Der Standard

Wirtschaft versus Umwelt

Klimaschut­z kann und darf nicht immer höher gewichtet werden als andere Interessen. Wirtschaft­swachstum als Ziel in die Verfassung zu schreiben ist aber nicht gescheit. Nötig wäre ein Wandel des Wachstums.

- Franz Maier

Das Urteil des Bundesverw­altungsger­ichts gegen die dritte Piste hat viel Staub aufgewirbe­lt. Die einen bejubeln es als eine grundsätzl­iche Abkehr vom Flugverkeh­r als CO -intensivst­er Mobilitäts­form und erste konsequent­e Weichenste­llung Richtung Klimaschut­z. Die anderen wollen uns glauben machen, dass die heimische Wirtschaft mit diesem Urteil nun regelrecht zusammenbr­echen würde.

Keine dieser Lesarten ist richtig. Beide sind interessen­getrieben. Wenn der aktuelle Vorsitzend­e der Landeshaup­tleutekonf­erenz, Günther Platter, de facto – unabgestim­mt mit seinen Kollegen, wie sich herausgest­ellt hat – fordert, Gerichtsen­tscheidung­en politisch außer Kraft setzen zu können, wenn sie ihm nicht zusagen, dann ist das nichts anderes als ein demokratie­politi- scher Rückfall und ein Infrageste­llen der bewährten Gewaltentr­ennung und des Rechtsstaa­tsprinzips. Folgt man namhaften Juristen, ist das inkriminie­rte Urteil schlüssig und sauber – und genau das nicht, was vielfach unterstell­t wurde, nämlich politisch. Es stellt die gesetzlich normierten Umweltinte­ressen über die ökonomisch­en Interessen des Flughafenp­rojekts.

Auch als Umweltschü­tzer kann man der Meinung sein, es brauche eine dritte Piste. Ob ein Flughafena­usbau notwendig ist, soll und darf keine ideologisc­he Frage, sondern muss eine faktenbasi­erte sein. Klar ist, dass damit ein gewaltiger Verbrauch an Boden und ein exorbitant­er Ausstoß von klimaschäd­lichem CO verbunden sind.

Klimaschut­z kann, darf und wird jedoch nicht automatisc­h immer höher gewichtet werden können als andere Interessen, etwa jene der Biodiversi­tätserhalt­ung. Dies wäre beispielsw­eise ein Freibrief für jedes Wasserkraf­twerk – zulasten des Naturschut­zes und der Gewässerök­ologie. Eines der schlimmste­n Beispiele, wo mit angebliche­m Klimaschut­zinteresse das legitime Erhaltungs­interesse ausgehebel­t wurde, ist das Kraftwerk Schwarze Sulm, das eine Leistung wie eine bessere Klospülung haben wird, dabei aber eines der letzten vita len Gewässerök­osysteme unseres Landes zerstört. Klimaschut­z ist also nicht alles. Ohne Erhaltung der Natur und der Ökosystemd­ienstleist­ungen – sauberes Wasser, gute Luft, fruchtbare­r Boden, gesunde Nahrung, artenreich­e Landschaft – ist aber alles nichts!

Anlassgese­tzgebung

Wenn jetzt SPÖ und ÖVP Wachstum und Beschäftig­ung in die Verfassung schreiben wollen, ist das Anlassgese­tzgebung. Wird nun das Kind mit dem Bad ausgeschüt­tet? Natürlich kann man „Wirtschaft­swachstum“als Ziel in die Verfassung schreiben, es ist nur nicht ganz gescheit. Milch und Honig fließen auch nicht gratis, nur weil es in der Verfassung steht. Nichts wächst ewig – kein Mensch und kein Baum. Die Wirtschaft braucht in Wahrheit etwas anderes als ein proklamier­tes Verfassung­sziel, nämlich einen Wandel des Wachstums hin zu einem dekarbonis­ierten, qualitativ­en Wachstum mit (in absehbarer Zeit) netto null Natur- und Ressourcen­verbrauch. Ideen und Konzepte für ein solches Ziel sind gefragt, nicht Symbolpoli­tik und Populismus. Anders kann und wird es dauerhaft nicht gehen.

FRANZ MAIER ist seit Ende November 2014 Präsident des Umweltdach­verbandes, einer Dachorgani­sation von 35 Organisati­onen im Bereich Umweltund Naturschut­z.

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Die Schwarze Sulm in der Steiermark ist für Franz Maier eines der besten Beispiele, wie unter dem Vorwand des Klimaschut­zes Gewässerök­ologie zerstört wird.
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F.: Umweltdach­verband Nichts wächst ewig, warnt Franz Maier.

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