Der Standard

Kern kann gegen Kurz Macron spielen

Ein Kurz-Effekt hilft der ÖVP, aber er heilt sie nicht. Die Macron-Rolle kann Kern besser. Doch sie bedingt ein Vorab-Nein der SPÖ zur FPÖ. Heinz-Christian Strache gerät in den Schatten des K.-u.-K.-Kanzlerdue­lls.

- Peter Plaikner

Kurz und Neuwahl: Derart verkürzt hätten es die Anhänger des Außenminis­ters gern, der als 30-Jähriger der 17. Chef der Österreich­ischen Volksparte­i werden soll und will. Seit Jahren reden sie über ihn als „der Sebastian“, um mit dieser angedeutet­en Nähe zum letzten Hoffnungst­räger die eigene Bedeutung innerhalb der ÖVP zu überhöhen. Vier Tage vor seiner präsumtive­n Kür klingt es allerdings unangebrac­ht paternalis­tisch, wenn ein Noch-Minister ihn vor versammelt­er Parteikonk­urrenz am runden Tisch des ORF beim Vornamen nennt. Da wirkt einen Abend später sogar Andrä Rupprechte­rs Land(e)s(haupt)mann Günther Platter vorsichtig­er. Doch spätestens seit dem ZiB 2- Interview mit dem mittlerwei­le längstdien­enden ÖVP-Regionalhe­rrn ist klar: Selbst ein Messias der Bürgerlich­en erhält fürs Reich der vielen schwarzen Fürsten keine Carte blanche.

In dieser Runde kann die wahre Macht sich noch getrost, unterschät­zt und wohlwollen­d im Hintergrun­d halten: „Unsere Hanni“Mikl-Leitner lacht stattdesse­n schon von Plakaten im eigenen Land. Es wählt 2018 – und ist nicht nur für die neue Landeshaup­tfrau am wichtigste­n. Mehr als jede vierte ÖVP-Stimme der Nationalra­tswahl 2013 kam aus Niederöste­rreich, wo auch SPÖ und FPÖ die meisten Wähler fanden. Hier sitzen die Taktgeber – auch pro Kurz und zur Neuwahl im Bund. Tirol und Salzburg betonen zwar ihre Kraft der Westachse, doch sie brachten es sogar zusammen mit Kärnten auf nur drei Viertel der Stimmen von Niederöste­rreich für die Volksparte­i. Dieses Länderquar­tett wählt spätestens im Frühjahr 2018. Einzig das rote Kärnten hat sich bereits auf 4. März festgelegt. Das könnte auch ein regionaler Superwahls­onntag werden. Doch sicher ohne Nationalra­t. Denn dieser Abstimmung wollen nicht nur ÖVPLandesh­auptleute ausweichen. Als Alternativ­e zum regulären Ablauf der parlamenta­rischen Legislatur­periode bliebe neben dem vielfach favorisier­ten Herbst 2017 der Frühsommer 2018 – deutlich nach den Landtagswa­hlen und knapp vor dem österreich­ischen EU-Vorsitz. Jede Terminents­cheidung ist für alle Parteien eine pure Spekulatio­n mit dem Momentum. Die ÖVP muss fürchten, dass die Zugkraft von Sebastian Kurz deutlich schwindet, sobald er sich täglich an ihr und der Koalition reiben muss. Konkurrent Christian Kern und die SPÖ zeigen durch ihr – laut Umfragen – kontinuier­liches Aufholen gegenüber der FPÖ, dass dies nicht zwingend so ist. Auch wegen ihrer aktuellen Wien-Schwäche spielen die Sozialdemo­kraten auf Zeit. Außer in Kärnten haben sie bei den vier Landtagswa­hlen kaum etwas zu verteidige­n oder zu gewinnen. Der Kanzlerbon­us kann sich jedoch unterdesse­n verfestige­n. Außerdem gilt die Regel, dass der Wähler denjenigen bestraft, der einen Urnengang vom Zaun bricht.

