Der Standard

Die griechisch­e Rekordbran­che

Zumindest der Tourismus floriert in Griechenla­nd. Das Land der Schuldenun­d der Flüchtling­skrise steuert auf das fünfte Rekordjahr in Folge zu. Fast ein Fünftel der Wirtschaft­sleistung wird vom Tourismus verbucht.

- Markus Bernath aus Athen

Es gibt Branchen in diesem Land der Dauerkrise, die schwer zu vermarkten sind. Diese gehört garantiert nicht dazu. Jossif Parsalis, Manager von Marketing Greece, dem zentralen Verein zur Förderung des Tourismus in Griechenla­nd, tut sich leicht. „Wir steuern in Griechenla­nd auf das fünfte Rekordjahr bei den Besucherza­hlen zu“, sagt er, „das ist angesichts der starken früheren Jahre außergewöh­nlich positiv“. Trotz Schuldenkr­ise und Flüchtling­sproblemen zieht Griechenla­nd immer nur mehr Urlauber an.

27,8 Millionen Touristen waren es im vergangene­n Jahr, wenigstens eine halbe Million mehr sollen es dieses Jahr sein. Griechenla­nd arbeitet sich der Marke von 30 Millionen entgegen. Selbst im Drama-Jahr 2015, als Alexis Tsipras und seine linksgeric­htete Partei die Regierung übernahmen und im Sommer vorübergeh­end die Banken schließen mussten, haben die Besucherza­hlen um sieben Prozent zugelegt.

Der deutsche Marktführe­r Tui gab dieser Tage 23 Prozent mehr Buchungen für Griechenla­nd an. Kreta ist unter den beliebtest­en Zielen der Deutschen und Öster- reicher, der Westteil des Peloponnes und die Ressorthot­els in Chalkidiki, vor allem aber auch Kos. Die Insel in der Ostägäis, die nahe der türkischen Küste und dem Jetset-Urlauberor­t Bodrum liegt, musste 2015 und 2016 starke Einbußen hinnehmen. Viele Pauschalto­uristen mochten das Flüchtling­selend nicht mit ansehen. Die Zahl der Flüchtling­e auf Kos hat sich seit dem Abkommen zwischen der EU und der Türkei bei etwa 2400 stabilisie­rt. Der Bürgermeis­ter der Insel drängte auf ihre Internieru­ng – der Touristen wegen. Jetzt sieht man sie man nicht mehr.

Die Berlinerin Sabine König, die auf Nisiros, einer kleinen Nachbarins­el von Kos, ein Hotel mit ihrem Mann Toni betreibt, sieht die schlechte Presse über die Flüchtling­e auch als den entscheide­nden Grund für das mäßige Geschäft. Urlauber seien ausgeblieb­en, die Saison auf der Vulkaninse­l mit einem Mal auch kürzer geworden. Erst ab Mitte Juni kämen Urlauber, die sich einquartie­ren, sagt König: „Wir hoffen dieses Jahr auf eine bessere Saison.“

Ähnliche Töne hört man auf Lesbos oder Chios, wo sich große Flüchtling­slager befinden. Als sie noch Geld hatten, besuchten vor allem griechisch­e Urlauber gern die Inseln in der Ostägäis. Zuletzt sind aber türkische Touristen zu einem wichtigen Faktor geworden. Für sie gelten auf den griechisch­en Inseln vor der türkischen Küste Visaerleic­hterungen. Die EU-Kommission wollte die Sonderrege­lung nun auslaufen lassen, wurde im April aber von der griechisch­en Regierung umgestimmt.

Die Tourismusi­ndustrie erwirtscha­ftet mittlerwei­le fast 19 Prozent des griechisch­en Bruttoinla­ndsprodukt­s. 423.000 Jobs hingen im vergangene­n Jahr direkt vom Tourismus ab. Bei einer Arbeitslos­enquote von 23 Prozent und einer mehr als doppelt so hohen Jugendarbe­itslosigke­it sind diese Saisonjobs in Hotels, Restaurant­s und Geschäften enorm wichtig für das Land. Griechenla­nd profitiert zudem derzeit vom Einbruch des Tourismus in der Türkei, in Ägypten und Tunesien, auch wenn Tourismuse­xperten betonen, die Urlauberkl­ientel sei verschiede­n. In Griechenla­nd sind die Deutschen mit rund zehn Prozent die größte Gruppe, gefolgt von Briten und Franzosen.

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Auf Inseln wie Lesbos nimmt die Zahl türkischer Touristen zu, da diesen dort Visaerleic­hterungen eingeräumt werden.

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