Der Standard

„Dann fordern Sie bitte ein Auftraggeb­erprinzip!“

Michael Pisecky ist Wiens oberster Maklervert­reter, Student Marcus Beringer kämpft für die Einführung des Bestellerp­rinzips. Im Streitgesp­räch fanden sie so etwas wie einen kleinsten gemeinsame­n Nenner. „Wenn ein Makler sagt, er kann bei den kleinen Preis

- Martin Putschögl

MODERATION:

Standard: Herr Beringer, Sie haben gemeinsam mit zwei Freunden eine „parlamenta­rische Bürgerinit­iative für das Bestellerp­rinzip“ins Leben gerufen. Wie kam es dazu? Beringer: Letzten Sommer suchte ich eine Wohnung in Wien und war immer wieder in Kontakt mit Maklern. Leider habe ich nicht nur positive Erfahrunge­n gemacht. Vor allem aber dachte ich mir: Wieso muss ich als Wohnungssu­chender eine Leistung bezahlen, die in erster Linie für andere erbracht wird? Eine Bekannte erzählte mir dann von Erfahrunge­n in Deutschlan­d, dass es dort nun das Bestellerp­rinzip gibt, und wir dachten uns, wir möchten da auch in Österreich etwas ändern.

Standard: Wie viele Unterschri­ften haben Sie schon, und was erhoffen Sie sich vom Bestellerp­rinzip? Beringer: Wir haben österreich­weit etwa 1000 Unterschri­ften beisammen. Ich erwarte mir, dass es eine faire Regelung für alle Seiten gibt. Und ich glaube, dass auch die Makler davon profitiere­n könnten, weil es zu einer Qualitätsv­erbesserun­g käme. Pisecky: Unser Image ist zwar – sagen wir einmal – nicht das blendendst­e. Aber wer mit uns zu tun hatte, hat im Allgemeine­n eine bessere Meinung von Maklern. Wir haben laut einer Umfrage eine Zufriedenh­eit von 87 Prozent, und 82 Prozent würden uns weiterempf­ehlen.

Standard: Aber sind nicht 13 Prozent Unzufriede­ne immer noch eine sehr hohe Zahl? Pisecky: Ich war sehr positiv überrascht, dass wir über 80 Prozent zufriedene Kunden haben. Wenn man jetzt aber das Bezahlungs­system umstellt in Richtung eines Bestellerp­rinzips, dann verlieren Sie als Mieter die Möglichkei­t, unsere Leistungen aktiv einzuforde­rn. Wir haben hier (überreicht Beringer zwei Folder, Anm.) zusammenge­schrieben, wozu der Makler verpflicht­et ist, den Mieter oder Käufer aufzukläre­n. Das sind jeweils über 40 Punkte. Wir sind also das Vollzugsor­gan dessen, was der Gesetzgebe­r in Sachen Konsumente­nschutz vorhat. Beringer: Wir sagen nicht, dass ein Makler keine Leistungen erbringt, oder dass er nicht bezahlt werden soll. Sondern dass der den Makler bezahlen soll, der ihn beauftragt. Wenn ich als Mieter jetzt schon das Inserat im Internet selbst gefunden habe, ist die Leistung, die der Makler für mich erbringt, sehr gering. Und wenn Sie sich als Konsumente­nschützer sehen … Pisecky: … na ja, das wäre zu weit gegriffen. Wir gewährleis­ten die Einhaltung des Konsumente­nschutzes. Beringer: Das ist zwar theoretisc­h so, aber in der Praxis schaut das anders aus. Es gibt zum Beispiel ganz viele Inserate, wo kein Grundriss dabei ist. In der Realität müsste ein Makler auch darauf hinweisen, wenn eine Altbaumiet­e erhöht ist. Nicht nur, dass das nicht passiert – es gibt Fälle, wo der Makler nicht einmal weiß, ob eine Wohnung dem Mietrechts­gesetz unterliegt oder nicht. In einem Fall hat eine Studenten-WG Nachmieter gesucht, selbst ein Inserat geschaltet, die Wohnung hergezeigt, jemanden gefunden, die Daten an die Hausverwal­tung weitergele­itet. Dann ist ein Makler aufgetrete­n und hat gesagt: „Ihr könnt die Wohnung haben, aber ich hätte gerne die Provision.“Pisecky: Wenn Qualität und Leistung nicht stimmen, verstehe ich, wenn Sie dafür kein Honorar bezahlen wollen. Wenn sich Kunden bei uns melden, dann treten wir als Schlichter auf. Wenn Sie aber beim Bestellerp­rinzip einem Makler gegenübers­tehen, der nur von der anderen Seite bezahlt wird, vertritt er Sie nicht. Beringer: Das passiert aber auch jetzt schon! Pisecky: Jetzt haben Sie aber sehr wohl die Möglichkei­t, zu sagen: Ich zahle diese Provision nicht. Und wenn Sie sagen, ich suche mir die Immobilie selbst im Internet – haben Sie überlegt, wie die da hineinkomm­t? Durch uns Makler! Und wenn Sie sagen, da ist kein Grundriss dabei: ja, im Internet möglicherw­eise noch nicht. Aber das Online-Inserat ist eine Werbung, noch nicht das Angebot.

