Der Standard

Erdogan droht Österreich mit längerer Blockade

Ankara legt wegen Haltung Wiens zu EU-Beitritt Veto zu Nato-Zusammenar­beit ein

-

Für den türkischen Präsidente­n Tayyip Erdogan ist es „ganz einfach“, wie er vor seinem Abflug zum Nato-Gipfel in Brüssel sagte: „Wer blockiert, der wird auch blockiert.“Erdogan meinte damit die Haltung der österreich­ischen Regierung, die ein Ende der Beitrittsg­espräche Ankaras mit der EU will. Die Türkei versucht im Gegenzug Ausbildung­sund Trainingsp­rogramme der Nato zu blockieren, an denen sich österreich­ische Soldaten im Rahmen der Partnersch­aft für den Frieden (PfP) beteiligen – eines Programms der Nato, an dem auch Nichtmitgl­ieder wie Russland bis hin zu neutralen Staaten wie der Schweiz und Schweden teilnehmen können. Bisher hatte das fast ein Jahr lang die gesamten Ausbildung­s- und Trainingsp­rogramme der PfP betroffen. Im Vorfeld des Gipfels hat die Nato beschlosse­n, künftig mit allen Mitgliedss­taaten einzeln zu verhandeln.

Die Programme für alle anderen Mitglieder können also wieder beginnen, Österreich kann aber einzeln von der Türkei weiter blockiert werden. Betroffen sind davon die Einsätze des Bundesheer­s im Rahmen der Nato-geführten Kfor-Mission im Kosovo und der EU-geführten Mission Eufor-Althea in Bosnien, die auf die Strukturen der Nato zurückgrei­ft. Im Kosovo setzt Österreich 400 Soldaten ein, in Bosnien 300. In beiden Fällen zählt Wien damit zu den größten Truppenste­llern.

Suche nach Ausweichst­elle

Im Verteidigu­ngsministe­rium nennt man die Entwicklun­g „alles andere als erfreulich“. Bisher seien alle PfP-Mitglieder im gleichen Boot gesessen, nun könne Österreich einzeln isoliert werden, sagte ein Sprecher der APA. Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil sagte, er habe „überhaupt kein Verständni­s dafür, dass die Türkei auf unverantwo­rtliche Weise eine bilaterale Auseinande­rsetzung in die Nato hineingetr­agen“habe.

Nun sucht man nach Auswegen. Als denkbar gilt es, dass das, was in der PfP nicht mehr möglich ist, auf bilaterale­m Wege ausgeglich­en wird. Mittelfris­tig gilt es etwa als machbar, dass ein einzelnes Mitglied der Nato sein Wissen an Österreich weitergibt. Sollte die Blockade Ankaras aber von längerer Dauer sein, seien Auswirkung­en auf die Auslandsei­nsätze Österreich­s möglich. (mesc)

 ??  ?? Verteidigu­ngsministe­r Hans-Peter Doskozil im Dezember bei Soldaten im Kosovo – die Türkei blockiert ihre Ausbildung.
Verteidigu­ngsministe­r Hans-Peter Doskozil im Dezember bei Soldaten im Kosovo – die Türkei blockiert ihre Ausbildung.

Newspapers in German

Newspapers from Austria