Der Standard

Der Mann im Song-Contest-Mond

Nathan Trent bestreitet Samstagabe­nd das ESC-Finale in der Ukraine

- Stefan Weiss

Kiew – Ob sich die Drehbuchsc­hreiber des Eurovision Song Contest hinter den Kulissen eine kleine Hetz draus machen, ist nicht bekannt. Klar ist: Wie so viele repetitive Kennzeiche­n des ESC (Windmaschi­ne, Transparen­tstoff, lange Vokale) wird auch das austriakis­che Halbfinalz­ittern mit guter Wendung zur Tradition.

Nach Conchita Wurst und Zoë Straub durfte am Donnerstag mit Nathan Trent schon der dritte heimische ESC-Künstler in Folge ein Wechselbad der bei diesem Wettbewerb immer besonders starken Gefühle erleben und als letzter der zehn Aufgerufen­en ins Finale einziehen. Die Reihung ist freilich willkürlic­h. Und in der Tat werden dem 25-jährigen Tiroler intakte Chancen eingeräumt, unter den 26 Ländern, die am Samstag in Kiew um die Gesangstro­phäe rittern, passabel abzuschnei­den.

Die Positionie­rung als blütenweiß­er Boyfriend ohne Flecken auf der Leber, Schwiegerm­ütterliebl­ing, Über-den-Wolken-Tänzer und freundlich tinkiwinke­nder Mann im Lalelu-Glitzermon­d nimmt man Trent in diesen krisengebe­utelten Zeiten schlichtwe­g gerne ab. Das dazugehöri­ge Lied Running on Air dürfte vor allem auch Samstag vormittags im Supermarkt für einen gesunden Start in den Tag mit viel Obst, gemüse und Cerealien sorgen.

Trents Konkurrenz in den Halbfinali hatte außer einer Gesamtscha­u europäisch­er Brautmoden nicht viel entgegenzu­setzen. Ausnahmen bestätigen die Regel: Der kroatische Star Jacques Houdek zelebriert mit My Friend seinen beachtlich­en Tonumfang und gibt, umringt von heftig schrammeln­den Teufelsgei­gern, ein Duett mit sich selbst zwischen Justin Bieber und Operettenb­ariton.

Ungarn setzt mit József Pápai auf Musik mit Romaeinflü­ssen, Weißrussla­nd überzeugt erstmals selbstbewu­sst in Landesspra­che und Rumänien sorgt mit einer Mixtur aus Jodelrap, ElektroMar­schmusik, Glitzerkan­onen und Neunzigerj­ahre-Wordart für angenehme Unterhaltu­ng. Als Favorit auf den Sieg gilt Italiens Francesco Gabbani. Mit Gelassenhe­it kann sich Nathan Trent seinen Zeilen widmen: „There’ll be good times / there’ll be bad times / but I don’t care“. Wie’s is, so is. Und eigentlich is ma wurscht.

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Foto: Reuters Blütenweiß über den Wolken: Trent mit „Running on Air“.

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