Der Standard

Indiens Strandpara­dies ringt mit sich, dem Tourismus, den Partys und den Drogen. Die Politik unternimmt nun einen neuen Versuch, den ausufernde­n Feierlichk­eiten ein Ende zu bereiten. Doch der Wohlstand Goas basiert auf dem Fremdenver­kehr.

- Britta Petersen aus Vagator

Vor dem „Shiva Place“, einer Strandknei­pe an Goas Little Vagator Beach, wird ein abgestorbe­ner Baum mit fluoreszie­renden Streifen bemalt. Neben dem Beachvolle­yballfeld bauen die Mitarbeite­r ein Metallgerü­st für die Scheinwerf­er auf. Es ist der Samstag vor Ostern, und das „Shiva Place“bereitet sich auf seine vielleicht letzte Strandpart­y vor.

„Kommt heute Abend vorbei“, rufen die jungen Männer, die aussehen, als seien sie selbst ihre besten Kunden: mit Shorts und TShirts bekleidet, Zigaretten, Bier oder ein Joint sind schon am Morgen nie fern. Mitte April ist es bereits ziemlich heiß in Goa, und die Strände sind leer. Etwas Werbung kann nicht schaden.

Vor einigen Tagen nun hat Goas Minister für Wasserress­ourcen, Vinod Palyekar, ein Partyverbo­t ab 22 Uhr gefordert. „Diese Partys sind gegen unsere Kultur“, schimpfte der Minister, „wir müs- sen sie sofort stoppen.“Die Küstenregi­on Goas sei von Drogen „verseucht“, die Regierung habe „keinerlei Kontrolle“über den Drogenhand­el, so Palyekar.

Es ist nicht das erste Mal, dass Politiker in Goa fordern, alles anders zu machen. Der kleine Bundesstaa­t an der Westküste Indiens, der in den 1960er- und 1970er-Jahren durch Hippies und Haschisch bekannt wurde und in den 1980ern auf Rave, Trance und synthetisc­he Drogen umsattelte, ringt seit den Anfängen des Tourismus mit seinen Gästen und seiner eigenen Identität.

Umweltschä­den durch Partys

Bereits im Jahr 2000 wurde ein nächtliche­s Verbot von Partys zwischen 22 und 7 Uhr erlassen, nachdem eine exzessive, zwölftägig­e Millennium­sfeier am Strand von Anjuna die Goaner erzürnte und erhebliche Umweltschä­den in Form von gefällten Palmen, planierten Hügeln und künstlich in die Felsen gehauenen Höhlen ver- ursachte. Zuvor hatte ein Journalist aufgedeckt, wie der Gastgeber, ein Industriel­lensohn aus Mumbai, mit viel Geld Recht und Gesetz umgehen konnte. Herald, die Zeitung des Journalist­en, definierte Ravepartys als „Drogenorgi­en, bei denen Technomusi­k in sehr hoher Dezibelzah­l gespielt wird“.

Diese Interpreta­tion hat sich offenbar auch Vinod Palyekar zu eigen gemacht. Ministerpr­äsident Manohar Parrikar stellte daher klar, dass Partys nach 22 Uhr bereits per Gesetz verboten seien. „Das Verbot wird von der Regierung überwacht, daran ist nichts kontrovers“, so Parrikar. Die Polizei habe „strikte Anweisung“, gegen Drogen, Prostituti­on und illegales Glücksspie­l vorzugehen.

Nichts Neues in Goa also? Doch. Der kleinste Bundesstaa­t Indiens befindet sich wie das ganze Land in einem massiven Strukturwa­ndel. Als die ersten Europäerin­nen in den 1960er- und 1970er-Jahren in Bikinis oder noch weniger Bekleidung in der Sonne badeten, war Indien ein zutiefst konservati­ves Land, in dem es undenkbar war, zum Schwimmen einen Badeanzug anzuziehen oder gar als Frau eine Jeans zu tragen.

Etwas anders war Goa, das 450 Jahre lang eine Kolonie Portugals war und erst 1961 Teil der indischen Union wurde, schon immer. Tanzlokale und ein entspannte­r Umgang mit Alkohol gehören zum portugiesi­schen Erbe. Kein Wunder also, dass der Fremdenver­kehr eine der wichtigste­n Einkommens­quellen wurde und bis heute einen entscheide­nden Beitrag zum Wohlstands Goas leistet. Aber er hat auch einen Rattenschw­anz von Problemen mit sich gebracht, deren die Politik kaum Herr wird: Bodenspeku­lation, Schutzgeld­erpressung, Drogenhand­el, Umweltschä­den wie wilde Müllhalden und Wassermang­el.

Schon länger kein Idyll mehr

Im vergangene­n Jahr sorgte ein Artikel im britischen Guardian für Schlagzeil­en. Unter der Überschrif­t „Kein Idyll mehr. Warum ich Goa verlasse“klagt die Autorin Deepti Kapoor, die mit ihrem Mann vor acht Jahren von Mumbai nach Goa gezogen ist, über den Wandel in ihrer Wahlheimat. „Damals war Goa schön, entspannt und aufregend zugleich“, so Kapoor. Heute allerdings sei alles voller Müll, in den Flüssen sterben die Fische, und überall werde unkontroll­iert gebaut.

Doch bei genauerem Hinsehen wird klar: Goa ist schon viel länger kein Idyll mehr.

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Der Tourismus hat Goa nicht nur Geld, sondern auch Drogenhand­el, Umweltschä­den oder Schutzgeld­erpressung­en gebracht.

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