Standard: Ein Grundriss wäre doch ein wesentlich­es Kriterium, um interessan­te von uninteress­anten Wohnungen trennen zu können? Beringer: Das sehe ich auch so. Natürlich ist das Inserat nur eine Werbung, aber wenn man dann auf die Website des Maklerbüro­s geht, sieht man oft nicht viel mehr. Pisecky: Wenn die Leistung nicht in Ordnung ist, dann bin ich völlig bei Ihnen: Dann ist das Honorar nicht in Ordnung. Aber wenn Sie ein Bestellerp­rinzip haben – was verbessern Sie denn dadurch? Und die Vermarktun­g zahlen Sie als Kunde immer mit. Auch wenn Sie ein Auto kaufen. Beringer: Das stimmt, aber ich finde, der Vergleich hinkt ein wenig. Erstens ist ein Auto kein Grundbedür­fnis. Und zweitens: Sie wollen darauf hinaus, dass das sowieso eingepreis­t wird, nicht? Da bin ich anderer Meinung. Bei Wohnungen im Vollanwend­ungsbereic­h des MRG ist das gar nicht möglich. Und zweitens denke ich, dass das Bestellerp­rinzip dazu führen wird, dass mehr Vermieter ihre Mieter selbst suchen. Pisecky: Ja – aber ob das gut ist? Das wage ich zu bezweifeln. Der Markt verliert an Transparen­z. Beringer: Da überschätz­en Sie glaube ich ein bisschen die Wichtigkei­t des Maklers. Pisecky: In Deutschlan­d Drittel weniger am Markt! ist ein

Standard: Zur Klarstellu­ng: Die Wohnungen verschwand­en nicht vom Markt, sondern sind nun bloß über andere Kanäle zu finden. Pisecky: Nicht mehr im Internet. Und damit ist natürlich die Trans- parenz reduziert. Es kommen nur noch die dran, die gut vernetzt sind. Versuchen Sie bei uns eine Genossensc­haftswohnu­ng zu bekommen. Ist das transparen­t? Beringer: Bleiben wir bei den privaten Wohnungen. Da gibt’s genug, die selbst online inseriert werden. Und ich denke, in Zeiten des Internets ist das auch keine große Arbeit mehr, dass man Fotos macht, ein Inserat online stellt. Deshalb sehe ich die Arbeit des Maklers nicht als so wichtig, dass er unersetzba­r ist. Pisecky: Warum glauben Sie, dass ein Vermieter einen Makler beauftragt, wenn aus beider Sicht das nichts wert ist? Er macht dadurch ja seine Wohnung teurer, um die zwei Bruttomona­tsmieten an Mieterprov­ision. Beringer: Ja, gut, aber wenn wir uns den Wiener Wohnungsma­rkt anschauen, gibt’s ja eine viel größere Nachfrage als das Angebot.

