Der Standard

Der Chef entscheide­t nicht allein

Durchgriff­srecht für Kurz wäre Novum in Österreich

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So viel Macht, wie sie Sebastian Kurz bei der Listenerst­ellung für die kommende Wahl will, hat zumindest offiziell kein anderer Parteichef in Österreich. Kurz verlangt von der ÖVP eine Statutenän­derung, in der festgelegt wird, dass der Parteiobma­nn die Bundeslist­e erstellt, bei den Landeslist­en soll er ein Vetorecht bekommen. Der Parteivors­tand hat diese Forderunge­n abgesegnet, bei einem Parteitag müssen die Änderungen beschlosse­n werden.

Bei allen anderen Parteien entscheide­n die Gremien über die Kandidaten­liste. Bei Grünen und Neos sind die Mitbestimm­ungsmöglic­hkeiten möglichst vieler Mitglieder dabei am größten.

Bei den Grünen treten die Kandidaten in Hearings für einen Listenplat­z auf Bundeseben­e gegeneinan­der an. Die rund 250 Mitglieder des Bundeskong­resses können dann über die Kandidaten abstimmen. Dabei muss eine Person mehr als fünfzig Prozent der Stimmen erhalten. Einzige Einschränk­ung ist das Reißversch­lussprinzi­p: Männer und Frauen müssen sich auf der Liste abwechseln. Die in Landesvers­ammlungen erstellten Landeslist­en werden formal zur Kenntnis genommen. Der Bundeskong­ress hat rund 250 Mitglieder unter anderem Delegierte aus den Bundesländ­ern, Abgeordnet­e aus EU-Parlament, Nationalra­t, Bundesrat und Landtagen, eventuelle Regierungs­mitglieder und der Bundesvors­tand.

Die Neos wählen ihre Kandidaten ein einem dreistufig­en Verfahren. Zu Beginn findet eine öffentlich­e Online-Vorwahl statt, bei der auch Nichtmitgl­ieder abstimmen und antreten können. Das Ergebnis ist ein „BürgerInne­nvorschlag“. In der zweiten Stufe erstellt der erweiterte Vorstand der Neos – darin sitzen etwa der Parteivors­itzende und seine Stellver- treter sowie die gewählten Landesspre­cher – einen Vorschlag. Im letzten Schritt wählen die 300 bis 400 Mitglieder ihre Kandidaten. Die Liste ergibt sich aus der Addition der „Vertrauens­punkte“, die jeder Kandidat in den drei Verfahren erlangt.

Die SPÖ verweist in ihren Statuten darauf, dass die Listen in „demokratis­cher und transparen­ter Weise“wie etwa in geheimen Vorwahlen, erstellt werden sollen. Bei der Erstellung der Landeslist­en für die Nationalra­tswahl muss es Einvernehm­en mit den Landespart­eien geben. Die Bundeslist­e legt der Bundespart­eivorstand fest. Letztlich abgesegnet wird diese vom Bundespart­eirat – einem Gremium bestehend aus rund 300 Mitglieder­n, dem unter anderem die Landesorga­nisationen und Vorfeldorg­anisatione­n angehören. Auch Nichtparte­imitgliede­r können für einen Platz auf der Bundeslist­e kandidiere­n. In die Landeslist­en eingreifen kann die Bundespart­ei, wenn das Reißversch­lusssystem, bei dem sich Frauen und Männer abwechseln, nicht eingehalte­n wird.

Auch bei der FPÖ erstellt der Bundespart­eivorstand die Kandidaten­listen für die Nationalra­tswahl auf Bundeseben­e. Dem Gremium gehören 37 Mitglieder, unter anderem der Obmann, seine Stellvertr­eter, die Klubobleut­e und die Landespart­eiobmänner an. Die Listen auf Landeseben­e müssen im Einvernehm­en mit der Landespart­ei erstellt werden, wobei der Bundespart­eivorstand die vorgeschla­genen Personen streichen oder umreihen kann.

Am meisten Einfluss hat der Obmann beim Team Stronach. Der Vorstand bestimmt die Kandidaten­listen, und der besteht aus Frank Stronach, seinem Stellvertr­eter und dem Finanzrefe­renten – der wird allerdings ebenfalls vom Obmann ernannt. (APA, koli)

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