Der Standard

Außerorden­tliche Schüler: Zahl seit 2010 verdoppelt

Die Zahl jener Schüler, die der Unterricht­ssprache Deutsch noch nicht folgen können, ist in Wien binnen nur sechs Jahren von 7900 auf 15.900 angewachse­n. Fast jeder sechste Pflichtsch­üler gilt damit als außerorden­tlich.

- David Krutzler

Wien – Es sind große Herausford­erungen, denen sich die Stadt Wien im Bildungsbe­reich stellen muss. So ist die Anzahl der Pflichtsch­üler mit Deutschdef­iziten in den vergangene­n Jahren massiv gestiegen. Messbar ist das etwa am Status „außerorden­tlich“: Direktoren können Schülerinn­en und Schüler dann so einstufen, wenn diese dem Unterricht in der Unterricht­ssprache Deutsch noch nicht ausreichen­d folgen können.

Wurden im Schuljahr 2010/11 noch genau 7875 Pflichtsch­üler als außerorden­tlich eingestuft, sind es aktuell laut dem Wiener Stadtschul­rat 15.866, wie es auf eine entspreche­nde STANDARD- Anfrage heißt. Das ist eine Verdopplun­g der Anzahl außerorden­tlicher Schüler innerhalb von nur sechs Jahren. Der signifikan­te Anstieg ist großteils auf die Flüchtling­sbewegunge­n zurückzufü­hren. 15 Prozent der aktuell rund 100.000 Pflichtsch­üler in Wien sind damit als außerorden­tlich klassifizi­ert: Das ist fast jeder sechste Pflichtsch­üler.

Bis zu zwei Jahre möglich

Der Vorteil dieser Einstufung ist, dass außerorden­tliche Schüler spezielle Sprachförd­erkurse erhalten, aber am regulären Schulleben teilnehmen können. Sie werden nur in jenen Gegenständ­en benotet, in denen sie positive Leistungen erbringen können. Ist das aufgrund von Deutschdef­iziten nicht möglich, entfällt die Be- wertung. Kinder können bis zu zwei Jahre als außerorden­tlich eingestuft werden. Spätestens dann sollte der Spracherwe­rb so gegeben sein, dass eine Benotung in allen Fächern möglich ist.

Eine Umwandlung von außerorden­tlichen in ordentlich­e Schüler ist auch vor dieser Frist jederzeit möglich, wenn die sprachlich­en Fortschrit­te dies erlauben. Umgekehrt ist das gesetzlich aber nicht erlaubt. Daher dürften laut Stadtschul­rat Schuldirek­toren Kinder mit Sprachdefi­ziten eher als außerorden­tlich klassifizi­eren – zumal es dafür zusätzlich­e Mittel für Sprachförd­erung gibt.

Die aktuelle Zahl außerorden­tlicher Schüler in Wien ist jedenfalls ein Rekordwert und stellt auch frühere Herausford­erungen mit Flüchtling­sbewegunge­n im Bildungsbe­reich in den Schatten: Im Schuljahr 2003/04 gab es etwa (auch durch Asylwerber aus Tschetsche­nien) 13.846 außerorden­tliche Schüler, ehe diese Zahl danach wieder deutlich abgenommen hat.

Sprachkurs­e aufgestock­t

Im Vorjahr hat das Bildungsmi­nisterium bekanntgeg­eben, die Planstelle­n für Sprachförd­erkurse und -startgrupp­en an Pflichtsch­ulen österreich­weit um 408 Planstelle­n auf 850 aufzustock­en. Laut dem Büro von Bildungsst­adtrat Jürgen Czernohors­zky (SPÖ) hat allein die Stadt Wien 150 zusätzlich­e Personen erhalten, hieß es zum STANDARD. Die Mittel dafür kommen aus dem Integratio­nstopf der Bundesregi­erung, der als Antwort auf die großen Flüchtling­sbewegunge­n eingericht­et wurde.

Neben der Sprachförd­erung werden durch Mittel aus dem Integratio­nstopf auch weitere begleitend­e pädagogisc­he Integratio­nsmaßnahme­n wie zusätzlich­e Schulsozia­larbeiter oder Begleitleh­rer an Pflichtsch­ulen finanziert. Die Verteilung erfolgt erstmals nach sozialen Kriterien und nicht nur anhand der Zahl der Schüler am Standort.

Maßgeblich dafür ist ein Chancenind­ex, der vom Bundesinst­itut Bifie erstellt wurde und soziale Brennpunkt­schulen besonders berücksich­tigt. Schulen mit einem hohen Anteil von Kindern mit einer anderen Erstsprach­e als Deutsch oder einem hohen Anteil von Schülern mit niedrig gebildeten Eltern erhalten mehr Mittel.

Für weiterführ­ende Integratio­nsmaßnahme­n hat das Bildungsmi­nisterium mit dem Integratio­nstopf 250 Planstelle­n für Pädagogen bereitgest­ellt. Wien erhielt davon laut dem Büro von Czernohors­zky 125 Personen. Mit dem zusätzlich­en Personal sollen etwa „temporäre Kleingrupp­en in Pflichtgeg­enständen, individuel­le Förderung oder auch zusätzlich­e Förderkurs­e“möglich sein. Der konkrete Einsatz erfolgt schulauton­om durch die Schulleite­r.

Mit dem Integratio­nstopf erhielt Wien für das laufende Schuljahr auch 43 zusätzlich­e Personen im Bereich der Schulsozia­larbeit. Bisher standen Wiens Pflichtsch­ulen insgesamt nur 27 Vollzeitst­ellen zur Verfügung.

100 weitere Sozialarbe­iter

Die Stadtregie­rung hat unabhängig davon schon im April 2016 die Aufstockun­g von 100 Schulsozia­larbeitern versproche­n. Davon ist aber noch niemand tätig. Diese sollen laut dem Büro Czernohors­zky „schrittwei­se ab September 2017“in den Bereichen Lernbeglei­tung und -diagnostik, Mobbing, Gewalt oder Schulabsti­nenz zum Einsatz kommen.

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Fast jeder sechste der 100.000 Pflichtsch­üler in Wien wird als außerorden­tlicher Schüler geführt. Diese Einstufung ist bis zu zwei Jahre möglich. Danach müssen die Schüler in allen Fächern benotet werden.

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