Der Standard

„Migration ist der Normalfall“

Universitä­t und Stadt Salzburg gründen gemeinsame­s Migrations­archiv

- Thomas Neuhold

Salzburg – Von den rund 150.000 Salzburger­n und Salzburger­innen seien rund 73 Prozent österreich­ische Staatsbürg­er, „etwas mehr als ein Viertel ist zugezogen“, sagt die Abteilungs­vorständin für Kultur und Bildung im Salzburger Magistrat, Ingrid Tröger-Gordon. Was viel klingt, ist es eigentlich nicht: Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs waren rund 66.000 Flüchtling­e in Salzburg, die Stadt hatte 80.000 Einwohner.

Auch die Arbeitsmig­ration sei kein neuzeitlic­hes Phänomen, sagt Tröger-Gordon. Sein heutiges Aussehen verdanke die Stadt Salzburg „zu einem Gutteil italienisc­hen Baumeister­n und Architekte­n im Barock“. Egal ob Flucht, Verfolgung, Vertreibun­g, Arbeitsmig­ration: „Migration war und ist kein Ausnahmefa­ll, sondern der Normallfal­l“, sagt Tröger-Gordon.

Gemeinsam mit der Universitä­t Salzburg beginnt die Stadt nun, ihre Migrations­geschichte wissenscha­ftlich aufzuarbei­ten. Die beiden Einrichtun­gen haben ein gemeinsame­s Migrations­archiv gegründet. In diesem sind historisch­e Unterlagen wie beispielsw­eise die Bürgerbüch­er zu finden. Die Reihe der Bürgerbüch­er setzt 1441 ein und reicht bis ins 19. Jahrhunder­t. Sie verzeichne­n nicht nur die Namen der neu aufgenomme­nen Bürger, sondern auch Beruf, Herkunft und die zu entrichten­de Aufnahmeta­xe. Aktuell wird das Migrations­archiv mit Interviews, Lebensläuf­en und Dokumenten heute in Salzburg lebender Migranten ergänzt. Zum Start haben die Historiker 50 Personen aufgeliste­t. Dabei handelt es sich schwerpunk­tmäßig um die Geschichte von Arbeitsmig­ranten aus dem ehemaligen Jugoslawie­n oder der Türkei.

Dabei wird es freilich nicht bleiben. Die Migrations­forscherin, Historiker­in und Vizerektor­in der Uni Salzburg, Sylvia Hahn, etwa plant einen eigenen Forschungs­schwerpunk­t bezüglich Migration aus afrikanisc­hen Ländern nach Salzburg. Mit im Forschungs­bereich ist aber auch die Binnenmigr­ation wie der starke Zuzug von Oberösterr­eich nach Salzburg.

Die größte Migranteng­ruppe stellen übrigens die Deutschen. Das Problem hier: Viele Ex-DDRBürger würden ihre Biografien nicht preisgeben. Ergänzt wird das Migrations­archiv auch durch die Geschichte­n von Auswandere­rn aus Salzburg. Hier beginnen die Historiker soeben Auswandere­rbriefe und Tagebücher zu sammeln und sichten.

Teile des Migrations­archivs sind im Internet frei verfügbar. Viele Dokumente bleiben zu Forschungs­zwecken nur im Stadtarchi­v Salzburg selbst zur Einsichtna­hme zugänglich. pwww. stadt-salzburg.at/

migrations­archiv

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Auch alte Familienfo­tos wie hier jenes von Tsira Zauner aus Georgien (rechts im Bild mit Schwester und Bruder) finden sich im Archiv.

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