Kopf des Tages
Niederlagen abhaken, Programmarbeit für die Bundestagswahl starten. Dieses Motto gibt jetzt SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz aus. In der CDU bemüht man sich, nach der NRW-Wahl nicht zu laut zu triumphieren.
Nach der Niederlage der SPD kommt die CDU unter dem neuen Ministerpräsidenten Armin Laschet in Nordrhein-Westfalen zum Zug.
Auf die Mitarbeiter im WillyBrandt-Haus in Berlin ist Verlass. Kaum betreten SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz und Hannelore Kraft, abgewählte Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, das Atrium, da brandet lauter Applaus auf.
Schulz lächelt gerührt und versucht Zuversicht zu verbreiten: „Manchmal kriegt ein Boxer einen Leberhaken, aber das heißt noch nicht, dass die nächste Runde an den Gegner geht.“Die nächste Runde, das ist die Bundestagswahl am 24. September. Vorher gibt es keine Landtagswahl mehr, jene am Sonntag in NordrheinWestfalen, die die SPD ebenso verloren hat wie die Wahlen im Saarland und in Schleswig-Holstein, war die letzte vor dem Herbst.
Bis dorthin, räumt Schulz ein, „haben wir eine lange Wegstrecke. Die ist steinig, und die wird hart werden. Aber die SPD ist eine kampferprobte Partei.“Er will jetzt nach vorn schauen und das Profil der SPD für den Bundestagswahlkampf schärfen. Bald werde er „sehr konkrete Vorschläge unterbreiten“, erklärte Schulz. Warum er es bisher noch nicht getan hat, dafür gab es am Montag eine überraschende Erklärung.
„Ich habe Martin und die Kollegen gebeten, die Bundespolitik rauszuhalten“, sagt Kraft über ihren Wahlkampf in NordrheinWestfalen. Am Thema „Gerechtigkeit“will Schulz festhalten und zudem den Wahlkampf auf ein Duell zwischen ihm und Kanzlerin Angela Merkel zuspitzen.
„Angela Merkel oder ich“
„Ab jetzt heißt es Angela Merkel oder ich“, schreibt er in einem Brief an die SPD-Mitglieder. Fraktionschef Thomas Oppermann rät Merkel, sich mit Blick auf die Bundestagswahl im Herbst nicht zu sicher zu fühlen: „Amtsinhaber sind keineswegs sicher, auch Amtsinhaber können verlieren. Und das kann auch mit Frau Merkel passieren.“
Die Angesprochene demonstriert wenig später in der CDUZentrale Gelassenheit. Als Merkel gefragt wird, welches ihr Anteil am Wahlsieg der CDU in Nordrhein-Westfalen ist, antwortet sie: „Mein Anteil ist der, wie ich es immer mache – nämlich dass ich die Kandidaten unterstütze.“
Sie teilt aber auch mit, dass man in den CDU-Gremien „die Freude allen anmerken“konnte. Aller- dings will man in der CDU auch nicht den Eindruck von Siegestaumel erwecken. „Das Spiel läuft gut, aber es ist noch nicht gewonnen“, mahnt CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn.
Nicht auf Kanzlerin verlassen
Auch der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) betont: „Wir werden uns nicht nur auf die Kanzlerin verlassen, sondern wir werden über Inhalte reden und streiten.“
Merkel selbst ist sich in einem Punkt mit Schulz einig: „Es beginnt jetzt eine neue Phase im Bundestagswahljahr. Wir werden sagen können, dass die Bilanz der großen Koalition eine gute ist.“Sie wirft Schulz jedoch vor, bei seinem wichtigsten Thema, der Gerechtigkeit, die Reihenfolge falsch zu setzen. Merkel: „Es geht nicht um Gerechtigkeit und Innovation, sondern zuerst um Innovation, daraus entwickelt sich dann Gerechtigkeit.“
Schwierige Verhandlungen
CDU-Spitzenkandidat Armin Laschet hat zwar die Wahl in Nordrhein-Westfalen gewonnen, ihm stehen jetzt aber schwierige Koalitionsgespräche bevor. Nachdem es die Linke doch nicht in den Landtag geschafft hat, ist eine schwarz-gelbe Koalition aus CDU und FDP mit einer hauchdünnen Mehrheit möglich.
