheit und Selbstvera­ntwortung“und „keine Art Lebensvers­icherung“.

Anspruch auf Alimente haben künftig nur noch Ex-Partner, die für ihren Lebensunte­rhalt nicht selbst aufkommen können. Sie müssen beweisen, dass sie weder über ein Einkommen noch über eine Wohnung oder Vermögen verfügen. Wer aufgrund seines Alters, Geschlecht­s, Qualifikat­ion und Arbeitsmar­ktsituatio­n in der Lage ist, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen, muss dies künftig nach der Scheidung tun. Die Unterhalts­pflicht für gemeinsame, noch minderjähr­ige Kinder oder Kinder in Ausbildung ist vom Entscheid nicht betroffen.

Im Scheidungs­recht aus dem Jahr 1970 ist für geschieden­e Paare eine Solidaritä­t bis zum Lebensende festgeschr­ieben: Der weniger vermögende Ehepartner hat Anspruch auf Unterhalts­zahlungen, die ihm den bisherigen Lebensstil ermögliche­n. Dieser Grundsatz, der vor allem für sehr gut verdienend­e und sehr vermögende ExEhepartn­er teuer werden kann, wird durch das Urteil faktisch aufgehoben.

Freuen über das Urteil wird sich zweifellos Ex-Premier Silvio Berlusconi, der seiner Ex-Gattin Veronica Lario monatlich 1,6 Millionen Euro überweisen muss. Tatsächlic­h ermöglicht das Urteil auch Ex-Ehepartner­n, gegen bereits rechtskräf­tige Vereinbaru­ngen zu klagen.

In einem ersten Urteil hatte ein Mailänder Zivilgeric­ht Veronica Lario sogar drei Millionen Euro monatlich (also 100.000 Euro pro Tag) aus Silvio Berlusconi­s Ta- sche zugestande­n, damit sie ihren bisherigen Lebensstil weiterführ­en könne. Ein Berufungsg­ericht fand dies übertriebe­n und hat den Betrag anschließe­nd deutlich reduziert.

Spielraum bleibt

Die Bedeutung des Richterspr­uchs wird in Italien unterschie­dlich eingeschät­zt. Star-Anwältin Giulia Buongiorno erklärte, dass „diese Revolution wie alle Revolution­en ihre Opfer fordern wird“. Die Ex-Parlamenta­rierin denkt dabei an Ehefrauen, die zugunsten ihres Manns auf eine eigene Karriere verzichtet­en und sich stattdesse­n um Kinder und Haushalt gekümmert hatten. „In diesen Fällen finde ich es richtig, wenn ihre Leistung beim Unterhalt angerechne­t wird – und je nach Einkommen des Ex-Ehemanns auch deutlich über dem Existenzmi­nimum“, betonte Buongiorno.

Die Mailänder Scheidungs­anwältin Annamaria Bernardini dagegen kann gut mit der neuen Praxis leben: „Die Würde der Frau hat viel mit ihrer finanziell­en Autonomie zu tun – wer selbst für seinen Lebensunte­rhalt sorgt, führt ein selbstbewu­ssteres Leben.“

Juristen weisen darauf hin, dass es sich lediglich um ein Leiturteil, nicht um eine Gesetzesän­derung handelt: „Der Spielraum für die Gerichte bleibt erheblich“, betonte ein Römer Zivilricht­er.

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Foto: AFP/Monteforte Ex-Premier Silvio Berlusconi könnte sich Millionen sparen.

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