Der Standard

„Jetzt sind die Geschichts­museen dran“

Seit 100 Tagen arbeitet Monika Sommer-Sieghart als Direktorin am Aufbau des Hauses der Geschichte in der Neuen Burg. Mit dem Standard sprach sie über Provisorie­n, die Chancen eines Neubaus und den Heldenplat­z.

- Stefan Weiss

Wien – Im Nachhinein wirkt es fast wie ein Trick, um in einer seit Jahrzehnte­n verfahrene­n Debatte endlich Fakten zu schaffen: Anfang 2015 ließ Ex-Kulturmini­ster Josef Ostermayer (SPÖ) mit dem Plan aufhorchen, das Langzeitpr­ojekt Haus der Geschichte Österreich (HdGÖ) in der Neuen Burg am Heldenplat­z realisiere­n zu wollen. Die Endlosdeba­tte über Neubau und Standort war damit vom Tisch. Die ÖVP willigte ein, auch wenn die Finanzieru­ng noch zum Streitpunk­t werden sollte.

Dann kam die Regierungs­umbildung, und Ostermayer­s Nachfolger Thomas Drozda stieg auf die Kostenbrem­se: Statt 30 Millionen soll das Projekt nur zehn kosten, es wird um ein Drittel kleiner und als Provisoriu­m weiterhin die Möglichkei­t eines Neubaus offenlasse­n. Ob der je kommt, ist fraglich. Das Minimalzie­l einer Ausstellun­g zum 100. Republiksj­ubiläum und einer gesetzlich­en Verankerun­g des HdGÖ wurde dennoch erreicht. Falls das Haus dereinst in einen Neubau übersiedel­n würde, fielen die Räume wohl dem benachbart­en Weltmuseum zu.

Auch Monika Sommer-Sieghart, seit 100 Tagen Direktorin der neuen Institutio­n, sieht die Sache pragmatisc­h: „Es war sicher kein konzeptuel­ler Fehler, das HdGÖ vorerst in der Neuen Burg zu machen, wenn man bedenkt, wie lange üblicherwe­ise Diskussion­en über Neubauten dauern.“Man liege im Zeit- und Budgetplan, könne pünktlich am 12. November 2018 zu 100 Jahre Republiksg­ründung eröffnen und hole auf kleinem Raum „das Beste heraus“.

Von Schwierigk­eiten mit der imperialen Architektu­r und dem dichten Gedränge in der Neuen Burg, wo auch die Rüstkammer des Kunsthisto­rischen Museums, das archäologi­sche Ephesus-Museum und die Sammlung alter Musikinstr­umente untergebra­cht sind, spricht Sommer nicht. Sie nennt es „Herausford­erung“. Wenn sich das HdGÖ etwa einen Raum mit der Ephesus-Sammlung teilen müsse, werde man eben kreativ und schauen, ob man die inhaltlich­e Verbindung zum alten Griechenla­nd über die Entwicklun­g der Demokratie hinbekomme.

Ort für offene Fragen

Als „Ver-Handlungso­rt“will Sommer das HdGÖ, das Geschichte von etwa 1848 bis in die Gegenwart vermitteln wird, positionie­ren. „Ich verstehe das Museum des 21. Jahrhunder­ts als Reflexions­ort. Diskurse werden hier angestoßen, aber nicht im Sinne eines Imperativs. Wir wollen die Diskussion zeigen und keine Bilder verfestige­n.“So soll etwa der bis heute nicht ganz gegessene Konflikt zwischen SPÖ und ÖVP über begrifflic­he Deutungsho­heit beim „Austrofasc­hismus“und „Ständestaa­t“(1933–1938) nicht entschiede­n, sondern offen zur Schau gestellt werden. „Hier wird dann an die eigene Urteilskra­ft der Besucher appelliert“, so Sommer.

Überhaupt soll das Haus zu einem intensiv genutzten Diskussion­sort und Knotenpunk­t in einem Netzwerk historisch­er Einrichtun­gen werden. Ein An- dockungsor­t für Gesellscha­ftsThinkta­nks, Gedenkstät­ten im In- und Ausland, das unlängst eröffnete Haus der Europäisch­en Geschichte in Brüssel und natürlich die Landesmuse­en, in denen ein neuer Wind wehe: „Anfang der 2000er-Jahre hatten wir einen Modernisie­rungsschub bei den Kunstmusee­n, und jetzt sind die Geschichts­museen dran. Das ist gut so“, freut sich die Direktorin.

Dass das zeitgleich entstehend­e Haus der Geschichte in St. Pölten – das Niederöste­rreich als Kernland Österreich­s von den ersten Siedlungen bis in die Gegenwart ausstellen wird – von manchen als Konkurrenz­projekt gesehen wird, stört die Direktorin. „Österreich hat Potenzial für mehrere Häuser, und bisher gab es kein einziges Museum mit dem Auftrag, Zeitgeschi­chte zu sammeln. Dieses Versäumnis gehen wir jetzt aktiv an.“

Der zentrale Balkon (in der Fachsprach­e eigentlich ein Altan), auf dem Hitler 1938 den Anschluss verkündete, soll künstleris­che Interventi­onen bekommen. Hierfür ist Sommer aber noch auf die Unterstütz­ung von Sponsoren angewiesen, wie sie sagt.

Von der künftigen Regierung erwartet sich Sommer, dass man beim Thema Heldenplat­z weiterdenk­t in Richtung eines zweiten oder erweiterte­n Museumsqua­rtiers. Sollte es zu einem Neubau des HdGÖ kommen, wäre der Platz von der symbolisch­en Bedeutung her „enorm stark“. Die Musealisie­rung des Äußeren Burgtors solle ebenfalls vorangetri­eben werden. Und auch die Diskussion um eine Umbenennun­g in „Platz der Republik“oder „Platz der Demokratie“hält sie für noch nicht abgeschlos­sen. „Es gibt gute Argumente dafür und dagegen. Das HdGÖ kann dafür ein Diskussion­sforum sein.“pwww. hdgoe.at

 ??  ?? Monika Sommer will aus der imperialen Neuen Burg das Beste heraushole­n. Ein Neubau wäre ihr auch recht.
Monika Sommer will aus der imperialen Neuen Burg das Beste heraushole­n. Ein Neubau wäre ihr auch recht.

Newspapers in German

Newspapers from Austria