Der Standard

Von denen, die auszogen, die Schubladen zu zerschlage­n

Das Museum Liaunig widmet seine Jahresauss­tellung den Künstlern der „Neuen Malerei“der 1980er-Jahre

- Michael Cerha

Neuhaus – Das Museum Liaunig im Südkärntne­r Neuhaus/Suha nahe Bleiburg widmet sich in seiner Jahresauss­tellung unter dem Titel Kontinuitä­t und Brüche den Künstlern der österreich­ischen „Neuen Malerei“in den 1980er-Jahren. Raffinemen­t verrät die Ansetzung einer großen Retrospekt­ive zu Hermann Josef Painitz im dreieckige­n Sonderauss­tellungsra­um (bis Ende Juli).

Es ist, wenn man das für die zeitgenöss­ische Kunst in Kärnten so wichtige Museum betritt, fast unumgängli­ch, sich zunächst dieser Sonderauss­tellung zu widmen. Painitz, ein jahrzehnte­langer Freund des Sammlers Herbert Liaunig, hat sich unter Verzicht auf jede malerische Geste ganz der Theorie des Bildes verschrieb­en, um es zuletzt auf die Anordnung konzentris­cher Kreise zu verdichten. Verlässt man durch einen Gang diese mathematis­ch anheimelnd­e Welt, die geistig die Denkschule des Wiener Kreises umrundet, trifft man dann völlig unvermitte­lt auf Siegfried Anzingers Form- und Farberupti­onen aus dem Jahr 1981. Heftiger könnte das Wechselbad nicht ausfallen.

Hier, im Nordtrakt des Hauses, vollzieht man den in den 1970erJahr­en einsetzend­en Versuch der „Neuen Wilden“zu einem ungestümen kunsthisto­rischen Befreiungs­schlag nach, gerichtet gegen die Kopflastig­keit und alle dogmatisch­en Stilkorset­te der Nachkriegs­kunst.

Wiedererle­bbares Aufsehen

Die Palette ist von jedem Gegenstand­sbezug befreit, wie bei den „Alten Wilden“von 1905, den Pariser Fauves. Die Emotionali­tät der Formfindun­g führt thematisch zu einer Konzentrat­ion auf Grundfrage­n der Existenz, betreffend etwa Angst, Sexualität und Tod. Im prometheis­chen Trotz, mit dem die menschlich­e Figur auf das Tafelbild zurückkehr­t, grüßt der Expression­ismus eines Richard Gerstl. Unübersehb­ar sind auch die Anleihen bei der Art brut oder der Gruppe CoBrA.

Es sind durchwegs repräsenta­tive Großformat­e, überwiegen­d aus den Beständen der Sammlung Liaunig, mit denen Günther Holler-Schuster als Kurator das Aufsehen noch einmal erlebbar macht, das Erwin Bohatsch oder Gunter Damisch, Alois Mosbacher oder Hubert Scheibl, Hubert Schmalix oder Manfred Wakolbinge­r ihrerzeit ausgelöst haben. Nach wenigen Jahren legte sich der Furor und die, die ausgezogen waren, alle Schubladen zu zerschlage­n, konnten sich der kunstgesch­ichtlichen Einordnung nicht entziehen.

Diese Beruhigung – wenn man so will auch diese Wiederannä­herung an die Akademien – schildert der Südtrakt, in dem weitgehend dieselben Protagonis­ten vertreten sind, nur mit ihren späteren Arbeiten. Das Pathos ist verflogen, die Tendenz zur Abstraktio­n hat sich verstärkt. Je näher es Richtung Gegenwart geht, desto mehr erweitern und verschiebe­n sich auch die Themen. Es wird technische­r, komplizier­ter, painitzhaf­ter.

Zum Charme dieses Museums gehört es, dass man zwischendu­rch immer wieder auf Werke stößt, bei denen man vor allem das Sammlerher­z schlagen hört, während ihr Zusammenha­ng mit der Ausstellun­g recht lose erscheint. Kalkuliert als Anreize zur Abwechslun­g sind der kleine Skulpturen­park, in dem seit kurzem auch Josef Pillhofer vertreten ist, sowie die Dauerpräse­ntationen afrikanisc­her Glasperlen­objekte, dekorierte­r historisch­er Gläser und Porträtmin­iaturen.

Das gewölbte Skulpturen­depot beherbergt 2017 die Ausstellun­g Synkatabas­is von Wolfgang Ernst, eine sehr kultisch wirkende Raumkonstr­uktion. Bis 29. 10.

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Foto: Museum Liaunig Grenzgang zwischen Zwei- und Dreidimens­ionalität: Diese Edelstahls­tele aus der Hand Hans Kupelwiese­rs entstand in den späten Nullerjahr­en.

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