Der Standard

Manipulati­onen nicht verhindern, aber erkennen

Der Wissenscha­ftsministe­r schlägt E-Voting für die ÖH-Wahlen vor – in Estland ist das längst Realität

- Lisa Kogelnik

Wien – Ein Drittel der Esten hat bei den Parlaments­wahlen 2015 im Internet gewählt. Die Möglichkei­t der Stimmabgab­e übers Netz wurde in dem baltischen Land bereits 2005 auf allen Ebenen eingeführt. In Österreich hat nach der geringen Beteiligun­g bei den Wahlen der Österreich­ischen Hochschüle­rInnenscha­ft (ÖH) Wissenscha­ftsministe­r Harald Mahrer (ÖVP) vorgeschla­gen, über E-Voting nachzudenk­en.

Für eine höhere Wahlbeteil­igung durch die Möglichkei­t, im Internet zu wählen, gibt es allerdings keine wissenscha­ftlichen Belege, sagt Robert Krimmer, Professor für E-Governance an der Technische­n Universitä­t Tallinn in Estland, im Gespräch mit dem STANDARD.

Zugang für Sehbehinde­rte

Ein anderer Grund für die Einführung von E-Voting könne aber sein, dass man die Wahl damit bequemer mache, sagt Krimmer. Auch der Zugang für sehbehinde­rte Menschen werde leichter.

Estland will sich nach außen als digitaler Vorreiter präsentier­en. Internetwa­hlen gehören zum Narrativ des modernen, digitalen Staates dazu. „Zu Österreich gibt es einen großen Kulturunte­rschied“, sagt Krimmer, der selbst Österreich­er ist. Bereits seit 2002 hat jeder Este einen Personalau­sweis, in dem eine Signaturka­rte integriert ist. In Österreich ist die Handysigna­tur mit der Bürgerkart­e als digitaler Ausweis freiwillig. Bisher können damit vor allem Amtswege online durchgefüh­rt werden. In Estland ermöglicht die Karte auch die Teilnahme an Wahlen über die Webseite der Wahlkommis­sion.

In Österreich hat es erst einmal den Versuch von E-Voting gegeben: 2009 wurde bei den ÖH-Wahlen die elektronis­che Stimmabgab­e ermöglicht. Der Verfassung­sgerichtsh­of hat die Wahl aufgehoben, es sei schwerer, Manipulati­onen und Fehler zu erkennen als bei der Papierwahl, hieß es in der Begründung. Auch heute gebe es keine hundertpro­zentige ITSicherhe­it, sagte Datenrecht­ler Christof Tschohl zuletzt im STANDARD zum Vorschlag des Wissenscha­ftsministe­rs.

„Ich kann nie beweisen, dass eine Wahl sicher ist, ich kann nur beweisen, dass sie unsicher ist“, sagt E-Governance-Professor Krimmer dazu. Man könne nicht verhindern, dass Manipulati­onen etwa durch Hackerangr­iffe passieren, aber man könne diese erschweren und dafür sorgen, dass sie entdeckt würden.

Estland hat dazu 2013 für Wähler die Möglichkei­t eingeführt, zu überprüfen, ob ihre Stimme eingelangt ist und ob sie so abgespei- chert wurde wie vorgesehen. Diese Verifizier­ungsmöglic­hkeit soll es bald auch für den gesamten Abstimmung­sprozess geben. „Eine Wahlurne wird verplombt und versiegelt, und man kann die Auszählung danach ganz einfach beobachten“, erklärt Krimmer. Bei E-Voting sei das derzeit erst mit komplizier­ten mathematis­chen Modellen möglich. Die OSZE hat in der Vergangenh­eit empfohlen, dieses System zu vereinfach­en und so nachvollzi­ehbarer zu machen.

Die mangelnde Nachvollzi­ehbarkeit von Internetwa­hlen für Bürger ohne besondere Sachkenntn­is war übrigens auch der Grund, warum das deutsche Bundesverf­assungsger­icht 2009 den Einsatz elektronis­cher Wahlgeräte ausgesetzt hat.

In Österreich sei E-Voting erst möglich, wenn es dafür einen breiten politische­n Konsens gibt, sagt Krimmer. Schließlic­h könne das Wahlrecht nur mit einer Zweidritte­lmehrheit im Parlament geändert werden. „Das sehe ich im Moment nicht.“Zuletzt hatte sich die ÖVP im Zuge der Bundespräs­identenwah­l dafür ausgesproc­hen.

Auch für ÖH-Wahlen müsse es einen Konsens zwischen Studierend­envertretu­ng und dem Wissenscha­ftsministe­rium geben, sonst würde der Versuch genauso scheitern wie im Jahr 2009, sagt Krimmer.

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2009 konnten die Studierend­en bei den ÖH-Wahlen via E-Voting wählen, der Verfassung­sgerichtsh­of hob die Wahl 2011 auf.

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