Ein schwieriger Tourist in Schloss Versailles
Russische Hackerangriffe auf die Wahlkampagne in Frankreich? Schwamm drüber. Die Präsidenten Emmanuel Macron und Wladimir Putin haben in Versailles einen Annäherungsversuch gestartet, der ziemlich von gegenseitiger Reserviertheit geprägt war.
Der Wirt im Bistro „Civette du Parc“mochte noch so schimpfen: In Versailles, dem zehn Kilometer westlich von Paris gelegenen Königshof und Schlosspark, waren am Montag ganz einfach keine Touristen zugelassen – bis auf einen: Wladimir Putin. Russlands Präsident eröffnete im Großen Trianon die Ausstellung über den russischen Zaren Peter den Großen, genauer gesagt über dessen Besuch im Jahr 1717 bei König Ludwig XV. Wenn man in Betracht zieht, dass der französische König damals sieben Jahre alt war, verfügte der aktuelle Gastgeber Macron mit 39 Jahren schon über ein fortgeschrittenes Alter. Das zeigte sich auch im diplomatischen Geschick, mit dem er nach US-Präsident Donald Trump auch dem Kremlchef begegnete.
Dabei war die Partie alles andere als einfach. Die traditionell guten Beziehungen zwischen Paris und Moskau hatten in den letzten Jahren stark gelitten. Auf die Männerfreundschaft der Rechtspolitiker Putin, Jacques Chirac und sodann Nicolas Sarkozy folgte ab 2012 eine ziemliche Eiszeit, als der Sozialist François Hollande in der Ukraine-Frage die gleich dezidiert-ablehnende Haltung wie die deutsche Kanzlerin Angela Merkel einnahm. Und als der französische Präsident Ende 2016 vor einem Parisbesuch Putins die russische Militärhilfe für den syrischen Präsidenten Bashar al-Assad kritisierte, annullierte der Gast den Termin kurzerhand.
Im jüngsten französischen Präsidentschaftswahlkampf wurde Macron – wie zuvor schon im Fall der US-Demokraten – zudem die Zielscheibe von Hackern, denen Kontakte zum russischen Geheimdienst nachgesagt werden. Putin setzte auf die Nationalistin Marine Le Pen und empfing sie demonstrativ im Kreml; Macron erklärte hingegen im Wahlkampf, er sei „nicht fasziniert von Wladimir Putin“und teile „seine Werte“nicht; in der Ukraine-Krise müsse Europa gegenüber Russland „Entschlossenheit und Einheit“an den Tag legen.
Aber auch wenn Frankreichs neuer Präsident die jüngste G7Drohung verschärfter Sanktionen gegen Moskau mitträgt, sucht er zugleich den Dialog. Die Initiative für den Versailler Putin-Besuch hatte Macron ergriffen. Er empfing den Russen am Montag mit allen militärischen Ehren, aber bezeichnenderweise nicht im Élysée-Palast. Und bei der Begrüßung bemühte er sich, kein allzu freundliches Lächeln aufzusetzen.
„Ohne jede Konzession“
Nach einer längeren Unterredung wollten die beiden Staatschef noch eine gemeinsame Pressekonferenz abhalten. Macron hatte aber am Wochenende in Sizilien bereits klargemacht, dass er das Ukraine-Dossier mit Putin „ohne jede Konzession“angehen werde. Sein Regierungssprecher Christophe Castaner hatte im Vorfeld erklärt, die Wiederaufnahme des Dialogs bedeute nicht, dass sich Paris Moskau anpasse.
Alles in allem scheint Macron den deutsch-französischen Russlandkurs weiterführen zu wollen. Dass er weniger jovial und biegsam als sein Vorgänger auftritt, muss bei Putin nicht schlecht ankommen. So unterschiedlich die beiden Präsidenten sind, verbindet sie doch ein gewisser Hang zu Autorität sowie ein ausgeprägter Realitätssinn. Der russische Botschafter in Paris, Alexander Orlow, erklärte, Macron sei „sehr intelligent, realistisch und pragmatisch“, was eher Fortschritte als unter Hollande erlauben werde.
In den Krim-, Ukraine- und Syrien-Fragen dürften sich die Moskauer und westlichen Positionen allerdings fürs Erste kaum bewegen. Macron sorgt an der Seite Merkels sicher für Entspannung im Ton, doch will er in der Sache mindestens so konsequent wie Hollande auftreten. Wie groß die Differenzen bleiben, zeigte am Montag eine Demo für die Einhaltung der Menschenrechte, namentlich der Homosexuellen in Tschetschenien.
Im Anschluss an den öffentlichen Auftritt weihten die beiden Präsidenten die Ausstellung über Peter den Großen ein, der 1717 auch die diplomatischen Beziehungen der beiden früheren Großmächte begründet hatte. Macrons Reserviertheit machte indes klar, dass wohl weitere 300 Jahre vergehen könnten, bis Frankreich den Besuch von Wladimir dem Großen ehren wird.