Der Mann im Song-Contest-Mond
Nathan Trent bestreitet Samstagabend das ESC-Finale in der Ukraine
Kiew – Ob sich die Drehbuchschreiber des Eurovision Song Contest hinter den Kulissen eine kleine Hetz draus machen, ist nicht bekannt. Klar ist: Wie so viele repetitive Kennzeichen des ESC (Windmaschine, Transparentstoff, lange Vokale) wird auch das austriakische Halbfinalzittern mit guter Wendung zur Tradition.
Nach Conchita Wurst und Zoë Straub durfte am Donnerstag mit Nathan Trent schon der dritte heimische ESC-Künstler in Folge ein Wechselbad der bei diesem Wettbewerb immer besonders starken Gefühle erleben und als letzter der zehn Aufgerufenen ins Finale einziehen. Die Reihung ist freilich willkürlich. Und in der Tat werden dem 25-jährigen Tiroler intakte Chancen eingeräumt, unter den 26 Ländern, die am Samstag in Kiew um die Gesangstrophäe rittern, passabel abzuschneiden.
Die Positionierung als blütenweißer Boyfriend ohne Flecken auf der Leber, Schwiegermütterliebling, Über-den-Wolken-Tänzer und freundlich tinkiwinkender Mann im Lalelu-Glitzermond nimmt man Trent in diesen krisengebeutelten Zeiten schlichtweg gerne ab. Das dazugehörige Lied Running on Air dürfte vor allem auch Samstag vormittags im Supermarkt für einen gesunden Start in den Tag mit viel Obst, gemüse und Cerealien sorgen.
Trents Konkurrenz in den Halbfinali hatte außer einer Gesamtschau europäischer Brautmoden nicht viel entgegenzusetzen. Ausnahmen bestätigen die Regel: Der kroatische Star Jacques Houdek zelebriert mit My Friend seinen beachtlichen Tonumfang und gibt, umringt von heftig schrammelnden Teufelsgeigern, ein Duett mit sich selbst zwischen Justin Bieber und Operettenbariton.
Ungarn setzt mit József Pápai auf Musik mit Romaeinflüssen, Weißrussland überzeugt erstmals selbstbewusst in Landessprache und Rumänien sorgt mit einer Mixtur aus Jodelrap, ElektroMarschmusik, Glitzerkanonen und Neunzigerjahre-Wordart für angenehme Unterhaltung. Als Favorit auf den Sieg gilt Italiens Francesco Gabbani. Mit Gelassenheit kann sich Nathan Trent seinen Zeilen widmen: „There’ll be good times / there’ll be bad times / but I don’t care“. Wie’s is, so is. Und eigentlich is ma wurscht.