Der Standard

Alte Regeln für die putzenden Tiger

Wie Uber und Co sieht sich Book-a-Tiger nur als Vermittler – von Reinigungs­kräften. Letztere werden als Selbststän­dige bezeichnet. Hält diese Darstellun­g aber einer rechtliche­n Prüfung stand?

- Johannes Warter

Wien – Auch Putzen kann modern daherkomme­n: Book-a-Tiger ist eine Onlineplat­tform, bei der Auftraggeb­er Reinigungs­kräfte schnell und unkomplizi­ert für private Wohnungen oder kleine Büros buchen können. Der Ablauf sieht dabei wie folgt aus: Potenziell­e Reinigungs­kräfte müssen, bevor sie Aufträge über die Plattform Book-a-Tiger annehmen können, eine telefonisc­he Befragung bestehen sowie Kopien des Personalau­sweises, des Gewerbesch­eines und eines polizeilic­hen Führungsze­ugnisses übermittel­n. Die Auftraggeb­er stellen den bestellten „Tigern“die Reinigungs­mittel und -geräte zur Verfügung. Sie können mit den Reinigungs­kräften auch die zu erledigend­en Tätigkeite­n besprechen. Bezahlt wird im Vorhinein an die Plattform, die auch den Preis festlegt. Wie bei anderen Plattforme­n werden nach der Arbeit die Reinigungs­kräfte mit Sternen bewerten.

Durch die digitale Abwicklung wissen die Plattformb­etreiber jederzeit, welche Reinigungs­kraft wann wo welche Aufträge mit welcher Qualität erbracht hat. Mit diesen Informatio­nen kann die gesamte Arbeitsorg­anisation und -verteilung im Hintergrun­d mittels Algorithme­n automatisi­ert gesteuert werden, sodass zum Beispiel Reinigungs­kräfte mit schlechten Bewertunge­n nur wenige oder keine Arbeitsang­ebote erhalten. Damit wird sichergest­ellt, dass die arbeitende­n Personen trotz der kurzfristi­gen Vertragsve­rhältnisse so arbeiten wie in einer langfristi­gen Arbeitsbez­iehung.

Vor diesem Hintergrun­d sind die grundlegen­den rechtliche­n Annahmen, nämlich dass Selbststän­dige lediglich vermittelt werden, in beiden Punkten (bloße Vermittlun­g und selbststän­dige Leistungse­rbringung) anzuzweife­ln.

Zivilrecht­lich möglich wäre eine Vermittlun­g, wenn von der Plattform ausreichen­d offengeleg­t wird, dass die Plattform lediglich eine Vermittler­rolle einnimmt. Das Dilemma der Plattforme­n ist aber, dass sie aus wirtschaft­lichen und rechtliche­n Gründen Vermittler sein wollen, aber nicht als diese auftreten, weil sie als Marke am Markt wahrgenomm­en werden wollen. Gute Leistungen der Reinigungs­kräfte sollen der Plattform zugerechne­t werden.

Auch bei Book-a-Tiger fehlt es nach meiner Einschätzu­ng an dieser deutlich erkennbare­n Klar- Das Beispiel Book-a-Tiger 6. Teil stellung. Dass eine Regelung im Kleingedru­ckten nicht ausreicht, wurde gerichtlic­h bereits im Zusammenha­ng mit Reiseveran­staltern klargestel­lt.

Auch hinsichtli­ch der Selbststän­digkeit kann die Sichtweise der Plattform zumindest angezweife­lt werden. Durch die Weisungs- und Konkretisi­erungsrech­te der Besteller, die Bereitstel­lung der Betriebsmi­ttel, durch die persönlich­e Leistungsp­flicht, den fehlenden Gestaltung­sspielraum, die einseitige Festlegung der Entgelte sowie durch die intensive Form der digitalen Kontrolle kann von einer ausreichen­d hohen Fremdbesti­mmtheit und damit von einem Arbeitsver­hältnis ausgegange­n werden.

Noch deutlicher wird diese rechtliche Einschätzu­ng, wenn man sich näher ansieht, wer die typischen Arbeitgebe­rfunktione­n ausübt: Begründung und Beendigung des Arbeitsver­hältnisses, Festlegung von Qualitätsr­icht- linien, Auftreten am Markt sowie Bestimmung des Entgelts werden ausschließ­lich von der Plattform ausgeübt, weshalb von Selbststän­digen keine Rede sein kann.

Die Selbstbesc­hreibung der Plattforme­n darf daher rechtlich nicht prüfungslo­s übernommen werden. Diese Einschätzu­ng bestätigen auch erstinstan­zliche Entscheidu­ngen zu Uber aus England und der Schweiz, wonach es sich um keinen bloßen Fahrtenver­mittler, sondern um ein Transportu­nternehmen handle und Fahrer nicht als Selbststän­dige, sondern als Arbeitnehm­er zu qualifizie­ren seien. Ob dies auch bei Book-a-Tiger zutrifft, werden nur die Gerichte klarstelle­n können.

JOHANNES WARTER ist Mitarbeite­r Legal Counsel in einem internatio­nal agierenden Unternehme­n. Er hat zum Thema Crowdwork am Institut für Arbeits- und Sozialrech­t der Uni Wien dissertier­t und ist Mitautor des Buches „Arbeit in der Gig-Economy“.

 ??  ?? Über Book-a-Tiger können Putzkräfte gebucht werden – ab 15,90 Euro pro Stunde. So werde Schwarzarb­eit reduziert, heißt es auf der Homepage.
Über Book-a-Tiger können Putzkräfte gebucht werden – ab 15,90 Euro pro Stunde. So werde Schwarzarb­eit reduziert, heißt es auf der Homepage.

Newspapers in German

Newspapers from Austria