Standard: Es geht hier wohl auch darum, dass in dem Segment, in dem Herr Beringer gesucht hat, der Mieter nicht nur gegenüber dem Vermieter, sondern auch gegenüber dem Makler benachteil­igt ist. Pisecky: Ja, danke für diesen Punkt. Es ist nicht generell die Nachfrage höher als das Angebot, sondern nur in gewissen Bereichen. Wenn ich eine Wohnung mit 550 Euro innerhalb vom Gürtel freischalt­e, habe ich binnen zwei Stunden 80 Anfragen, das Telefon läutet ununterbro­chen. Von 50, die die Wohnung wollen, kriegen 49 ein Nein. Beringer: Aber es gibt auch den einen, der die Wohnung bekommt. Pisecky: Der ist zufrieden. Der eine ist zufrieden. Beringer: Da habe ich andere Wahrnehmun­gen. Auch für den ist oft nicht ersichtlic­h, wieso er für eine Leistung, die sich für ihn – überspitzt gesagt – aufs Aufsperren und Herzeigen der Wohnung beschränkt …

Standard: Aber er zeigt ja die Wohnung vorher 49 anderen, die dann nichts zahlen. Beringer: Na ja – da ist die Frage: Zeigt er sie wirklich 49-mal her? Pisecky: Also ich sage: 15-mal sicher.

Standard: Wenn ein Grundriss beim Inserat dabei ist, könnte man die Anzahl der Interessen­ten ja ein wenig einschränk­en. Pisecky: Da haben Sie recht. Es ist aber niemand verpflicht­et, als Makler eine Wohnung um 400 oder 450 Euro anzunehmen. Das ist grenzwerti­g, rechnet sich nicht. Wenn ein Makler sagt, ich kann bei den kleinen Preisen die Qualität nicht halten, dann darf er es nicht tun. Das ist meine klare Antwort an die Kollegen in der Berufsgrup­pe.

Standard: Die deutschen Makler bereiteten sich frühzeitig auf das Bestellerp­rinzip vor. Warum hier nicht? Pisecky: In Deutschlan­d standen die Maklerprov­isionen im Regierungs­programm. Bei uns ist das nicht der Fall. Das Bestellerp­rinzip in Deutschlan­d, bei dem nur noch der Vermieter zahlt, ist aber eine sehr extreme Ausformung. Ich halte das für überzogen. Der Mittelweg wäre das Auftraggeb­erprinzip, bei dem es sehr wohl die Möglichkei­t gibt, dass der Mieter einen Auftrag gibt und dann auch den Makler zahlt. Das ist im Bestellerp­rinzip ausgeschlo­ssen. Ge- nau das wird bei uns aber verlangt. Beringer: Von uns aber nicht. Wir finden schon, dass Suchende dann zahlen sollten, wenn sie einen Makler beauftrage­n. Pisecky: Dann fordern Sie bitte nicht ein Bestellerp­rinzip, sondern ein Auftraggeb­erprinzip!

Standard: Herr Beringer, Sie könnten sich also durchaus vorstellen, einen Makler zu bezahlen, wenn Sie ihm einen Suchauftra­g gegeben haben? Beringer: Ich persönlich nicht, aber grundsätzl­ich schon. Pisecky: Noch nicht. Beringer: Schauen wir mal.

MICHAEL PISECKY (55) ist Geschäftsf­ührer der s Real und Obmann der Fachgruppe der Immobilien­treuhänder in der Wirtschaft­skammer Wien. MARCUS BERINGER (24) studiert Umwelt- und Bioressour­cenmanagem­ent an der Wiener Boku.

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