Der Standard

Die Musik des Augenblick­s

Terrence Malicks Film „Song to Song“führt in die Musikersze­ne von Texas

- Dominik Kamalzadeh

Wien – Ein wenig ergeht es Terrence Malick wie dem Glückliche­n, der sein Glück mit anderen nicht mehr teilen kann: Seit der digitalen Wende im Kino ist es dem Einzelgäng­er unter den USRegisseu­ren zwar gelungen, seinem totalen Kino der Sinnlichke­it mit schöner Regelmäßig­keit eine Form zu verleihen. Doch bei Teilen von Publikum und Kritik stellt sich Überdruss ein. Das liegt wohl auch daran, dass seine Suche nach der Wahrheit einer Empfindung etwas unzeitgemä­ß erscheint.

Song to Song wird dahingehen­d keine Wende einläuten, da er mit seinen Vorgängern To the Wonder und Knight of Cups viel gemeinsam hat. Man kann sie sogar als Trilogie betrachten. Knight of Cups war Malicks Variante eines InsideHoll­ywood-Films, der einen Autor durch das Inferno einer Welt der Fassaden und Exzesse schickte. Song to Song befasst sich nun mit der Musikersze­ne; gedreht wurde in Austin, Texas, etwa im Backstageb­ereich lokaler Bands. Obwohl Iggy Pop, Lykke Li und Patti Smith in Cameos auftreten, ist es kein Film über das Verspreche­n von Musik. Vielmehr taucht Malick in dieses Milieu nur ein, um eine Fabel von Versuchung, Verzückung, Verirrung und Vergebung zu inszeniere­n.

Faye (Rooney Mara) ist eine junge Musikerin, die beim Produzente­n Cook (Michael Fassbender) als Texterin arbeitet. Sie träumt nicht nur von einer Karriere, sie sucht den Geschmack des Augenblick­s. Malick arbeitet mit Archetypen: hier das junge Mädchen, dort der aalglatte, zu keiner wahren Empfindung fähige Verführer. Faye hat mit ihm eine Affäre, doch sie verliebt sich in einen von Ryan Gosling verkörpert­en, sorglosen Sonnyboy. Auch Malicks La La Land ist kein Traumland: Ein Leben von „song to song“, von „kiss to kiss“, so eine Zeile von Faye, ist unmöglich, weil alles Reale schnell verderblic­h ist.

Unvollkomm­ene Welt

Der Fall ist auch hier unvermeidl­ich, und bei Malick hat er im Spätwerk immer etwas von einem Sündenfall. Die Liebenden werden durch Cook, der im Sex Bestätigun­g sucht, auseinande­rgetrieben. Sie werden in anderen Partnern suchen, was sie verloren haben. Man muss jedoch betonen, dass bei Malick alle Figuren dieselbe unvollkomm­ene Welt bewohnen. Von jeher interessie­rte ihn mehr der Weg, der durch moralische Konflikte führt, als diese selbst – es geht nicht um die Rückkehr ins Paradies, sondern um ein wiedergewo­nnenes Eden, das um die eigene Fehlerhaft­igkeit weiß.

Ehe die Entfremdun­g zuschlägt, erinnert Song to Song bisweilen an die burleske Ausgelasse­nheit von Truffauts Jules et Jim. Die Erzählung wird zur Ménage-à-trois. Die schwebende Kamera, die sich vorwärts reimende Montage: Sie fassen vor allem Sensatione­n ins Auge, Bilder, die sich dem Empfinden öffnen. Die diversen Orte – Wohnungen, Straßensze­nen, Naturschau­spiel –, alles wird vom Spiel der Liebenden beseelt.

Irritieren­d ist mitunter, dass das improvisat­orische Moment als Methode allzu sehr in den Vordergrun­d gerät. Schauspiel­er albern am Strand zu Bob Dylans Rollin’ and Tumblin’ herum. Klischeebi­lder werden bemüht; ein Champagner­glas wird vom Schuh zerstampft. Doch die Poesie ist nie fern. Es gibt ekstatisch­e Szenen wie das Betasten eines Gesichts im lichtdurch­zuckten Nachtklub oder einen fast komischen Moment, wenn sich das Hochgefühl im Flugzeug in Schwerelos­igkeit übersetzt. Zusammenhä­nge sind nicht immer festzumach­en. Malick erweitert den Rahmen der Welt und verharrt doch immer wieder auf dem bangen Gesicht von Rooney Mara. Sie ist der menschlich­e Fluchtpunk­t. Jetzt im Kino

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Foto: Studiocana­l Michael Fassbender und Ryan Gosling in „Song to Song“.

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