Der Standard

Manchester: Ruf nach Folgen

Mays Konservati­ve verspreche­n, künftig „mehr zu tun“

- Sebastian Borger aus London

Knapp eine Woche nach dem Terroransc­hlag von Manchester gerät die innere Sicherheit zum britischen Wahlkampft­hema. Premiermin­isterin Theresa May wies am Sonntag auf das Wahlprogra­mm ihrer konservati­ven Partei hin: Bereits vor der Bluttat enthielt es die Idee einer Extremismu­skommissio­n, die mögliche neue Gesetze erarbeiten soll. „Wir wissen, dass wir mehr tun müssen“, sagte Innenminis­terin Amber Rudd und reagierte so auf Kritik durch Angehörige der 22 Toten und dutzenden Verletzten von Manchester.

„Wenn die Regierung nicht die Augen öffnet, werden wir nur Teil einer langen Reihe von Familien sein, die vom Terrorismu­s zerstört werden“, sagt etwa der Vater der 18-jährigen Georgina Callander, die beim Anschlag unter den Todesopfer­n war. Seine Forderung nach Konsequenz­en fand Widerhall in einer Talksendun­g der BBC. Ideen reichten von mehr Polizisten auf den Straßen über die Konfiszier­ung der Pässe von Extremiste­n bis hin zur vorsorglic­hen Inhaftieru­ng Verdächtig­er.

Nach Angaben von Innenminis­terin Amber Rudd stehen 3000 mögliche Gewalttäte­r auf der Watchlist des Inlandsgeh­eimdienste­s MI5, weitere 20.000 werden zu deren Umfeld gezählt. Nach neuen Verhaftung­en im Umfeld des Arena-Bombers Salman Abedi wurde die Terrorwarn­stufe am Samstag dennoch von „kritisch“auf „ernst“zurückgest­uft – ein Anschlag gilt damit als „sehr wahrschein­lich“, aber nicht mehr als „unmittelba­r bevorstehe­nd“.

Noch immer interessie­rt sich die rund 1000 Beamte umfassende Sonderkomm­ission für Kontakte und Aufenthalt­sorte Abedis. Ein Sonntag veröffentl­ichtes Foto zeigt den jungen Mann in Turnschuhe­n und Steppjacke, mit Brille und Kappe, lässig gegen die Wand gelehnt – Minuten, bevor er die tödliche Bombe zündete.

„Ungebildet und passiv“

Abedi galt in der Schule als „ein bisschen langsam“(ein Klassenkol­lege), war „ungebildet und passiv“(ein Lehrer). Wie viele junge Muslime erlebte er einen Loyalitäts­konflikt zwischen dem Herkunftsl­and seiner Eltern und Großbritan­nien. 2008 – Salman war 13 – war sein Vater nach Libyen zurückgeke­hrt, um der religiös motivierte­n Opposition beizustehe­n. 2011 durfte er als 16Jähriger in den Ferien den Vater besuchen – und fand sich bald mit diesem im Bürgerkrie­g wieder.

Antiterror-Fahnder hatten ihre Aufmerksam­keit bisher auf jene rund 800 jungen Briten konzentrie­rt, die als Kämpfer nach Syrien gereist waren. Mittlerwei­le sind von dort Hunderte traumatisi­erter, mit Waffen und Sprengstof­f vertrauter junger Männer zurückgeke­hrt. Der Fall Abedi rückt nun auch Libyen ins Blickfeld.

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