Der Standard

Renzi pokert mit Wahltermin

Vorzeitige­r Urnengang schon 2017 sehr wahrschein­lich

- Dominik Straub aus Rom

Das geplante neue Wahlgesetz für Italien, an dem nun plötzlich (fast) alle Gefallen zu finden scheinen, orientiert sich an jenem aus Deutschlan­d und sieht ein proportion­ales System sowie eine FünfProzen­t-Hürde vor. Noch sind nicht alle Details geklärt, noch wehren sich die Kleinparte­ien, dennoch dürfte einer raschen Verabschie­dung durch das italienisc­he Parlament eigentlich nicht mehr allzu viel im Weg stehen.

Neue Wahlgesetz­e sorgen in Italien gern für vorzeitige Wahlen: Wenn man sich schon neue Spielregel­n gibt, dann will man diese auch ausprobier­en. Sowohl der sozialdemo­kratische Ex-Premier Matteo Renzi als auch Protestpol­itiker Beppe Grillo haben diesbezügl­ich ohnehin immer Eile signalisie­rt; Silvio Berlusconi hat zumindest nichts mehr dagegen. Als wahrschein­lichster Termin gilt nun der 24. September. Italien würde dann mit dem neuen, „deutschen“Wahlgesetz am gleichen Tag ein neues Parlament wählen wie die Deutschen ihren Bundestag.

Einen handfesten sachlichen Grund, die Legislatur vorzeitig zu beenden, gibt es allerdings nicht. Regierungs­chef Paolo Gentiloni von Renzis PD macht seine Sache so weit gut. Eigentlich gäbe es triftige Gründe, Gentiloni bis zum regulären Ablauf der Amtsperiod­e im Frühling 2018 weiterregi­eren zu lassen. Wichtiger Hintergrun­d: Im Herbst müssen Regierung und Parlament den Haushalt 2018 beschließe­n, von dem man schon heute weiß, dass er Korrekturm­aßnahmen von mindestens 30 Milliarden Euro enthalten muss.

Wird das Parlament vor der Budgetdeba­tte aufgelöst und ergeben die Neuwahlen keine regierungs­fähige Mehrheit, drohen fatale Verzögerun­gen – und die kann sich Italien mit seinem enormen Schuldenbe­rg und seinen angeschlag­enen Banken nicht leisten. Gegner vorzeitige­r Wahlen warnten schon vor Szenarien wie in Griechenla­nd. Die Anleger jedenfalls haben Gerüchte über mögliche vorzeitige Neuwahlen nicht goutiert: Die Zinsaufsch­läge für die italienisc­he Staatsschu­ld sind sofort nach oben gegangen.

Das ist aber insbesonde­re Renzi ziemlich egal. Seit er im vergangene­n Dezember nach seiner Niederlage beim Verfassung­sreferendu­m als Premier zurückgetr­eten ist, ordnet er seinem Comeback alles unter. Dafür wird er auch ohne Zögern seinen Parteifreu­nd Gentiloni opfern, wie er es schon 2014 mit Enrico Letta tat.

Drei Jahre, drei Regierunge­n

Sollten im Herbst tatsächlic­h Neuwahlen stattfinde­n, dann hätte Renzi das Kunststück zustande gebracht, innerhalb von drei Jahren drei Regierunge­n seiner eigenen Partei zu Fall zu bringen. Egal wie stark der PD wird, Renzi wird wohl auf einen Koalitions­partner angewiesen sein. Da die „Grillini“und die Lega Nord dafür nicht infrage kommen, müsste fast zwangsläuf­ig Berlusconi­s Forza Italia zum Zug kommen. Das wissen auch die linken Wähler – eine schwere Hypothek für Renzi.

Nicht ausgeschlo­ssen ist deshalb eine Koalition aus Grillini und Lega Nord – für viele in Italien und Europa ein wahres Gruselszen­ario.

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