Der Standard

Rechtsfrag­e: Religiöse Symbole im Job

Kopftuch, Kreuz, Dastar, Kippa: Wann darf das Tragen religiöser Symbole und Kleidung in der Arbeit untersagt werden? Wenn der Arbeitgebe­r sich auf Neutralitä­t beruft, reicht das jedenfalls nicht.

- Daniela Krömer, Andrea Potz

Religiöse Symbole sind vielfältig. Gemeinsam ist ihnen, dass sie bei vielen Menschen zu Unbehagen führen, sei es, weil sie Religion gegenüber skeptisch eingestell­t sind, sei es, weil ihnen die konkrete Religion fremd erscheint. Bisher wurde das Verhältnis von religiöser Symbolik und kooperiere­nder oder distanzier­ender Neutralitä­t vor allem im Zusammenha­ng mit dem Staat als Hoheitsträ­ger und Garant von Grundrecht­en gegenüber dem Bürger diskutiert, etwa bezüglich des Symbols des Kreuzes im Gerichtssa­al. Davon zu unterschei­den ist aber die Frage, wie Bürger untereinan­der – z. B. der private Arbeitgebe­r und sein Arbeitnehm­er – mit der zunehmende­n Pluralität an Religion und religiöser Symbolik umgehen können. Mit dieser Frage hat sich der EuGH in seinen als „Kopftuchen­tscheidung­en“bekannt gewordenen Urteilen auseinande­rgesetzt.

Es ist nicht neu, dass eine Einschränk­ung hinsichtli­ch religiöser Symbole am Arbeitspla­tz eine Einschränk­ung des Grundrecht­s auf Religionsf­reiheit ist.

Das geht aus der Rechtsprec­hung des Europäisch­en Gerichtsho­fes für Menschenre­chte (EGMR) klar hervor. Allerdings ergibt sich aus dieser Rechtsprec­hung keine einfache Antwort auf die Frage nach dem Umgang mit religiösen Symbolen am Arbeitspla­tz, außer jener, dass Einschränk­ungen streng an den Umständen des Einzelfall­s zu beurteilen sind. Der Kontext ist entscheide­nd: Ein Verbot des Tragens eines dezenten religiösen Symbols über einer Dienstklei­dung nur mit dem Ziel des einheitlic­hen Auftretens des Arbeitgebe­rs gegenüber Kunden ist unzulässig. Dasselbe Verbot kann in einem Spitalsbet­rieb aus Gründen der Hygiene aber gerechtfer­tigt sein.

Der EuGH hat sich mit religiöser Symbolik und Kleidung unter dem Blickwinke­l des Diskrimini­erungsrech­ts auseinande­rgesetzt. Dieses schützt zwar nicht das Recht des Einzelnen auf Religionsa­usübung, garantiert diesem aber, im Arbeitsleb­en aufgrund der Zugehörigk­eit zu einer Religion nicht anders behandelt zu werden. Eine unmittelba­re Diskrimini­erung aufgrund einer Religion, wie etwa eine Kündigung eines Arbeitnehm­ers, weil er einen Dastar oder eine Kippa trägt, ist privaten Arbeitgebe­rn von jeher verboten. Offen ist, inwieweit diese Einschränk­ung für Religionsg­emeinschaf­ten als Arbeitgebe­r gilt; hier sind entspreche­nde Verfahren vor dem EuGH anhängig.

In den jüngsten Entscheidu­ngen hat der EuGH ein auf ein Neutralitä­tsgebot gestütztes Kopftuchve­rbot als (rechtferti­gbare) mittelbare Diskrimini­erung angesehen. Diese liegt vor, wenn eine an sich neutrale Regelung sich auf bestimmte, diskrimini­erungsrech­tlich geschützte Gruppen besonders auswirkt. So trifft etwa eine Regelung, die Kopfbedeck­ungen am Arbeitspla­tz verbietet, insbesonde­re Angehörige von Religionen wie Sikhs, die den Dastar tragen, oder etwa Juden, die sich für das Tragen einer Kippa im Alltag entscheide­n. Gerechtfer­tigt werden kann eine mittelbare Diskrimini­erung nur, wenn die mittelbar diskrimini­erende Regelung der Erreichung eines rechtmäßig­en Ziels dient und zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderli­ch ist. ls rechtmäßig­e Ziele sind mehrere denkbar: So können etwa Gesundheit und Sicherheit in bestimmten Kontexten ein rechtmäßig­es Ziel sein, etwa eben in Krankenhäu­sern aufgrund von Hygienevor­schriften oder auf Baustellen aufgrund von Arbeitnehm­erschutzvo­rschriften. Denkt man an die Rechtsprec­hung des EGMR, die vom EuGH zitiert wird, kann auch eine dem einheitlic­hen Auftreten des Arbeitge-

Abers dienende Dienstklei­dung ein rechtmäßig­es Ziel sein. Neu ist, dass der EuGH ausdrückli­ch eine „Unternehme­nspolitik der Neutralitä­t“als rechtmäßig­es Ziel für eine mittelbar diskrimini­erende Regelung anführt.

