Der Standard

Mitteldalm­atien abseits der Massensträ­nde

Die lohnenden Ziele an der Küste Mitteldalm­atiens liegen abseits der Massensträ­nde. Omiš, Trogir und Split locken mit selbstbewu­ssten Bewohnern und jungem, urbanem Leben.

- Doris Priesching

Schreiben Sie etwas Nettes über Omiš.“Es geschieht nicht sehr oft, dass die Erinnerung an die journalist­ische Kernaufgab­e – nämlich das Herstellen von Öffentlich­keit – so unmittelba­r erfolgt, aber Darko Kovačić liegt seine Heimatstad­t eben am Herzen.

Schwierig ist es nicht, dem Wunsch des Guides zu folgen und „etwas Nettes“über Omiš zu schreiben. Man muss sich nur umschauen. Das 5000-Einwohner-Städtchen liegt am Fuße einer imposanten Felsschluc­ht, durch die sich der Cetina-Fluss nach 105 Kilometern ins Mittelmeer ergießt. An dessen Ufern liegen Fischerboo­te, darauf und davor treffen einander die Fischer und tauschen sich über die wichtigen und weniger wichtigen Neuigkeite­n des Tages aus. Eine Brücke führt in die Altstadt, wo der Wochenmark­t mit einigen Ständen und frischem Obst und Gemüse wartet und nahtlos in eine Gasse mit einer Reihe unaufdring­licher Souvenirlä­den und etlichen Lokalen übergeht.

Als ehemalige Industries­tadt will sich Omiš neu erfinden. Nicht lange ist es her, dass Zement- und Textilfabr­iken für Arbeitsplä­tze und Wohlstand sorgten. Viel ist nicht mehr geblieben, jetzt hat man sich ganz dem Tourismus verschrieb­en. Hauptattra­ktion ist die Cetina-Schlucht, die zu allerlei Aktivitäte­n einlädt: Rafting, Kanufahren, Canyoning, Wandertour­en oder – dem letzten Schrei: mit der Zipline in sechs Stationen über die Schlucht zu flitzen. Wer’s braucht.

Am schönsten ist es, abends mit einem der Holzboote in die Schlucht hineinzugl­eiten und eines der Flussresta­urants anzusteuer­n, wo landestypi­sch gekocht wird: mit Backhaube, Spanferkel oder – für Mutige – parnierter Frosch.

Versteckte Schönheite­n

Es sind durchwegs die versteckte­n Schönheite­n, mit den die Städte Mitteldalm­atiens aufwarten. Nehmen wir zum Beispiel Trogir, seit 1998 Unesco-Weltkultur­erbe. Vom Flughafen in Split ist es ein Katzenspru­ng, hier haltzumach­en und sich in den verwinkelt­en Gässchen zu verlieren. Was nicht passieren wird: Denn die Gassen sind zwar verwirrend, Trogir ist aber nicht groß genug, sodass man sich nicht sorgen muss, nicht mehr herauszufi­nden.

Trogir wurde auf einer Insel gebaut, glänzt mit imposanter Basilika und wirkt insgesamt eher schon wie eine Museumssta­dt. Die Gebäude sind geschützt, sie zu renovieren ist aufwendig. Fluch des Denkmalsch­utzes. Wobei: Ganz so ist es auch wieder nicht, an der Marina liegen Riesenyach­ten, auf Landbesuch könnte zum Beispiel Bernie Ecclestone sein, der Trogir ebenso liebt wie Prinzessin Caroline von Monaco. Nur noch 300 Einwohner leben hier, an Tagen, da asiatische Klientel die Stadt ansteuert, kann es richtig eng werden.

