Der Standard

Das Spielzeug-Auto, das nicht nur spielen will

Die Vehemenz, mit welcher der Bi-Turbo-V6 im Nissan GT-R seinen Dienst antritt, ist so kompromiss­los wie das Handling des Wagens, der sich sowohl im Alltag als auch auf der Rundstreck­e zu Hause fühlt.

- Guido Gluschitsc­h

Wien/Burgenland – „Das ist der Neue gell, mit 570 PS“, sagt der Tankwart, während er die Rechnung aus dem Drucker rupft. „Die neue Spange an der Front passt ihm gut“, sagt der Jungmechan­iker, der statt an meinem Jeep zu schrauben, um den Nissan streift wie eine Katze um die heiße Milch. „Der geht auch im Trockenen quer und alle vier Radln gleichzeit­ig in Rauch auf“, sagt der Driftstaat­smeister, der einen seiner Skyliner gerade verkauft hat.

Der Junge aus der Nachbarsch­aft fährt schon die dritte Runde mit dem BMX-Rad ums Auto und fotografie­rt den Wagen aus allen Winkeln mit dem Smartphone, und der Josef redet angeblich seit dem Tag, wo er eine kleine Runde mitfahren durfte, den ganzen Tag von nix anderem mehr als dem Nissan GT-R.

Während der ganzen Testphase hat sich, anders als bei einem Porsche oder Lambo, keine Frau für den Nissan interessie­rt. Die Männer hingegen sind komplett aus dem Häuschen, wenn sie ihn auch nur von der Weite hören.

Ein Passant bringt es knapp auf den Punkt: „Das wäre gerade das richtige Spielzeug für mich.“

Auf der Straße ist der GT-R eine Macht. Man steht aber auch schnell einmal mit einem Fuß im Kriminal. Im GT-R ist das übrigens der rechte Fuß. Am Ende des Beschleuni­gungsstrei­fens der Autobahnau­ffahrt braucht man eigentlich nur mehr den Führersche­in aus dem Fenster zu werfen, wenn man es wirklich wissen will.

Überholman­över sind ebenso gefährlich. Nicht weil der Wagen schwer zu fahren wäre, sondern weil man nach jedem Tipper aufs Gaspedal einfach viel zu schnell ist. Dabei schreit der Bi-Turbo heiser aus den vier Endrohren, dass es die reinste Männerfreu­de ist.

Weil man mit diesem Sportwagen auch auf der Bundesstra­ße nicht annähernd an die Grenzen gehen kann, ohne schon die Handschell­en an den Knöcheln zu spüren, bringen wir den GT-R vorsichtig nach Teesdorf und sperren den Handlingku­rs des Fahrtechni­kzentrums dort.

Die erste Runde ist zum Einrollen da. Die zweite zum Warmfahren. In der dritten geht der GT-R schon die ersten Male quer, prescht auf dem engen und schwierige­n Kurs dahin, dass man sich fürchtet, der Asphalt könnte Wellen schlagen.

Wirkte die Lenkung auf der Straße noch zu leichtgäng­ig, ist davon im moderaten Ringerlmod­us nichts mehr zu merken.

Runde um Runde liest man die zuvor noch liegengela­ssenen Sekunden auf. Die Balance des Autos macht auch das Einfangen des ausbrechen­den Wagens leicht. Trotz Allradantr­ieb geht fast immer die ganze Kraft auf die Hinterräde­r. Man meint fast zu spüren, wie sich der GT-R hinten niedersetz­t, um mehr Druck aufbauen zu können.

Die flotten Runden haben einen Nachteil. Dabei säuft der GT-R, als würde Sprit nichts kosten. In wenigen Minuten verblasen wir ein Viertel des Tankinhalt­s, was uns auf die Straße zurückkehr­en lässt, wo wir im halbwegs normalen Alltagsbet­rieb – was halt unsereins ohne Bachblüten schafft – mit rund 13 Litern auskommen.

 ??  ?? Supersport auf Japanisch: Nissan GT-R. 570 PS beschleuni­gen den Allradler in unter drei Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h und das zu einem Preis von unter 130.000 Euro.
Supersport auf Japanisch: Nissan GT-R. 570 PS beschleuni­gen den Allradler in unter drei Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h und das zu einem Preis von unter 130.000 Euro.
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