Zerstörte Wiener Kaufhauskultur
„Kauft bei Juden!“: Ausstellung zur Geschichte legendärer Wiener Kaufhäuser
Wien – Flaniert man durch die Wiener Innenstadt und über den Ring hinaus Richtung Vorstadt, so erinnern allenfalls noch alte Geschäftsschilder an die hier einst angesiedelten Warenhäuser. Solche mit Printemps (Paris) oder Harrods (London) vergleichbaren historischen Tempel des Konsums sucht man vergeblich.
Legendäre Namen wie Rothberger oder das „Maison Zwieback“sind längst vergessen, Herzmansky oder Braun & Co längst Geschichte. Gerngross oder Jungmann & Neffe gelten als letzte Zeugen dieser einst florierenden Geschäftskultur.
Ein Themenkomplex, dem das Jüdische Museum Wien (bis 19. November) eine Ausstellung widmet, da viele der Firmeninhaber jüdischen Familien entstammten. „Kauft bei Juden!“, lautet der Titel, der eine provokante Antwort auf antisemitische Flugblätter aus dem Jahr 1932 sein will. Dies ist eine Form der Selbststigmatisierung, die freilich nur über die Verwendung nationalsozialistischer Rhetorik und Symbolik funktioniert.
Die Ausstellung wirft einen Blick hinter die Fassaden: auf die historische Entwicklung, die im 19. Jahrhundert ihren Anfang nahm und den Berufsstand der Verkäuferin etablierte. Sie beschreibt die Rolle der Architektur und der zum Teil eindrucksvollen Inszenierung im Inneren solcher Kaufhäuser. Topografisch fokussiert sie auf das Zentrum im ersten Bezirk und auf den einst imposanten Einkaufsboulevard der Mariahilfer Straße. In Erinnerung ruft man Vorstadtwarenhäuser wie Dichter (1160 Wien) oder Wodicka (1210) für Konsumenten mit kleinen Budgets.
Und schließlich erzählt die Ausstellung die Geschichten einstiger Kaufhausmagnaten und ihrer Familien sowie jenes Kapitel, das eine nachhaltige Zäsur bescherte. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten waren die meisten Kaufhäuser arisiert und deren Eigentümerfamilien vertrieben worden. (kron)