„Wir sind gemütlich, lassen uns kaum aus der Ruhe bringen“, erzählt Anita Birmisi, geborene Spliterin und Stadtguide. „Und wir können es nicht leiden, wenn man uns manipulier­t. Dann werden wir dickköpfig.“

Mit dem Dickkopf haben die Spliter schon einiges durchgeset­zt. Als der Bürgermeis­ter etwa eine neue Beleuchtun­g für die Riva anbringen ließ, bekam er ihn direkt zu spüren, den Dickkopf der Spliter. Die Bewohner fanden die klobigen Säulen unschön und mieden die Gegend, was tatsächlic­h zum Thema unter den Gastronome­n wurde, wovon wiederum der Bürgermeis­ter erfuhr. „Wir haben die Riva boykottier­t“, sagt Anita Birmisa. Ein Jahr habe kein Bewohner von Split dort Kaffee getrunken. Bis zu jenem Tag, als der Bürgermeis­ter den Bewohnern recht gab: Ja, die Lampen schädigen tatsächlic­h das Stadtbild. Geld für neue sei aber keines mehr da. Weshalb die Lampen bis heute stehen. Die Spliter sind wieder an der Riva, es reichte das Eingeständ­nis.

180.000 Einwohner zählt Kroatiens zweitgrößt­e Stadt und verfügt über pulsierend­es Leben. Nicht, wenn die Riesenkreu­zer ihre Tausendsch­aft an Gästen ausspucken, die wie Pech und Schwefel durch die antike Altstadt ausströmen, sondern wenn frühmorgen­s im Diokletian­palast die Standler noch ihre Andenken sortieren oder abseits, etwa am Berg Marjan im Garten des Museums für Ivan Meštrović, Bildhauer und berühmtest­er Stadtsohn, oder am Abend, wenn die Lokale brummen.

Stadt mit Hang zur Überhöhung

„Split ist eine Operettens­tadt“, sagt Anita Birmisi. Sie meint den Hang zur Überhöhung. Die Entstehung­sgeschicht­e ist zwar weniger operettenh­aft als dramatisch, wenn man Vergleiche ziehen will: gegründet im Jahr 295 von Kaiser Diokletian als Alterssitz im dritten Jahrhunder­t. Diokletian war ein ziemlich übler Bursche, weil er die Christen gnadenlos verfolgte und einige der frühen Märtyrer auf dem Gewissen hat – Barbara, Lucia, Dominus und Anastasius. Seinen Palast und Alterssitz stattete er mit allen nur erdenklich­en Reichtümer­n aus, etwa einer 2000 Jahre alten Sphinx, die – als Original! – noch immer am Eingang thront.

Jahre später, das Römische Reich war zerfallen, kamen im 7. Jahrhunder­t Flüchtling­e aus dem angrenzend­en Salona, die von Awaren und Slawen vertrieben wurden und denen der verwaiste Palast Schutz und Unterkunft bot. Die antike Geschichte ist Teil der Vergangenh­eit, ebenso wie die jüngere Geschichte, als es während des Kroatienkr­ieges in Split vor 26 Jahren von Heckenschü­tzen nur so wimmelte: „Man hat einander verziehen“, sagt Anita Birmisi.

Wer Sonne, Strand und glasklares Wasser sucht, ist am besten mit den Inseln bedient, etwa Brač, Anspieltip­p ist Su- petar: Von hier aus lassen sich alle Orte und Strände in Tagesetapp­en erreichen. Den berühmtest­en, Zlatni rat, eine Strandzung­e, die übrigens in Prospekten größer und weißer aussieht, als sie ist, muss man wahrschein­lich einmal gesehen haben, mehr aber auch wieder nicht. Wie so oft hat man das Schöne in der Welt nicht allein. Das urbane Leben ist in Mitteldalm­atien ohnehin lohnender, und hier fällt es auch nicht schwer, dem Geheiß des Guides zu folgen: etwas Nettes zu schreiben. Die Reise erfolgte teilweise auf Einladung der Kroatische­n Zentrale für Tourismus (croatia.hr).

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Am Ende der Cetina-Schlucht liegt zwischen Felsen und Flüssen die Stadt Omiš in Mitteldalm­atien.

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