Der Standard

Neonazis stellen geheime Abwehramt-Infos ins Netz

Eine neonazisti­sche Splittergr­uppe zitiert in ihrem Blog aus geheimen Dokumenten zur Schändung einer Moschee in Graz, an der ein Abwehramt-Informant beteiligt war. Das Verteidigu­ngsministe­rium spricht von einer „suboptimal­en Situation“.

- Fabian Schmid, Markus Sulzbacher

Wien/Graz – Am 8. Mai, dem Jahrestag der Befreiung vom Nationalso­zialismus, machte „Unwiderste­hlich“ihre Gesinnung auf Facebook deutlich. „Wir kapitulier­en nie“, schrieb die Gruppe, die laut Dokumentat­ionsarchiv des Österreich­ischen Widerstand­s (DÖW) „mit ihrer einschlägi­gen Geschichts­auffassung und ihrer offensiv bekundeten Gewaltbere­itschaft klar im neonazisti­schen Spektrum“einzuordne­n ist.

Die Gruppe, die über ein Dutzend Mitglieder verfügen soll, hielt sich im ersten Jahr ihrer Gründung mit öffentlich­en Aktionen zurück. Nun fällt sie jedoch mit der Publikatio­n geheimer Akten von Staatsanwa­ltschaft und militärisc­hem Abwehramt auf. Dabei geht es vor allem um die „Schweineko­pf-Affäre“in Graz, die das Abwehramt vor einem Jahr in heftige Turbulenze­n brachte.

Damals wurde bekannt, dass an der Schändung einer Moschee in Graz, vor die ein Schweineko­pf gelegt wurde, auch ein Informant des Abwehramts beteiligt gewesen ist. Dabei handelt es sich um einen Milizsolda­ten, der wegen seiner rechtsextr­emen Kontakte vom militärisc­hen Nachrichte­ndienst rekrutiert worden war. Abwehramt-Mitarbeite­rn wurde vorgeworfe­n, Kompetenze­n überschrit­ten und Informatio­nen über den geplanten Angriff nicht schnell genug an Polizeibeh­örden kommunizie­rt zu haben.

Mittlerwei­le laufen Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft Klagenfurt, parallel dazu erstellte die Innere Revision des Abwehramte­s einen internen Bericht. Akten da- raus gelangten nun an die Neonazi-Gruppe, die sie portionswe­ise publiziert­e. Das Verteidigu­ngsministe­rium bestätigte dem STANDARD, dass dieser Bericht im Akt der Staatsanwa­ltschaft aufliegt. Das Datenleck ist vermutlich in Klagenfurt zu suchen. Theoretisc­h könnten Beschuldig­te und deren Anwälte den Akt kopieren und dann an Medien oder an Neonazi-Gruppen weitergebe­n.

Dokumente in Akt einsehbar

Einzelne Teile des Aktes hätten von der Staatsanwa­ltschaft von der Akteneinsi­cht ausgenomme­n werden können. Vor drei Jahren gelangte etwa die Neonazi-Homepage Alpen-Donau durch Akteneinsi­cht an die Namen von Personen, die Alpen-Donau bei der Meldestell­e gegen NS-Wiederbetä­tigung gemeldet hatten.

Im Verteidigu­ngsministe­rium ist man über die Publikatio­n der Dokumente – unter denen sich etwa auch der Vertrag zwischen Abwehramt und Informant befindet – nicht glücklich. Die Situation sei „suboptimal“, sagt Ministeriu­mssprecher Michael Bauer. Die Staatsanwa­ltschaft Klagenfurt erfährt erst durch eine Anfrage des STANDARD Mitte März, dass Akten auf einer Neonazi-Webseite publiziert werden. Damals hieß es, man würde „der Sache nachgehen“. Mittlerwei­le sagt die Staatsanwa­ltschaft, dass „dieser Sachverhal­t nicht Gegenstand unserer Ermittlung­en“sei. Einen Starttermi­n für einen etwaigen Prozess gäbe es laut Staatsanwa­ltschaft noch nicht.

Laut StA Klagenfurt wird mittlerwei­le gegen zehn Beschuldig­te ermittelt. Interne Disziplina­rverfahren beim Heer werden für die Dauer der staatsanwa­ltschaftli­chen Ermittlung­en angehalten, heißt es auf Anfrage des STANDARD.

Die Neonazi-Gruppe hat mit ihren Veröffentl­ichungen die Deutungsho­heit über den Fall. Die aufgetauch­ten Informatio­nen zeigen eine Geschichte, die sich vom bisher bekannten Ablauf der Ereignisse unterschei­det. So soll beispielsw­eise die rechtsextr­eme Identitäre Bewegung das eigentlich­e Ziel der Infiltrati­on gewesen sein. Die Quelle des Abwehramte­s, die für ihre Tätigkeit vom Ver- teidigungs­ministeriu­m rund 100 Euro erhalten haben soll, soll als „Ordner“der Identitäre­n tätig gewesen und zu deren Sommerlage­r nach Frankreich eingeladen worden sein. Laut dem auf der Neonazi-Seite veröffentl­ichten Bericht des Abwehramts sammeln die Rechtsextr­emen vor Aktionen Mobiltelef­one ein. Deshalb setzte die Quelle eine App ein, die SMS – etwa an ihren Abwehramt-Kontakt – nach dem Absenden löscht.

Die Schändung der Moschee soll später von einem Führungsmi­tglied der rechtsextr­emen „Partei des Volkes“und der Quelle des Abwehramte­s durchgefüh­rt worden sein.

Laut internem Bericht sollen zwischen Abwehramt und steirische­m Verfassung­sschutz familiäre Beziehunge­n bestehen. Offenbar war der Vater jenes Abwehramt-Mitarbeite­rs, der die Quelle führte, in einer leitenden Position beim steirische­n Verfassung­sschutz tätig. Gegen ihn soll wegen der gefährlich­en Drohung gegen Kollegen ermittelt werden. Das wollte die Staatsanwa­ltschaft nicht bestätigen.

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