Doch die Verhandlungen mit der FDP könnten mühsam werden, wie Laschet selbst einräumt. Denn die Liberalen wollen Verschärfungen in der Sicherheitspolitik (Schleierfahndung, Videoüberwachung, mehr Datenspeicherung) nicht mittragen.
Immerhin sagt FDP-Chef Christian Lindner: „Wenn die CDU bei uns anruft, nehmen wir den Anruf natürlich an.“Laschet könnte auch eine große Koalition bilden, weiß aber nach dem Rücktritt von Kraft als SPD-Chefin nicht mal, wer sein Ansprechpartner dort ist.
Die AfD freut sich, dass sie nun auch im Landtag von NRW vertreten ist. Doch das Ergebnis ist nicht zweistellig, wie es Spitzenkandidat Marcus Pretzell erwartet hatte. Seine Frau, AfD-Chefin Frauke Petry, meint daher, sie erhoffe sich für die Bundestagswahl „noch ein bisschen mehr Luft nach oben“.
Am Montag nach der nordrheinwestfälischen Landtagswahl bei der obligatorischen Blumenübergabe in Berlin war es wieder einmal besonders offensichtlich: Armin Laschet, Wahlsieger, CDU-Vize sowie künftiger Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten deutschen Bundeslandes und Bundeskanzlerin Angela Merkel können sehr gut miteinander.
Laschet ist wie Merkel eher zurückhaltend, kein Haudrauf. Und er hat sie in ihrer Asylpolitik immer unterstützt, hat sich nicht wie andere CDU-Landespolitiker von ihr abgesetzt, um seinen Wahlkampf zu retten. Anfangs waren auch Parteifreunde in NordrheinWestfalen skeptisch. Doch Laschets Kurs zahlte sich aus, jetzt wird er Ministerpräsident – wenngleich er vor harten Koalitionsgesprächen steht.
Um so weit zu kommen, brauchte der 56-Jährige viel Durchhaltevermögen. Seine Karriere verlief nicht immer gradlinig, es gab auch Rückschläge.
Laschet stammt aus einer katholischen Familie aus Aachen, wo er auch heute noch mit seiner Frau und den drei Kindern lebt. Mit 18 tritt er in die Junge Union ein, zehn Jahre später ist er jüngster CDU-Ratsherr (Abgeordneter) in Aachen. Der Jurist macht auch noch eine journalistische Ausbildung und arbeitet in Bonn für den Bayerischen Rundfunk sowie als Chefredakteur für die Kirchenzeitung Aachen.
Den Bundestag, in den er 1994 einzieht, muss er 1998 wieder verlassen, weil er das Direktmandat an die SPD verliert. Es ist seine bitterste Niederlage, wie er auch heute noch erklärt.
2005 kommt die CDU unter Jürgen Rüttgers in Nordrhein-Westfalen nach 39 Jahren SPDHerrschaft an die Macht, und Laschet wird mit seinem neuen Amt deutschlandweit bekannt: Rüttgers macht ihn zum ersten Integrationsminister. Schnell wird klar, wofür Laschet steht: Er sieht Zuwanderung als Bereicherung, was ihm bei Kritikern die Bezeichnung „Türken-Armin“einbringt.
Der CDU-Landesvorsitz in Nordrhein-Westfalen fällt Laschet nicht in den Schoß. Er wäre gerne 2010 nach Rüttgers Abgang schon Chef geworden, unterlag aber in einer Mitgliederabstimmung dem damaligen Umweltminister Norbert Röttgen.
Erst als der 2012 krachend die Landtagswahl verlor, durfte Laschet den Vorsitz übernehmen und die Trümmer im größten CDU-Landesverband aufräumen. Dass er je Ministerpräsident werden würde, haben ihm damals auch in der eigenen Partei nicht viele zugetraut.