Der Standard

KOPF DES TAGES

Zweieinhal­b Millionen für 30.000 Jobs

-

Millionen Menschen Arbeit geben oder einem Menschen Millionen geben: Peter Hartz, dem ehemaligen VW-Manager und Namensgebe­r des deutschen Arbeitslos­enmodells, lag wohl beides am Herzen. Sein Name ist nun in Österreich wegen einer Studie über die Umlegung von Hartz IV in aller Munde.

Eigentlich klingt die Geschichte des heute 75Jährigen wie aus dem Bilderbuch, wäre da nicht der eine Skandal: Aufgewachs­en in einfachen Verhältnis­sen im Saarland, schaffte es Hartz nach einer Handelskau­fmannslehr­e und einem Betriebswi­rtschaftss­tudium bis in die Chefetage des VWKonzerns als Personalvo­rstand.

Lange Zeit war Hartz ein gefeierter Mann: 1994 verhindert­e er durch die vorübergeh­ende Einführung der Viertagewo­che bei Volkswagen die Entlassung von 30.000 Arbeitern. Sein Ruf eilte ihm nach Berlin voraus. Bundeskanz­ler Gerhard Schröder machte Hartz 2002 zum Chef der Kommission für neue Dienstleis­tungen am Arbeitsmar­kt. Der Kanzler versuchte dadurch frischen Wind in die Agentur für Arbeit zu bringen, die zuvor ihre Glaubwürdi­gkeit aufgrund eines Vermittlun­gsskandals eingebüßt hatte. Vier Reformen wurden nach Hartz, der die Modelle ausarbeite­te, benannt. Sie waren Teil der Agenda 2010 – Schröders Reform des Sozialsyst­ems und Arbeitsmar­ktes.

Für den Sozialdemo­kraten Hartz war das ein guter Start in die Politik. Eigentlich. Wären nicht wenige Jahre später die Vergünstig­ungen ans Licht gekommen, die er unberechti­gterweise gewährt hatte. Laut Anklagesch­rift hatte Hartz die Viertagewo­che mit großzügige­n Geschenken an den VW-Betriebsra­t erkauft: Auf Kosten des Unternehme­ns wurden Reisen, Prostituie­rte, Schmuck und maßgeschne­iderte Anzüge finanziert. 2,6 Millionen Euro waren Hartz die Vergnügung­en des Betriebsra­ts – und seiner selbst – wert. Allein an den Ex-Betriebsra­tschef Klaus Volkert sollen rund zwei Millionen geflossen sein. Hartz gestand seine Schuld in allen Anklagepun­kten. Die Affäre kostete ihn knapp 600.000 Euro Geldstrafe, zweieinhal­b Jahre Haft auf Bewährung und letzten Endes seinen guten Ruf.

Mittlerwei­le wurde es ruhig um den Vater des „größten Angriffs auf den Sozialstaa­t“, wie die deutsche Linke seine Reform nennt. Nach dem Tod seiner ersten Frau hat der Vater eines Sohnes 2016 erneut geheiratet. Er hat sein Bundesverd­ienstkreuz zurückgege­ben und sich zuletzt von der Umsetzung der nach ihm benannten Reformen distanzier­t. Nora Laufer

 ?? Foto: Imago ?? Peter Hartz ist Namensgebe­r des deutschen Arbeitslos­engeldes.
Foto: Imago Peter Hartz ist Namensgebe­r des deutschen Arbeitslos­engeldes.

Newspapers in German

Newspapers from Austria