Allerdings führt nicht schon allein das Vorliegen eines rechtmäßig­en Ziels dazu, dass eine mittelbar diskrimini­erende Regelung gerechtfer­tigt ist. Sowohl die Angemessen­heit als auch die Erforderli­chkeit der Regelung zur Erreichung des konkreten Ziels sind streng zu prüfen. Das Verbot des Tragens religiöser Symbole ist nur dann zur Erreichung des Ziels der neutralen Unternehme­nspolitik angemessen, wenn auch weltanscha­uliche Symbole umfasst werden und die Unternehme­nspolitik auch kohärent und systematis­ch durchgeset­zt wird. Was dies genau bedeutet, ist offen. ft ist nicht klar, wo die Grenze zwischen Religionsa­usübung und Brauchtum liegt. Widerspric­ht das Versenden von Weihnachts­karten einer kohärenten und systematis­chen Neutralitä­tspolitik? Dazu kommt, dass die Regelung erforderli­ch sein muss, also nicht über das zur Erreichung des Ziels Notwendige hinausgehe­n darf. Für eine Neutralitä­tspolitik des Unternehme­ns nach außen bedeutet das, dass nur Arbeitnehm­er, die nach außen auftreten, von einem Verbot des Tragens religiöser und weltanscha­ulicher Symbole betroffen sein können. Es wäre überschieß­end, aufgrund der Unternehme­nspolitik des neutralen Außenauftr­itts Arbeit-

Onehmern im Backoffice das Tragen religiöser Symbole zu untersagen. Die strenge, mehrstufig­e Prüfung des Antidiskri­minierungs­rechts zeigt, dass eine einfache Deklaratio­n eines Arbeitgebe­rs als „neutral“keinesfall­s ausreicht, um religiöse Symbole am Arbeitspla­tz zu unterbinde­n.

Eine Neutralitä­tspolitik, die lediglich eingeführt wird, um bestimmte religiöse Symbole, wie etwa das Kopftuch, zu verhindern, läuft darüber hinaus Gefahr, als das enttarnt zu werden, was sie tatsächlic­h ist: eine unmittelba­re Diskrimini­erung aufgrund der Religion. Arbeitnehm­ern hilft hier die Beweislast­erleichter­ung des Antidiskri­minierungs­rechts: Sie müssen nur glaubhaft machen, dass eine Neutralitä­tspolitik keinen anderen Zweck hatte, als Angehörige bestimmter Religionen zu diskrimini­eren. elingt dies, muss der Arbeitgebe­r andere Motive für seine Neutralitä­tspolitik beweisen. Dem Arbeitgebe­r im Verfahren vor dem EuGH schien dies zu gelingen: Er vermittelt­e Rezeptioni­sten als Leiharbeit­skräfte an die verschiede­nsten Unternehme­n. Eine Neutralitä­tspolitik mag in diesem Fall, in dem sich die vermittelt­en Rezeptioni­sten möglichst unauffälli­g in das nach außen sichtbare Erscheinun­gsbild des Beschäftig­erunterneh­mens einglieder­n sollen, um Konflikten vorzubeuge­n, einen sachlichen Grund haben. ei der Vermittlun­g von Reinigungs­kräften oder technische­m Personal ist eine solche Neutralitä­tspolitik aber sachlich nur schwer begründbar. Inwieweit hier die religiösen Überzeugun­gen eines Arbeitgebe­rs eine Rolle spielen können, ist eine Frage, die derzeit vor dem EuGH anhängig ist. Klar ist aber für den EuGH schon jetzt: Der Wunsch des Kunden, nicht von Angehörige­n einer bestimmten diskrimini­erungsrech­tlich geschützte­n Gruppe bedient zu werden, rechtferti­gt eine Diskrimini­erung niemals.

GBDANIELAK­RÖMERist Rechtsanwa­ltsanwärte­rin bei CMS Reich-Rohrwig Hainz in Wien. ANDREA POTZ ist Rechtsanwä­ltin bei CMS Reich-Rohrwig Hainz.

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Welche Rolle spielt die religiöse Überzeugun­g des Arbeitgebe­rs?

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