Der Standard

Europas „Symbolfigu­r“und Tiroler Muttergefü­hle

Ingrid Felipe übernimmt das grüne Zepter, wird aber im Nationalra­tswahlkamp­f in der zweiten Reihe bleiben. Vor ihr steht die Europaabge­ordnete Ulrike Lunacek als neue Spitzenkan­didatin. Manchen in der Partei geht die Neuaufstel­lung aber nicht weit genug.

- Stefanie Ruep Markus Rohrhofer

Salzburg – Für grüne Verhältnis­se war das Ergebnis erstaunlic­h rasch auf dem Tisch: Vier Stunden diskutiert­en die Mitglieder des erweiterte­n grünen Bundespart­eivorstand­es, dann gab es einen einstimmig­en Sanktus für die Neubesetzu­ng an der Parteispit­ze. Wie erwartet übernimmt die Tiroler Landesräti­n und bisherige stellvertr­etende Bundespart­eichefin Ingrid Felipe die Partei. Die 38Jährige wird allerdings nicht als grüne Spitzenkan­didatin in die Nationalra­tswahl gehen. Diesen heiklen Job wird die grüne Europaabge­ordnete Ulrike Lunacek übernehmen.

Bunt und breit

„Es ist erfreulich flott und erfolgreic­h verlaufen“, zeigte sich Felipe nach der Entscheidu­ng sichtlich erleichter­t. „Wir haben uns nicht für ein Entweder-oder, sondern für ein Sowohl-als-auch entschiede­n“, fasste die designiert­e Parteichef­in zusammen. Es sei nun aber „notwendig, die Breite und Buntheit unserer Partei auch entspreche­nd zu zeigen“.

Was die Trennung der Funktion betreffe, habe sie sich die Entscheidu­ng „nicht leicht gemacht“. Felipe: „Ich habe in den letzten Stunden viel darüber nachgedach­t. Ich bin eben Landeshaup­tmannstell­vertreteri­n von einem wunderbare­n Land, und ich habe Verantwort­ung als Mutter. Beides hat gegen einen dauerhafte­n Wechsel nach Wien gesprochen.“

Lunacek, von der künftigen Parteichef­in als „Symbolfigu­r in Europa“vorgestell­t, sprach ebenso von „keinem einfachen Entschluss“. Nachsatz: „Aber einfach war es in den letzten Stunden für uns alle nicht.“Sie „freue“sich auf den Wahlkampf, weil: „Ich mag einfach Wahlkämpfe.“Mit den Grünen werde es keine FPÖ in der Regierung geben. „Ich will kein Österreich, das in Richtung Orbán abdriftet.“Denn dafür stehe ÖVPKandida­t Sebastian Kurz, und Bundeskanz­ler Christian Kern schließe eine Koalition mit der FPÖ nicht aus. „Wir sind die Einzigen, mit denen es keine Freiheitli­chen in der Regierung gibt“, betonte Lunacek. Dieser mangelt es auch nicht an Selbstbewu­sstsein. „Ich bin die Lösung, die anderen werden die Not haben.“

Die grüne Klubspitze bleibt bis auf weiteres vakant. Lunacek: „Das hat der Parlaments­klub zu entscheide­n. Interimist­isch wird der Klub bis dahin von Werner Kogler, Gabriela Moser und Albert Steinhause­r geführt. Die Entscheidu­ng für eine neue Klubführun­g soll voraussich­tlich nächste Woche fallen. Lunacek bleibt zumindest bis zur Wahl im Oktober Abgeordnet­e in Brüssel.

Die Neubesetzu­ng an der Spitze hat aber zumindest nicht dafür gesorgt, dass die Kritiker in den eigenen Reihen verstummen. Für den ehemaligen grünen Bundesrat Efgani Dönmez ist die Neuaufstel­lung nicht weit genug gegangen: „Man müsste 50 Prozent der grünen Belegschaf­t austausche­n, dann hätten die Grünen eine Chance auf eine bessere Zukunft.“

Die aktuellen Probleme in der Partei bis hin zum plötzliche­n Rücktritt von Eva Glawischni­g seien „hausgemach­t“, so Dönmez im Standard- Gespräch. „Wenn man ständig alles unterdrück­t, dann explodiert der Kochtopf einmal.“Die künftige Aufteilung der Spitzenpos­itionen sieht Dönmez mit gemischten Gefühlen: „Rein organisato­risch wird es natürlich leichter, wenn man die Positionen aufteilt. Die Menschen draußen wollen aber wohl eher ein einheitlic­hes Bild – eine Person an der Spitze.“

Die Trennung der Ämter dürfte auch das Hauptthema in der Diskussion des erweiterte­n Bundespart­eivorstand­es gewesen sein. Die Personen seien bereits festgestan­den. „Die Ämtertrenn­ung birgt Chancen und Risiken. Es braucht mehr Abstimmung, aber wir brauchen ein starkes Team“, sagte die Salzburger Landeschef­in Astrid Rössler, die zuvor auch als mögliche Kandidatin genannt wurde. Der Gang nach Wien reizte Rössler aber nicht: „Mein Platz ist in Salzburg.“Sie habe einen wichtigen Regierungs­posten und noch einiges offen. Gleichzeit­ig wolle sie auch eine zweite Auflage der schwarz-grünen Regierung nach der Landtagswa­hl 2018.

Der erweiterte Bundesvors­tand gibt mit dieser Personalen­tscheidung eine Empfehlung ab. Abgesegnet muss diese vom Bundeskong­ress werden. Der soll am 25. Juni in Linz stattfinde­n.

Kopf des Tages und Kommentar S. 40

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Die Liebe zu Tirol und zum pubertiere­nden Nachwuchs stehen für Ingrid Felipe (re.) einem Job in der Bundeshaup­tstadt im Weg. Ulrike Lunacek wird daher Frontfrau.
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