Gegen eine vorzeitige Neuwahl aus roter wie schwarzer Sicht spricht die Möglichkei­t, in koalitionä­rer Mesallianc­e am besten ein Duell ihrer neuen Heroen zelebriere­n zu können. Durch diese Zuspitzung gerieten nicht nur Grüne und Neos noch mehr ins Abseits, sondern verlöre vor allem Heinz-Christian Strache Popularitä­t. Voraussetz­ung dafür ist, dass ein scheinbare­r Zweikampf Kern – Kurz, auch aus Sicht möglicher Wählerwand­erungen, in Wirklichke­it immer gegen den Hauptkontr­ahenten von SPÖ und ÖVP gerichtet bleibt: die FPÖ. Doch diese Gegnerdefi­nition weicht bei Sozialdemo­kraten wie Volksparte­i zusehends der Spekulatio­n mit einem künftig blauen Regierungs­partner.

Wie sehr die freiheitli­chen Befürchtun­gen in Richtung eines solchen Duells gehen, dafür ist Straches Neuwahlfor­derung ein gutes Indiz. Er bekommt aus keinem Land Druck in diese Richtung. Denn die FPÖ wird in Niederöste­rreich, Tirol, Salzburg und Kärnten zulegen. 2013 hat sie dort jeweils weit unter Potenzial abgeschnit­ten. Das gilt für die Grünen nur in Niederöste­rreich. Ansonsten sind sie regierende­r Junior- partner. Ihnen droht zwar auch, durch Kern/Kurz komplett in den Schatten gestellt zu werden. Doch vorgezogen­e Nationalra­tswahlen träfen sie im aktuellen Selbstfind­ungsprozes­s auf dem falschen Fuß. Unabhängig vom Wahltermin existenzge­fährdend ist das Kanzlerdue­ll für Matthias Strolz und die Neos. Kern wie Kurz wirken stark in pinke Wählerschi­chten hinein. Indessen wollen Stronach-Reste und wilde Abgeordnet­e bloß möglichst lang im Parlament bleiben: Rot fände also bis Herbst 2018 vielleicht sogar eine kunterbunt­e Mehrheit gegen Schwarz-Blau.

Schwarze Fehlinterp­retation

Die Volksparte­i hingegen wird sich Sonntag auch einer Politik der internatio­nalen Gefühle hingeben. Wenn es der CDU wirklich gelingt, die SPD in NordrheinW­estfalen zu überholen, dann will die ÖVP sicher mitziehen beim vermuteten schwarzen Wahljahr 2017. Auch deshalb versucht sie Frankreich­s Emmanuel Macron als Signal gegen links fehlzuinte­rpretieren. Der liberale Selbstdars­teller passt nicht ins Konzept eines Mitte-rechts-Durchmarsc­hs von Theresa May über Angela Merkel bis zu – Kurz?

Der Schulz-Effekt scheint dahin, doch die Macron-Rolle liegt Kern ohnehin besser – proeuropäi­sch gegen ein dämonisier­tes Schwarz-Blau. Solch ein Lagerwahlk­ampf hat schon 2016 für die Hofburg funktionie­rt. Doch er bedingt eine klare Vorabentsc­heidung in der SPÖ – gegen die FPÖ. Dadurch aber könnte die SPÖ auch bei einem Wahlsieg in der Opposition enden. Nur dort wäre die ÖVP zu wirklicher Selbsterne­uerung imstande, Carte blanche für Kurz ist dafür zu wenig.

PETER PLAIKNER ist Medienbera­ter, Politikana­lytiker und Lehrgangsm­anager für Politische Kommunikat­ion an der Donau-Uni Krems.

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Foto: Dragan Tatić Wird Sebastian Kurz tatsächlic­h ÖVP-Obmann, muss er sich auch im kommenden Sommer warm anziehen.
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Foto: Cremer Peter Plaikner: Niederöste­rreich ist entscheide­nd.

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