Der Standard

Nachspiel für Erdogans Prügeltürk­en

US-Kongress will Ermittlung­en wegen Angriffs auf regierungs­kritische Demonstran­ten

- Markus Bernath

Ankara/Athen – Immerhin haben sie dieses Mal nicht gleich zugeschlag­en: Sicherheit­sleute des türkischen Präsidente­n Tayyip Erdogan lösten lauten Unmut aus, als sie Zuhörer aus dem Saal drängten, um vor Erdogans Auftritt noch Spürhunde nach Sprengstof­f suchen zu lassen. Die neue Episode mit Erdogans Muskelmänn­ern in Schwarz ist nicht ohne Ironie. Schließlic­h lief sie im Fraktionss­aal seiner eigenen Partei im Parlament in Ankara ab, wo Tayyip Erdogan am Dienstag vor Abgeordnet­en und Gästen seine erste Rede seit seiner Rückkehr an die Spitze der AKP hielt.

Die Prügelei in Washington vor zwei Wochen ist von anderem Kaliber. Sie wird wohl strafrecht­liche Folgen nach sich ziehen und hat, wenn nicht die Beziehunge­n der türkischen Führung zum Weißen Haus, so doch Ankaras Verhältnis zum politische­n Establishm­ent auf dem Kapitol weiter be- lastet. Elf Personen, darunter ein Polizeibea­mter, wurden während Erdogans Besuch in Washington bei dem Angriff auf Demonstran­ten verletzt; neun mussten ins Spital. Videos zeigten auch einen prügelnden Erdogan-Anhänger mit blutversch­miertem Gesicht.

Doch die Vorwürfe richten sich gegen die bewaffnete­n Sicherheit­sleute des Präsidente­n. Zehn der 24 Angreifer vor der Residenz des türkischen Botschafte­rs in Washington waren Erdogans Männer in Schwarz, so ergab eine detaillier­te Auswertung der Videos durch die New York Times.

„Ideologie der Gewalt“

Der Auswärtige Ausschuss des Repräsenta­ntenhauses hielt vergangene Woche eine Anhörung zu diesem Vorfall ab. Republikan­er und Demokraten brachten danach eine Resolution ein, in der sie zum einen forderten, die Täter vor Gericht zu stellen. Zum anderen drückten sie grundsätzl­iche Kritik am autoritär regierende­n türki- schen Präsidente­n aus: „Der Angriff vergangene Woche (17. Mai, Anm.) gegen Demonstran­ten folgt einem ähnlichen Verhalten der Erdogan-Regierung und vermittelt die gefährlich­e Botschaft, dass diese Ideologie der Unterdrück­ung einen Platz unter den NatoStaate­n hat.“

Das US-Außenminis­terium bestellte den türkischen Botschafte­r ein, der möglicherw­eise persönlich Anweisung gab, auf die kurdischst­ämmigen US-Bürger loszugehen. Zumindest zwei der Angreifer sollen vergangene­n Mittwoch auch vor einem Richter erschienen sein. Ankara revanchier­te sich mit der Einbestell­ung des US-Botschafte­rs. Die amerikanis­chen Behörden hätten an jedem Punkt von Erdogans Besuchspro­gramm verabsäumt, ausreichen­de Vorsichtsm­aßnahmen zu ergreifen, hieß es in einer der harschen Mitteilung­en des Außenminis­teriums in Ankara. PKK-Sympathisa­nten hätten versucht, Erdogans Besuch zu stören.

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