Der Standard

Ein schwierige­r Tourist in Schloss Versailles

Russische Hackerangr­iffe auf die Wahlkampag­ne in Frankreich? Schwamm drüber. Die Präsidente­n Emmanuel Macron und Wladimir Putin haben in Versailles einen Annäherung­sversuch gestartet, der ziemlich von gegenseiti­ger Reserviert­heit geprägt war.

- Stefan Brändle aus Versailles

Der Wirt im Bistro „Civette du Parc“mochte noch so schimpfen: In Versailles, dem zehn Kilometer westlich von Paris gelegenen Königshof und Schlosspar­k, waren am Montag ganz einfach keine Touristen zugelassen – bis auf einen: Wladimir Putin. Russlands Präsident eröffnete im Großen Trianon die Ausstellun­g über den russischen Zaren Peter den Großen, genauer gesagt über dessen Besuch im Jahr 1717 bei König Ludwig XV. Wenn man in Betracht zieht, dass der französisc­he König damals sieben Jahre alt war, verfügte der aktuelle Gastgeber Macron mit 39 Jahren schon über ein fortgeschr­ittenes Alter. Das zeigte sich auch im diplomatis­chen Geschick, mit dem er nach US-Präsident Donald Trump auch dem Kremlchef begegnete.

Dabei war die Partie alles andere als einfach. Die traditione­ll guten Beziehunge­n zwischen Paris und Moskau hatten in den letzten Jahren stark gelitten. Auf die Männerfreu­ndschaft der Rechtspoli­tiker Putin, Jacques Chirac und sodann Nicolas Sarkozy folgte ab 2012 eine ziemliche Eiszeit, als der Sozialist François Hollande in der Ukraine-Frage die gleich dezidiert-ablehnende Haltung wie die deutsche Kanzlerin Angela Merkel einnahm. Und als der französisc­he Präsident Ende 2016 vor einem Parisbesuc­h Putins die russische Militärhil­fe für den syrischen Präsidente­n Bashar al-Assad kritisiert­e, annulliert­e der Gast den Termin kurzerhand.

Im jüngsten französisc­hen Präsidents­chaftswahl­kampf wurde Macron – wie zuvor schon im Fall der US-Demokraten – zudem die Zielscheib­e von Hackern, denen Kontakte zum russischen Geheimdien­st nachgesagt werden. Putin setzte auf die Nationalis­tin Marine Le Pen und empfing sie demonstrat­iv im Kreml; Macron erklärte hingegen im Wahlkampf, er sei „nicht fasziniert von Wladimir Putin“und teile „seine Werte“nicht; in der Ukraine-Krise müsse Europa gegenüber Russland „Entschloss­enheit und Einheit“an den Tag legen.

Aber auch wenn Frankreich­s neuer Präsident die jüngste G7Drohung verschärft­er Sanktionen gegen Moskau mitträgt, sucht er zugleich den Dialog. Die Initiative für den Versailler Putin-Besuch hatte Macron ergriffen. Er empfing den Russen am Montag mit allen militärisc­hen Ehren, aber bezeichnen­derweise nicht im Élysée-Palast. Und bei der Begrüßung bemühte er sich, kein allzu freundlich­es Lächeln aufzusetze­n.

„Ohne jede Konzession“

Nach einer längeren Unterredun­g wollten die beiden Staatschef noch eine gemeinsame Pressekonf­erenz abhalten. Macron hatte aber am Wochenende in Sizilien bereits klargemach­t, dass er das Ukraine-Dossier mit Putin „ohne jede Konzession“angehen werde. Sein Regierungs­sprecher Christophe Castaner hatte im Vorfeld erklärt, die Wiederaufn­ahme des Dialogs bedeute nicht, dass sich Paris Moskau anpasse.

Alles in allem scheint Macron den deutsch-französisc­hen Russlandku­rs weiterführ­en zu wollen. Dass er weniger jovial und biegsam als sein Vorgänger auftritt, muss bei Putin nicht schlecht ankommen. So unterschie­dlich die beiden Präsidente­n sind, verbindet sie doch ein gewisser Hang zu Autorität sowie ein ausgeprägt­er Realitätss­inn. Der russische Botschafte­r in Paris, Alexander Orlow, erklärte, Macron sei „sehr intelligen­t, realistisc­h und pragmatisc­h“, was eher Fortschrit­te als unter Hollande erlauben werde.

In den Krim-, Ukraine- und Syrien-Fragen dürften sich die Moskauer und westlichen Positionen allerdings fürs Erste kaum bewegen. Macron sorgt an der Seite Merkels sicher für Entspannun­g im Ton, doch will er in der Sache mindestens so konsequent wie Hollande auftreten. Wie groß die Differenze­n bleiben, zeigte am Montag eine Demo für die Einhaltung der Menschenre­chte, namentlich der Homosexuel­len in Tschetsche­nien.

Im Anschluss an den öffentlich­en Auftritt weihten die beiden Präsidente­n die Ausstellun­g über Peter den Großen ein, der 1717 auch die diplomatis­chen Beziehunge­n der beiden früheren Großmächte begründet hatte. Macrons Reserviert­heit machte indes klar, dass wohl weitere 300 Jahre vergehen könnten, bis Frankreich den Besuch von Wladimir dem Großen ehren wird.

 ??  ?? Fester Händedruck zwischen dem Kickboxer Emmanuel Macron (li.) und Judoka Wladimir Putin (re.) zum Beginn eines „anspruchsv­ollen Dialogs ohne Zugeständn­isse“im Schloss von Versailles.
Fester Händedruck zwischen dem Kickboxer Emmanuel Macron (li.) und Judoka Wladimir Putin (re.) zum Beginn eines „anspruchsv­ollen Dialogs ohne Zugeständn­isse“im Schloss von Versailles.

Newspapers in German

Newspapers from Austria