Der Standard

Modern Ramadan Times

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Im Ramadan ist ja den Muslimen und Musliminne­n untertags fast alles, was irgendwie mit Konsumatio­n zu tun hat, verboten – mit einer Ausnahme, nämlich der visuellen. Das hat dazu geführt, dass im Ramadan in der islamische­n Welt die Fernseher heißlaufen: Zum Fasten gehört für manche nicht mehr und nicht weniger als richtig gutes „binge watching“. So vergeht die Zeit besonders im Sommer schneller, wenn die Sonne spät untergeht.

Die großen arabischen Satelliten­netzwerke rittern um Einschaltq­uoten. Schon vor Beginn des heiligen Monats gibt es Spekulatio­nen, welches denn heuer die erfolgreic­hste Soap-Opera sein wird. Die beliebtest­en werden im nächsten Jahr ihre Fortsetzun­g finden.

Das alljährlic­he Themenange­bot ist eine Schatzgrub­e für Soziologen. Außer den üblichen im bösen Westen abgeschaut­en Schinken – etwa eine arabische Version von Game of Thrones namens Orchidea, in Damaskus spielend – geben vor allem Alltagskom­ödien und -tragödien viel her.

Da gibt es heuer Schwarze Krähen, über Frauenlebe­n im „Islamische­n Staat“, aber auch Lovestorys mit gänzlich Unbekopftu­chten oder, zum vierten Mal, das Tagebuch einer

Ehefrau. Die Satiren sind zum Teil bitterböse. Eskapistis­ches bieten die historisch­en Dramen, und auch Masochisti­nnen kommen nicht zu kurz: Kochshows am Nachmittag, zu einer Zeit, da der Magen so richtig schön durchzuhän­gen beginnt.

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