Alte Regeln für die putzenden Tiger
Wie Uber und Co sieht sich Book-a-Tiger nur als Vermittler – von Reinigungskräften. Letztere werden als Selbstständige bezeichnet. Hält diese Darstellung aber einer rechtlichen Prüfung stand?
Wien – Auch Putzen kann modern daherkommen: Book-a-Tiger ist eine Onlineplattform, bei der Auftraggeber Reinigungskräfte schnell und unkompliziert für private Wohnungen oder kleine Büros buchen können. Der Ablauf sieht dabei wie folgt aus: Potenzielle Reinigungskräfte müssen, bevor sie Aufträge über die Plattform Book-a-Tiger annehmen können, eine telefonische Befragung bestehen sowie Kopien des Personalausweises, des Gewerbescheines und eines polizeilichen Führungszeugnisses übermitteln. Die Auftraggeber stellen den bestellten „Tigern“die Reinigungsmittel und -geräte zur Verfügung. Sie können mit den Reinigungskräften auch die zu erledigenden Tätigkeiten besprechen. Bezahlt wird im Vorhinein an die Plattform, die auch den Preis festlegt. Wie bei anderen Plattformen werden nach der Arbeit die Reinigungskräfte mit Sternen bewerten.
Durch die digitale Abwicklung wissen die Plattformbetreiber jederzeit, welche Reinigungskraft wann wo welche Aufträge mit welcher Qualität erbracht hat. Mit diesen Informationen kann die gesamte Arbeitsorganisation und -verteilung im Hintergrund mittels Algorithmen automatisiert gesteuert werden, sodass zum Beispiel Reinigungskräfte mit schlechten Bewertungen nur wenige oder keine Arbeitsangebote erhalten. Damit wird sichergestellt, dass die arbeitenden Personen trotz der kurzfristigen Vertragsverhältnisse so arbeiten wie in einer langfristigen Arbeitsbeziehung.
Vor diesem Hintergrund sind die grundlegenden rechtlichen Annahmen, nämlich dass Selbstständige lediglich vermittelt werden, in beiden Punkten (bloße Vermittlung und selbstständige Leistungserbringung) anzuzweifeln.
Zivilrechtlich möglich wäre eine Vermittlung, wenn von der Plattform ausreichend offengelegt wird, dass die Plattform lediglich eine Vermittlerrolle einnimmt. Das Dilemma der Plattformen ist aber, dass sie aus wirtschaftlichen und rechtlichen Gründen Vermittler sein wollen, aber nicht als diese auftreten, weil sie als Marke am Markt wahrgenommen werden wollen. Gute Leistungen der Reinigungskräfte sollen der Plattform zugerechnet werden.
Auch bei Book-a-Tiger fehlt es nach meiner Einschätzung an dieser deutlich erkennbaren Klar- Das Beispiel Book-a-Tiger 6. Teil stellung. Dass eine Regelung im Kleingedruckten nicht ausreicht, wurde gerichtlich bereits im Zusammenhang mit Reiseveranstaltern klargestellt.
Auch hinsichtlich der Selbstständigkeit kann die Sichtweise der Plattform zumindest angezweifelt werden. Durch die Weisungs- und Konkretisierungsrechte der Besteller, die Bereitstellung der Betriebsmittel, durch die persönliche Leistungspflicht, den fehlenden Gestaltungsspielraum, die einseitige Festlegung der Entgelte sowie durch die intensive Form der digitalen Kontrolle kann von einer ausreichend hohen Fremdbestimmtheit und damit von einem Arbeitsverhältnis ausgegangen werden.
Noch deutlicher wird diese rechtliche Einschätzung, wenn man sich näher ansieht, wer die typischen Arbeitgeberfunktionen ausübt: Begründung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses, Festlegung von Qualitätsricht- linien, Auftreten am Markt sowie Bestimmung des Entgelts werden ausschließlich von der Plattform ausgeübt, weshalb von Selbstständigen keine Rede sein kann.
Die Selbstbeschreibung der Plattformen darf daher rechtlich nicht prüfungslos übernommen werden. Diese Einschätzung bestätigen auch erstinstanzliche Entscheidungen zu Uber aus England und der Schweiz, wonach es sich um keinen bloßen Fahrtenvermittler, sondern um ein Transportunternehmen handle und Fahrer nicht als Selbstständige, sondern als Arbeitnehmer zu qualifizieren seien. Ob dies auch bei Book-a-Tiger zutrifft, werden nur die Gerichte klarstellen können.
JOHANNES WARTER ist Mitarbeiter Legal Counsel in einem international agierenden Unternehmen. Er hat zum Thema Crowdwork am Institut für Arbeits- und Sozialrecht der Uni Wien dissertiert und ist Mitautor des Buches „Arbeit in der Gig-Economy“.