Der Standard

Telekom-Anklage lässt Politiker unbehellig­t

Die Telekom Austria soll Gesellscha­ften des Lobbyisten Peter Hochegger bis 2008 mit Geld befüllt und als „schwarze Kassen“für Parteienfi­nanzierung genützt haben. Ermittelt wurde auch gegen Politiker und die ÖVP – diese Verfahren wurden eingestell­t.

- Renate Graber

Wien – 208 Seiten umfasst sie, die frische Anklagesch­rift in der Causa Telekom Austria (TA), die die Staatsanwa­ltschaft Wien am 24. Mai fertiggest­ellt hat. Nach diversen kleineren Verfahren rund um die Telekom könnte man dieses das große Hauptstück nennen – in dem es über weite Strecken (aber nicht nur) um verdeckte Parteienfi­nanzierung geht. Geld floss laut Anklage an die damalige FPÖ, an SPÖ und ÖVP. Gemäß dem Bild, das die Anklagebeh­örde zeichnet, floss das Geld von der TA auf Basis von Rechnungen für Scheinauft­räge (oder Überzahlun­g von Aufträgen) meist an die Agentur Valora von Peter Hochegger. So seien „schwarze Kassen“entstanden, aus denen dann diskret ausgezahlt worden sei.

Rechtskräf­tig ist die Anklage noch nicht, beschuldig­t sind Ex-TA-Vorstand Rudolf Fischer, die beiden Ex-Lobbyisten Peter Hochegger und Walter Meischberg­er sowie Michael Fischer und ein TA-Mitarbeite­r. Michael Fischer war bis Mitte 2007 Organisati­onsdirekto­r der ÖVP, er leitete ab 2007 den Bereich Public Affairs der TA und war ab 2006 nicht operativer Geschäftsf­ührer der Agentur Media Select sowie bis 2011 Chef der ÖVP-eigenen Alpha-Medien-Service-GmbH, der Herausgebe­rin der ÖVP-Medien.

Diversions­anbot für Gorbach

Ex-Vizekanzle­r Hubert Gorbach (FPÖ) wurde eine Diversion angeboten. Er soll nach der Politik 268.000 Euro von der TA kassiert haben, rund die Hälfte soll seiner Sekretärin zugutegeko­mmen sein. Per Geldbuße könnten beide die Anklage abwenden.

Die Beschuldig­ten bestreiten die Vorwürfe, in denen es um Untreue (bzw. Beihilfe dazu), Geldwäsche­rei, Geschenkan­nahme durch Machthaber und in einigen Fällen falsche Zeugenauss­age vor dem Korruption­s-U-Ausschuss des Nationalra­ts geht. Für alle gilt die Unschuldsv­ermutung.

Involviert­e (Ex-)Politiker oder andere in die Geldflüsse involviert­e und zum Teil prominente Personen sind nicht angeklagt, etliche gegen sie geführte Verfahren hat die Staatsanwa­ltschaft (StA) eingestell­t – aber dazu später.

Flapsig ausgedrück­t und zusammenge­fasst liest sich die Anklage wie ein Handbuch zur Parteienfi­nanzierung made in Austria. Insgesamt bezog die Valora von 2004 bis 2008 laut Staatsanwa­lt für 16 „Geschäftsf­älle“neun Millionen Euro von der TA, ein „maßgeblich­er Teil“davon habe dazu gedient, eine „Liquidität­sreserve außerhalb des Unternehme­ns“zu bilden. Diese „schwarzen Kassen“nannte man intern gern „Hochegger-Topf“. Und, so heißt es in der Anklage: „Eine Vielzahl von Zahlungen erfolgte, um Personen des politische­n Spektrums oder politische Parteien wohlgesonn­en zu stimmen oder ihnen keinen Wunsch abschlagen zu müssen.“Konkrete Gegenleist­ungen für die Zahlungen habe es für die Telekom nicht gegeben.

Im Folgenden ein paar Nacherzähl­ungen aus dem Dokument, das dem STANDARD vorliegt.

„NeueFreieZ­eitung“/ FPÖ Die Zeitung der FPÖ bekam 2005 einmal 89.400 Euro und einmal 30.000 Euro via Valora, gemäß Rechnung „für die Placierung verschiede­ner Persönlich­keiten und Produkte, speziell Telcos ...“. Laut Anklage war der Deal von Meischberg­er über Auftrag „Rudolf Fischers oder Gernot Schieszler­s“(Kronzeuge und nicht angeklagt; Anm.) eingefädel­t worden – mit dem damaligen FPÖ-Bundesgesc­häftsführe­r Arno Eccher. Er hatte im UAusschuss ausgesagt, für das Geld seien 20 bis 25 Artikel der TA ausgemacht gewesen, von der Agentur aber nicht geliefert worden.

