Party mit dem blonden Engel
Für Feyenoord Rotterdam ist der erste Titelgewinn in der niederländischen Eredivisie seit 18 Jahren etwas Besonderes. Im Zentrum der Feierlichkeiten stehen zwei Rotterdamer Urgesteine.
Rotterdam/Wien – „Amsterdam droomt, Rotterdam werken“heißt es in den Niederlanden: Amsterdam träumt, Rotterdam arbeitet. Nach der Arbeit kommt die Party: Mit einem 3:1-Heimsieg im De Kuip über Hercales sicherte sich Feyenoord am Sonntag den ersten Meistertitel seit 18 Jahren. Ajax hat für diese Saison ausgeträumt.
Feyenoord spielte eigentlich eine Traumsaison, steuerte auf einen blitzsauberen Start-ZielSieg zu. Das Team von Coach Giovanni van Bronckhorst war seit dem ersten Spieltag immer an der Spitze. Doch dann drohte der Schlendrian in die Hafenstadt einzukehren. Feyenoord fand sich in einer Achterbahn wieder. Mit Niederlagen im Derby bei Sparta und in Amsterdam begann plötzlich das große Zittern. Zwei Spieltage vor Schluss und mit einem gemütlichen Vier-Punkte-Vorsprung ausgestattet, benötigte man noch einen Sieg, um das Meisterstück perfekt zu machen. Feyenoord verlor beim kleinen Excelsior Rotterdam mit 0:3. Das Zittern wurde zu einer handfesten Panik, Ajax kam wieder bis auf einen Punkt heran. Aber am Ende klappte es doch noch.
Feyenoord und Ajax verbindet eine der großen Rivalitäten Fußball-Europas. Auch die Städte könnten nicht unterschiedlicher sein. Amsterdam glitzert und leuchtet, ist Anziehungspunkt für Millionen Touristen und gibt sich jung, hip und charmant. Gerade einmal 80 Kilometer entfernt ist Rotterdam ganz anders. Während die Hauptstadt den Vorzeigeschüler gibt, ist die zweitgrößte Stadt eher der Lauser aus dem Nachbarhaus, mit dem man nach der Schule um die Häuser zieht. Europas größter Hafen ist Programm, das soziale Klima rauer, die Sehenswürdigkeiten sind rarer. Das Stadtzentrum wirkt herausgeputzt, aber doch kalt. Herzige Grachten oder Touristenschwärme sucht man vergebens. Durchschnittlich verdient der Rotterdamer weniger als der Rest der Niederländer. Dafür feiert der Rotterdamer derzeit durchschnittlich mehr. „Es ist für alle der große Traum. Beim letzten Titel waren viele noch mit ihren Eltern im Stadion. Jetzt sind sie mittendrin, statt nur dabei“, weiß Jim Holterhuës um die Stimmung in der Stadt Bescheid. Der 40-jährige Feyenoord-Fan ist Herausgeber des niederländischen Fußballmagazins Staantribune.
Feyenoord zählt neben Ajax und PSV Eindhoven zu den drei großen Klubs. Die größten Erfolge feierte der Verein in den 1970erund 1980er-Jahren unter reger österreichischer Beteiligung: Mit Ernst Happel als Trainer holte man 1970 als erste niederländische Mannschaft den Pokal der Landesmeister, wurde später Weltpokalsieger. Im Sturm kickte der Wiener Franz Hasil. Happel ist in Rotterdam immer noch eine Legende. In den vergangenen Jahren standen zwei mickrige Pokalsiege (2008, 2016) auf dem Konto.
Heiligsprechung
Giovanni van Bronckhorst ist seit Sonntag eine Legende. Zum Ausklang seiner erfolgreichen Spielerkarriere hängte er noch drei Saisonen in seiner Geburtsstadt Rotterdam an, wechselte 2010 in den Trainerstab. „Es ist wie ein Märchen. Van Bronckhorst ist hier tief verwurzelt“, sagt Holterhuës. Die Fans sind zufrieden, er sei „ein Gentleman der Coachingzone. Keiner, der während des Spiels auf und ab hüpft. Und ein netter Typ.“Van Bronckhorst hat aus einem guten Team eine Meistertruppe geformt. Herausragend dabei war Stürmer Nicolai Jörgensen. Der Däne trug mit 21 Toren maßgeblich zum Erfolg bei. Auf einem riesigen Mosaik im Stadion De Kuip ist aber ein anderer verewigt: Dirk Kuyt, der blonde Engel von Rotterdam.
Den 36-jährigen Offensivspieler zog es im Spätherbst seiner Karriere dorthin, wo vieles begann. In Rotterdam weiß man um den Wert des Kapitäns Bescheid, auch wenn sich die Aufgaben verschoben haben. „Kuyt ist vor allem in der Kabine wichtig. Er motiviert, zieht die Jungen mit“, sagt Holterhuës. Auf dem Spielfeld liefert Kuyt auch, in der abgelaufenen Saison erzielte er zwölf Tore. Drei davon am Sonntag. Der Engel wurde heiliggesprochen: „Ich bin hierhergekommen, um endlich wieder Meister zu werden und weil ich an mich und den Verein glaube. Die Fans sind die treibende Kraft“, sagte Kuyt nach dem Titelgewinn.
Partys in Rotterdam sind hart. Bürgermeister Ahmed Aboutaleb verhängte für Sonntag und Montag eine Alkoholsperre, laut Polizei wurden 10.000 Liter Alkohol und 270 Kilo Feuerwerkskörper beschlagnahmt. Gelächelt und gefeiert wird in Rotterdam trotzdem.