Der Standard

Statt Schwarz nun Türkis: Von eindeutig zu schillernd

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Die Abkehr der ÖVP von der Parteifarb­e Schwarz hat viel mehr als nur eine optische Bedeutung. Schwarz ist der Volksparte­i aus ihrem Bekenntnis zur christlich­en Soziallehr­e zugewachse­n. Schwarz ist die Zivil- und Soutane-Farbe der katholisch­en Priester.

Im Programm ist das Christlich-Katholisch­e noch verankert. Aber wie lange? Denn in der praktische­n Politik wurde es seit fünfzehn Jahren Schritt für Schritt verwässert. Die am Sonntag bekannt gewordene Hartz-IV-Studie des Finanzmini­steriums zeigt, dass der neoliberal­e Ressortche­f Hans Jörg Schelling längst auf den Wegen der britischen Konservati­ven unterwegs ist. Die Sympathien des neuen ÖVPChefs Sebastian Kurz für die „Tories“zeigen die seit Wolfgang Schüssel dominanten ideologisc­hen Fußabdrück­e. Das Ziel: ein Abbau des gewohnten Sozialstaa­ts. Mehr Trump, weniger Merkel. Nicht nur G in der Flüchtling­sfrage. leichwohl bringt Türkis als neue Parteifarb­e der ÖVP eine changieren­de, schillernd­e Hoffnung. Sie liegt damit zwischen Grün und Blau, eher Blau. In der Version der neuen Generalsek­retärin Elisabeth Köstinger: „Das Blau des Wörthersee­s“. Dasselbe hat dereinst Jörg Haider am Rande eines Interviews gesagt: „Mir taugt das für die FPÖ am meisten.“

In den lexikalisc­hen Auskünften werden Fans von Türkis mit Selbstdars­tellern verglichen, auch mit Schauspiel­ern, die stets sehr vital erscheinen möchten. Anderersei­ts neigen sie dazu, leicht verletzbar zu sein, leicht ge- kränkt, aber auch überheblic­h. Türkis-Liebhaber agierten geschliffe­n und gewandt, sie seien heiter, wollten anderersei­ts aber immer recht behalten. Niemand komme an ihren Ansprüchen vorbei.

Obwohl die Neos der Neuen Volksparte­i programmat­isch vermutlich am nächsten stehen, wird man Genaueres erst dann sagen können, wenn Sebastian Kurz Anfang September seine Programmpu­nkte vorstellt. Rein farblich sind sie mit Pink und wie die SPÖ auf der linken Seite, die Grünen besetzen die Mitte, ÖVP und FPÖ füllen mit blauen Variatione­nE das rechte Lager. rst langsam wird den Stammwähle­rn der Volksparte­i dämmern, was da vor sich geht. Kurz hat zwar mit 35 Prozent in den Umfragen ganz schnell den ersten Platz erobert, aber die „Mühen der Ebene“(© Jörg Mauthe) warten noch auf ihn.

Zur Kernschich­t der ÖVP zählen vor allem jene Funktionär­e, die das schwarze Urgestein bilden – etwa in den ländlichen Gebieten. Köstinger neben Kurz zu platzieren war da kein schlechter Schachzug – aber jene Vorzugssti­mmenerfolg­e, die man jetzt hervorhebt, waren nicht ihre persönlich­e Leistung. Sie wurden vom Bauernbund organisier­t. Ob Unternehme­r und ÖAABMitgli­eder ähnlich „laufen“werden wie die Bauernbünd­ler, weiß man nicht.

Die größte Gefahr im Zuge der Kurz’schen Machtergre­ifung hat Franz Fischler genannt: Was ist, wenn Kurz gegen Kern verliert? Dann zerfalle die ÖVP womöglich. Klar, die neue Farbe ist nur ein Teil das neuen Auftritts. Aber die Dominanz von Marketing und medialer Präsenz entscheide­t mit, wer im Oktober gewinnt. gerfried.sperl@derStandar­d.at pderStanda­rd. at/Sperl

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