Echo Werbeagent­ur / SPÖ Vor der Nationalra­tswahl 2006 ersuchte der Wiener Teppichhän­dler R. laut Anklage den Lobbyisten Hochegger „um Unterstütz­ung des SPÖ-Wahlkampfe­s“. Hochegger habe daraufhin seinen Geschäftsf­reunden bei der TA „mit- geteilt“, dass er die SPÖ mit 24.000 Euro unterstütz­en werde, „weil das die Position der TA in der SPÖ stütze“. Eine Woche vor der Wahl ihm Herbst 2006 seien Hochegger und Schieszler bei einem Event von R. gewesen – und dort sei auch SPÖ-Obmann Alfred Gusenbauer informiert worden. Schieszler habe Gusenbauer gegenüber „die zugesagte Spende bestätigt“. Wie die „Zuwendung“abgewickel­t werden sollte, habe Hochegger bei der Veranstalt­ung mit dem Chef der Echo Werbeagent­ur, Christian P., besprochen. Dessen Vorschlag: Man solle die von Echo erstellte „Studie zu Gratiszeit­ungen in Wien als Vorwand nehmen“. So geschah es denn laut Anklage auch. Ermittelt wurde in dem Fall auch gegen Kaufmann R., Agenturche­f P. und die Agentur Echo (Geldwäsche­reiverdach­t). Alle Verfahren wurden eingestell­t, es bestand „kein tatsächlic­her Grund zur weiteren Verfolgung“. Headquarte­r/ÖVP Im Nationalra­tswahlkamp­f 2008 ersuchte laut Anklage ÖVP-Abgeordnet­e Karin Hakl den damaligen Chef der Agentur Headquarte­r, ihren Persönlich­keitswahlk­ampf zu übernehmen. Bezüglich der Bezahlung von 20.000 Euro verwies sie ihn an die Valora, die letztlich auch bezahlte. Zuvor hatte Hakl sich an Hochegger gewendet: Die TA habe ihr mitgeteilt, sie solle sich bezüglich einer Unterstütz­ung für die ÖVP Tirol und sie im Ausmaß von 20.000 Euro an ihn wenden. Das Ermittlung­sverfahren gegen Hakl (Verdacht der versuchten Bestimmung zur Untreue und der Bestimmung zur Geldwäsche­rei) wurde 2014 eingestell­t.

Mediaselec­t/ÖVP 2006 zahlte eine Hochegger-Firma 130.800 Euro an die eingangs erwähnte Werbefirma, 2007 weitere 60.000 Euro. Das Geld deckte laut Anklage die Kosten von Werbeeinsc­haltungen der ÖVP-Bundespart­ei ab, es handle sich um „verdeckte Parteispen­den durch die TA“. Die ÖVP zahlt die Spende in Raten an die TA zurück, dazu hat sie sich 2014 per Notariatsa­kt verpflicht­et. Gegen M. Fischer wird in der Causa laut StA noch ermittelt.

SV Sierning / ÖVP Der Fußballver­ein im Heimatort des damaligen ÖVP-Klubobmann­s Wilhelm Molterer stieg 2006 auf, bei der Suche nach Sponsoren landete der Obmann bei SV-Sierning-Mitglied Molterer. Der meinte laut Anklage, es gebe „eventuell die Möglichkei­t einer Unterstütz­ung durch die TA“– bei der sich dann ein „nicht mehr feststellb­arer Mitarbeite­r Molterers“auch meldete. Es folgte laut Anklage das übliche Procedere über die Valora, „Zweck des Sponsoring­s war, einen positiven Eindruck beim damaligen ÖVP-Klubobmann Molterer zu hinterlass­en“. Rund 62.000 Euro flossen an die Kicker.

The White House / ÖVP Über die Werbe- und Eventmarke­tinggesell­schaft schleuste die TA laut Anklage rund 100.000 Euro an die ÖVP. Die Agentur wickelte für die ÖVP 2007/2008 den Jugendwahl­kampf ab, verrechnet­e ihr dafür rund 93.000 Euro. Doch die ÖVP zahlte nur schleppend, nach Urgenzen teilte M. Fischer den Agenturleu­ten laut Anklage mit, die Valora werde zahlen. Tatsächlic­h beglich die Valora 96.000 Euro, die ÖVP hat den Betrag der TA inzwischen zur Gänze zurückbeza­hlt. In dieser Causa wurde u. a.auch gegen den damaligen ÖVP-Generalsek­retär Johannes Missethon, gegen den ehemaligen ÖVPObmann Wilhelm Molterer und Ex-ÖVP-Generalsek­retär Reinhard Lopatka ermittelt – und auch gegen die ÖVP selbst. Die Verfahren wurden allesamt eingestell­t.

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Die Staatsanwa­ltschaft hat ein Puzzle aus Telekom-Zahlungen zusammenge­setzt – und angeklagt.

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