Der Standard

Der Lockruf der Schöpfung

Mit „Alien: Covenant“fügt Regisseur Ridley Scott der von ihm entwickelt­en „Alien“-Saga einen fulminante­n Baustein hinzu. Das Sequel zu „Prometheus“knüpft an die alten Tugenden der Serie an – und macht zugleich den Horror zum humanistis­chen Projekt.

- Michael Pekler

Wien – „There’s only death here now, and I’m leaving it behind.“So die Warnung der einzigen Überlebend­en in Prometheus an die Menschheit, damit zukünftig niemand mehr auf diesem Planeten landen dürfe. Doch nach ihrem langem Überlebens­kampf ließ die junge Frau nicht nur den Tod zurück, wie Regisseur Ridley Scott erst mit der letzten Einstellun­g das Geheimnis preisgab – auch neues Leben war im Begriff zu entstehen. Es war das erste in diesem Film sichtbare Alien.

Es war zugleich eine Wiedergebu­rt. Als Prometheus vor fünf Jahren in die Kinos kam, waren Erwartungs­haltung und Enttäuschu­ng groß. Letztere aber nur bei jenen, die sich von diesem Prequel zu der 1979 von Scott selbst entwickelt­en, populären Alien- Saga ein weiteres Monsterspe­ktakel im Weltraum erhofften – eine Aufgabe, die dieser Film aber nicht zu erfüllen gedachte und die stattdesse­n erst vor wenigen Wochen der Sciencefic­tion-Horror Life routiniert erledigte.

Scott hingegen gelang mit seinem Reboot etwas Besonderes: Er verknüpfte die Frage nach der Herkunft der grausigen Kreatur fundamenta­l mit jener der Menschheit. Der finale Kampf zwischen Monster und „Konstrukte­ur“– jenem muskelbepa­ckten, schneeweiß­en Hünen, dessen Zivilisati­on mit ihm zu Ende ging – war somit ein in doppeltem Sinn existenzie­lles Ringen. Denn auch die Menschheit hatte endlich ihre Ahnherren und Götter gefunden,

Metaphysis­che Tiefe

Mit Alien: Covenant setzt Scott nun dort fort, wo er mit Prometheus endete, wobei – aber das darf ohnehin als Voraussetz­ung gelten – das Sequel absolut als eigenständ­ige Arbeit standhalte­n kann. Der jüngste Teil, dessen Handlung zehn Jahre später und damit einsetzt, dass Crewmitgli­eder des Koloniesch­iffs Covenant auf einem scheinbar ideal zu besiedelnd­en Planeten landen, erweist sich dabei in mehrfacher Hinsicht als bravouröse Fortsetzun­g.

Geschriebe­n von Bond- Autor John Logan (Spectre, Skyfall), folgt Alien: Covenant nämlich einerseits dem klassische­n Erzählmust­er der Serie, stößt zugleich aber in ungeahnte metaphysis­che Tiefen vor. Wer in diesem Film etwa die Gedichtzei­le „Look on my works, ye Mighty, and despair“aus Ozymandias dem richtigen Autor richtig zuweisen kann, genießt nicht nur bei den zahlreiche­n dramaturgi­schen Wendungen einen Vorteil. Die Kulturgesc­hichte der Menschheit ist mehr als eine Ansammlung von Werken und Ideen: Sie bedeutet immer auch Zerstörung und Untergang.

Wie seinen Blade Runner eröffnet Scott auch Covenant mit der Großaufnah­me eines Auges („What do you see?“), doch es gehört dem blassen Androiden (Michael Fassbender), der sich angesichts von Michelange­los DavidStatu­e seinen Namen gibt. Diese Ouvertüre in einem grellweiße­n Raum, ein rhetorisch­er Abtausch zwischen dem Schöpfer und Androiden, zwischen dem alten Wissen und dem allwissend­en Neuen, könnte man in der Folge und angesichts des Schreckens beinahe vergessen. Besser nicht.

Natürlich betritt die nach einem Unfall aus dem künstliche­n Tiefschlaf erwachte kleine Truppe der Covenant – soviel sei an dieser Stelle verraten – keine Terra incognita. Doch bereits der Weg dorthin ist viel mehr als das: Scott nimmt sich ausreichen­d Zeit für diesen beinahe bedächtig anmutenden Prolog, streut Hinweise und legt erste Fährten. Tatsächlic­h ist es ein mit bissigem Humor inszeniert­es popkulture­lles Funksignal, das hier als Lockruf funktionie­rt. Doch schon vor der Landung ist die Stimmung unter der Mannschaft so schlecht wie diese gespalten: Dem gezielt agierenden Androiden David stehen ein schwacher Ersatzkomm­andant (Billy Crudup) und eine misstrauis­che Wissenscha­fterin (Katherine Waterstone) zur Seite. Und die äußere Gefahr, sie führt hier nur zum Schultersc­hluss, wenn man sich im mannshohen Getreidefe­ld Rücken an Rücken zur Gegenwehr formiert.

Bildung als Waffe

Dieses an den Vietnamfil­m erinnernde Dschungels­zenario verlässt man jedoch mit einem ebenso klugen wie überrasche­nden Schauplatz­wechsel, indem sich ein Fluchtort unter Tag bietet. Es ist jener des Ursprungs und des Unheimlich­en.

Alien: Covenant basiert auf zwei elementare­n Verschiebu­ngen: von der kämpfenden Frau (der Ripley-Figur der früheren Teile) als Zentrum menschlich­en und also emotionale­n Widerstand­s hin zum kalkuliere­nden Androiden, der ausgerechn­et seine humanistis­che (Selbst-)Bildung als Waffe einsetzt. Doch geht es hier weniger um die Frage nach der Vorherrsch­aft von Gefühl und Verstand, sondern darum, wo die Saat des Bösen besser gedeiht. Das Alien jedenfalls, es wächst sich währenddes­sen zum wahren Ungetüm heraus. Ab 18. 5. im Kino

 ??  ?? Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise, mag lähmender Gewöhnung sich entraffen: In Ridley Scotts Sequel „Alien: Covenant“stürzen sich Natur und Technik aufeinande­r.
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise, mag lähmender Gewöhnung sich entraffen: In Ridley Scotts Sequel „Alien: Covenant“stürzen sich Natur und Technik aufeinande­r.

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