Der Standard

„Im Normalfall zerlegen die Chinesen alles“

Tischtenni­s-WM in Düsseldorf für Österreich­er Stefan Fegerl ein halbes Heimspiel

- Philip Bauer

Wien/Düsseldorf – Es wird ein halbes Heimspiel. „Zu 50 Prozent lebe ich in Wien, zu 50 Prozent in Düsseldorf“, sagt Stefan Fegerl, Berufspend­ler und Österreich­s Nummer eins in Sachen Tischtenni­s. Seit Jänner 2016 steht der 28Jährige in der Hauptstadt Nordrhein-Westfalens bei der Borussia unter Vertrag. Ebendort findet zwischen 29. Mai und 5. Juni die im Zwei-Jahres-Rhythmus ausgetrage­ne Weltmeiste­rschaft statt. „Für mich ein ganz besonderes Turnier“, sagt Fegerl, „die Fanklubs aus Düsseldorf werden mich unterstütz­en.“Unromantis­cher Nachsatz: „Solange ich nicht gegen einen Deutschen spiele.“Verleitet der Heimvortei­l die Nummer 21 der Weltrangli­ste zu kühnen Träumen, baumelt gar eine Medaille im Hinterkopf? „Man kennt die Kräfteverh­ältnisse, trift man früh auf einen Chinesen, kann es schnell vorbei sein“, sagt der Niederöste­rreicher mit gebotenem Realismus.

In diesem Jahrhunder­t gingen die Weltmeiste­rtitel im Einzel bei Damen und Herren bis auf eine Ausnahme ausschließ­lich nach China. Nur die österreich­ische Tischtenni­s-Ikone Werner Schlager hatte 2003 in Paris die Dominanz der Volksrepub­lik durchbroch­en. Gibt es diesmal Spieler, die dem topgesetzt­en Titelverte­idiger Ma Long und seinen nicht minder trickreich­en Kollegen Widerstand leisten können? Kocht der Chinese auch nur mit Wasser? „Nein“, sagt Fegerl. Gold und Silber seien vergeben. Und Bronze im Grunde auch. Denn „im Normalfall zerlegen sie alles“.

Bei der WM 2015 in Suzhou, China, stieß Fegerl in die Runde der letzten 32 vor. Ein Ergebnis, das seiner Position in der Setzliste gerecht wurde: „Damit wäre ich auch diesmal zufrieden. Vielleicht ist ja sogar das Achtelfina­le möglich.“Die besseren Chancen rechnet sich der Waldviertl­er allerdings im Doppel mit João Monteiro aus. Die Paarung ist altbewährt, errang 2015 in Russland den Europameis­tertitel. Ein Erfolg, der Früchte trug. Wenig später unterschri­eb Fegerl einen Zweijahres­vertrag in der deutschen Bundesliga: „Eine andere Welt, 100 zu eins im Vergleich mit Österreich. Wir haben bei manchen Spielen über 1000 Zuseher.“

Ein Real Madrid

Borussia Düsseldorf ist ein prestigetr­ächtiger Spitzenklu­b. Um dem Laien die Profession­alität des Vereins zu verdeutlic­hen, spricht Fegerl vom „Real Madrid des Tischtenni­ssports“. Die Erfolge sprechen aber ohnehin für sich: Zuletzt unterlag man erst im Finale der Champions League dem russischen Klub Fakel Orenburg, nach der WM steht das Finale um die deutsche Meistersch­aft gegen den TTC Fulda-Maberzell an. „Eine nahezu perfekte Saison“, sagt der ÖTTV-Legionär, der in Düsseldorf von starken Trainingsp­artnern wie dem sechsfache­n Europameis­ter Timo Boll profitiert: „Hier kann ich mich weiterentw­ickeln. Es ist eine Ehre, für diesen Verein zu spielen.“

Neben Fegerl nehmen auch die Österreich­er Robert Gardos, der seinen Wohnsitz wieder nach Granada verlegt, Daniel Habesohn, Andreas Levenko und Chen Weixing an der WM teil. Bei den Damen wird der ÖTTV durch Liu Jia, Karoline Mischek und Sofia Polcanova vertreten.

Fegerls Ehefrau Li Qiangbing musste hingegen absagen, sie erwartet ihr zweites Kind. Ob die 32Jährige noch einmal in den Profisport zurückkehr­en wird? „Unwahrsche­inlich“, sagt Fegerl, „da müsste schon alles passen. Jetzt steht die Familie im Vordergrun­d. Wir sind sehr glücklich.“

 ?? Foto: Imago/Horstmülle­r ?? Stefan Fegerl geht als 21. der Weltrangli­ste und illusionsl­os in die WM in Düsseldorf. Beim lokalen Spitzenklu­b Borussia ist der Niederöste­rreicher engagiert.
Foto: Imago/Horstmülle­r Stefan Fegerl geht als 21. der Weltrangli­ste und illusionsl­os in die WM in Düsseldorf. Beim lokalen Spitzenklu­b Borussia ist der Niederöste­rreicher engagiert.

Newspapers in German

Newspapers from Austria