LESERSTIMME
Welche Demokratie, ÖVP?
Betrifft: ÖVP-Obmanndebatte Es wird also, wie es derzeit aussieht, Neuwahlen geben. Viele in der ÖVP wollen das, weil sie glauben, mit dem Spitzenkandidaten Kurz endlich jemanden zu haben, der sie wieder zur stimmenstärksten Partei machen wird, und weil der permanente Kleinkrieg, genannt Koalition, so nicht mehr weitergehen könne. Sekundiert werden sie von den Boulevardmedien und großen Teilen der sogenannten Qualitätsmedien.
Von den letzten sechs Nationalratswahlen werden also vier vor Ablauf der Legislaturperiode stattgefunden haben. Bei diesen hat jedes Mal die ÖVP versucht, einen strategischen Vorteil zur Stärkung ihrer Macht zu nutzen. Klar ist, dass sie das nur machen kann, weil sie angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Land mit einer strukturellen Mehrheit rechts der Mitte praktisch sicher in jeder zukünftigen Regierung sitzen wird – solange die SPÖ in großen Teilen nicht bereit ist, einen der letzten zentralen ideologischen Inhalte, der die österreichische Sozialdemokratie noch zusammenhält, aufzugeben, den Antifaschismus – um ihrerseits mit der FPÖ zu koalieren. Damit hat die ÖVP in den letzten zwei Jahrzehnten massiv zur politischen Instabilität in Österreich beigetragen, nicht nur die FPÖ, und zur Krise des politischen Systems. Die Frage ist, was das über das Demokratieverständnis der ÖVP aussagt? Das müssen aber Kurz und die neue Führungsriege der Partei beantworten.
Roland Atzmüller Johannes-Kepler-Uni, Linz