Der Standard

KOPF DES TAGES

Filmischer Aufklärer aus dem Untergrund

- Bert Rebhandl

An dem Tag, an dem im Iran vorvergang­ene Woche der gemäßigte Kandidat Hassan Rohani zum Präsidente­n gewählt wurde, lief beim Filmfestiv­al in Cannes Un homme intègre (Ein integrer Mann) von Mohammad Rasoulof. Ein Film über Korruption und den Widerstand, den ein Einzelner zu leisten versucht. Ein ohne Genehmigun­gen gedrehter Untergrund­film, der nun mit dem Un-Certain-Regard-Preis prämiert wurde und dazu beitragen könnte, allzu große Hoffnungen auf eine Verbesseru­ng der Verhältnis­se im Iran im Zaum zu halten. Rasoulof weiß nur zu gut, dass die Freiheiten im Gottesstaa­t immer vorläufig und gefährdet sind.

Gebürtig aus der Stadt Shiraz, Jahrgang 1973, hat Mohammad Rasoulof sein ganzes bewusstes Leben unter der Herrschaft des schiitisch­en Klerus verbracht. Nach einer Filmausbil­dung trat er 2005 mit Die eiserne Insel zum ersten Mal als Regisseur hervor. Die symbolhaft­e Geschichte, gedreht in einer archaische­n Landschaft, beschäftig­t sich mit dem Schicksal von Sunniten im Iran und endet mit einer Exodusvisi­on am Persischen Golf. 2009 trat in Die weißen Wiesen ein Mann auf, der auf dem Urmiasee, nahe der Türkei, die Tränen der Menschen zu sammeln versucht.

Im Westen wurde man auf Rasoulof aufmerksam, weil er 2009 gemeinsam mit Jafar Panahi verhaftet wurde. Sie hatten gemeinsam an einer Dokumentat­ion über die Proteste der „grünen Bewegung“nach dem zweiten Wahlsieg von Mahmud Ahmadi-Nejad gearbeitet. Panahi ist ein Verbündete­r von Rasoulof, allerdings haben sich deren Strategien unterschie­dlich entwickelt: Während Panahi mit komplexen No-Budget-Filmen auf die Behinderun­gen seiner Arbeit hindeutet, hat Rasoulof seine Familie nach Hamburg in Sicherheit gebracht und ist nun mit Un homme intègre zu den Dorfgeschi­chten zurückgeke­hrt, die eine Art Grundalpha­bet des iranischen Kinos bilden.

Sein bedeutends­ter Film Manuscript­s Don’t Burn (2013) erzählt verschlung­en von der Allgegenwa­rt eines Sicherheit­sapparats im Iran, der umso unberechen­barer ist, als sich dort auch ein revolution­ärer Idealismus zu bürokratis­cher Gewalt verhärtet hat. Die einjährige Haftstrafe, zu der Rasoulof im Iran verurteilt ist, ist derzeit ausgesetzt. „Die Ära Rohani hat noch gar nicht begonnen“, äußerte er sich nun in Cannes in einem Interview mit Le Monde. Mit seinem Film möchte er selbst dazu beitragen, dass sie wirklich beginnt.

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Foto: Reuters Der iranische Regisseur Mohammad Rasoulof wurde in Cannes geehrt.

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