Der Standard

„Fake“, sagt der Scheich zum Emir Glaubt man den saudisch gesteuerte­n Medien, ist der Emir von Katar dabei, sich mit dem Iran gegen die Araber zu verschwöre­n. Katar schreit „Fake-News“– und verbreitet seine eigenen Geschichte­n über den saudischen Königsso

- Gudrun Harrer

Doha/Wien – „Fake!“Das ist das neue wichtige Wort im politische­n Vokabular – und auf der arabischen Seite des Persischen Golfs hört es sich fast schon wie ein Kriegsschr­ei an. Zwischen dem kleinen und reichen Emirat Katar und dem mächtigen saudischen Medienorbi­t tobt ein für Beobachter nicht unamüsante­r, weil oft ins Absurde abgleitend­er Konflikt, der jedoch einen beinharten politische­n Hintergrun­d hat. Manche sehen gar Putschiste­n in den katarische­n Kulissen lauern.

Was nun Wahrheit oder Lüge ist, wer wann was gesagt und wie es begonnen hat, ist nicht mehr leicht rekonstrui­erbar. Die Eskalation kam jedenfalls, als gleich nach dem Bling-Bling-Besuch von US-Präsident Donald Trump in Saudi-Arabien Bemerkunge­n des katarische­n Emirs Tamim bin Hamad Al Thani verbreitet wurden – und zwar von der katarische­n Nachrichte­nagentur –, in denen er so ziemlich allen Inhalten des großen Trump-Gipfels in Riad widersprac­h: Vor allem sagte er, dass er gegen die Verschlech­terung der Beziehunge­n zum Iran sei. Und im Twitterfee­d der Nachrichte­nagentur hieß es dann auch noch, Katar werde seine Botschafte­r aus Ägypten und einigen anderen Golfstaate­n abziehen.

Das klang zwar wirklich etwas „fishy“, aber die Medien in SaudiArabi­en und in den Vereinigte­n Arabischen Emiraten (VAE) griffen es gern auf – und akzeptiert­en auch eine katarische Erklärung nicht, das seien Fake-News, die Nachrichte­nagentur sei gehackt worden.

Geheimtref­fen mit Iranern

Der in Doha beheimatet­e TVSender Al Jazeera wurde in Ägypten, Saudi-Arabien, den Emiraten und Bahrain lahmgelegt. Dort hören und sehen die Medienkons­umenten jetzt täglich neue Horrormeld­ungen über die katarischi­ranische Verschwöru­ng gegen die Araber. Etwa dass der katarische Außenminis­ter soeben in Bagdad mit dem iranischen General Ghassem Soleimani zusammenge­troffen sei, Thema des Treffens, wie Katar gegen die Beschlüsse des Gipfels von Riad arbeiten könne.

Katar fällt auf den Kopf, dass es stets eigene, von Saudi-Arabien unabhängig­e politische Wege gehen wollte. Besonders beim Thema Muslimbrüd­er gab es andere – durchaus fragwürdig­e – Ansätze im Emirat, das sich genauso wie Saudi-Arabien ja eigentlich zum salafistis­ch-wahhabitis­chen Islam bekennt. In Al Jazeera ist etwa der aus Ägypten stammende Prediger Yussuf Qaradawi groß geworden, in Doha fand die HamasSpitz­e Aufnahme, als sie Syrien verlassen musste; und dort ist auch im Vorjahr der syrische Muslimbrud­er Mohammed Surur gestorben.

Er war ein in konservati­ven Kreisen verehrter Mann, der aber jetzt der einzig Schuldige sein soll, dass der „friedliche“Salafismus mit der revolution­ären Muslimbrüd­er-Ideologie infiziert wurde. Die Kataris sind „Sururisten“, wettern die saudisch-beeinfluss­ten Medien. Und dass die politische Schia des Iran viel von den Muslimbrüd­ern übernommen hat, weiß ohnehin jedes Kind.

In Katar hat 2016 auch die Türkei einen Marinestüt­zpunkt eröffnet – manche glauben, dass der Emir die Türken auch als Schutzmach­t gegen aus Saudi-Arabien geschickte Putschiste­n ansieht. Präsident Tayyip Erdogan fehlte übrigens beim Gipfel in Riad.

Mit Katar trifft es natürlich keine Unschuldse­ngel. Im Vorfeld der Trump-Reise nach Saudi-Arabien war in katarisch gelenkten Medien, wie dem im Westen stark konsumiert­en Middle East Eye, die Negativber­ichterstat­tung über den neuen starken Mann in Riad, Vizekronpr­inz Mohammed bin Salman Al Saud, sprunghaft angestiege­n. Im Tandem mit diesem wird der Kronprinz von Abu Dhabi und Vizechef der Streitkräf­te der Emirate (VAE), Mohammed bin Zayed Al Nahyan, angegriffe­n. Er und der emiratisch­e Botschafte­r Yousef al-Otaiba steuerten die neue golfarabis­che Politik in den Washington, heißt es.

Streit um Moscheenam­en

Die absurde Seite des Streits reflektier­t eine Nachricht auf AlArabiya: Die Familie Sheikh in Saudi-Arabien – die Nachfahren des Predigers Mohammed Ibn Abdulwahha­b, der im 18. Jahrhunder­t eine Allianz mit der Familie Saud schloss – veröffentl­ichte ein Statement, in dem sie die Umbenennun­g der Großen Moschee in Doha verlangt. Der Vater des jetzigen Emirs hatte sie gebaut und nach Ibn Abdulwahha­b benannt, den auch er, Hamad, als Vorfahre beanspruch­t. „Fake“schreien jetzt die ihrer Meinung nach einzigen Nachkommen!

 ??  ?? Die Große Moschee in Doha: Sie soll nicht mehr nach Mohammed Ibn Abdulwahha­b heißen, verlangen dessen Nachkommen in Saudi-Arabien.
Die Große Moschee in Doha: Sie soll nicht mehr nach Mohammed Ibn Abdulwahha­b heißen, verlangen dessen Nachkommen in Saudi-Arabien.

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