Der Standard

Forschung am gleißenden Licht

Julia Thalmann schafft die Grundlagen für künftige Weltraumwe­tterprogno­sen

- Doris Griesser

Schickt das GPS wieder einmal jemanden in die Wüste, sucht man die Ursache eher bei der Software als im Weltraum. Dabei könnten auch Sonnenstür­me dahinterst­ecken: Immerhin gelangen durch die heftigen Strahlungs­ausbrüche der Sonne manchmal elektrisch geladene Partikel in den erdnahen Weltraum. Das kann elektronis­che Schaltkrei­se beeinfluss­en und zu Stromausfä­llen und Schlimmere­m führen. So leitete vor einigen Jahren der Autopilot eines schwedisch­en Flugzeugs während einer Sonnenerup­tion eine Landung über dem offenen Meer ein. Glückliche­rweise konnte der menschlich­e Pilot das Manöver damals noch rechtzeiti­g abbrechen.

Die Astrophysi­kerin Julia Thalmann von der Uni Graz beschäftig­t sich seit Jahren mit dem Magnetfeld der Sonne, das solche Sonnenstür­me beeinfluss­t. „Damit man Strahlungs­ausbrüche der Sonne untersuche­n kann, muss man das Magnetfeld in der Sonnenatmo­sphäre messen“, so die 36-jährige Forscherin, die für ihre Arbeit im April den Arne-RichterAwa­rd der European Geoscience­s Union erhielt. Da direkte Messungen des Koronamagn­etfelds kaum möglich sind, wird das Magnetfeld auf der Oberfläche der Sonne erfasst. Früher wurden Messungen von Beobachtun­gsstatione­n auf dem Boden geliefert.

Seit dem Start des Satelliten SDO (Solar Dynamics Observator­y) vor sechs Jahren beziehen Wissenscha­fter ihre Magnetfeld­daten direkt von dort. „Diese zeitlich und räumlich hochaufgel­östen Daten sind qualitativ hochwertig­er, da sie außerhalb der Erdatmosph­äre gesammelt werden“, so Thalmann. Mithilfe mathematis­cher Methoden errechnet sie aus den Daten dreidimens­ionale Modelle der Magnetfeld­er in der darüberlie­genden Korona.

Die Fachwelt verfolgt Thalmanns Arbeit mit Interesse, da sie zum besseren Verständni­s der Konsequenz­en von sonnenstur­mbedingten Schwankung­en im solaren Magnetfeld beiträgt.

„Unser Ziel ist es, diese Phänomene in Zukunft vorhersage­n zu können, damit man die Messgeräte schützen und Unfälle vermeiden kann“, so die Wissenscha­fterin. „Auch hinter den Prognosen für das Wetter auf der Erde, an die man sich längst gewöhnt hat, steckt jahrzehnte­lange Grundlagen­forschung. Mit der Sonne verhält es sich nicht anders.“

Die gebürtige Kärntnerin hat nach dem Besuch der Höheren Bundeslehr­anstalt für wirtschaft­liche Berufe in Spittal an der Drau an der Universitä­t Graz Physik mit Schwerpunk­t Astrophysi­k studiert. Der Weltraum fasziniert­e sie früh, und „weil ich mit Mathe und Physik wenig in Berührung gekommen bin, hatte ich gar keine Gelegenhei­t, eine Abneigung dagegen zu entwickeln“.

Ausgestatt­et mit viel Zähigkeit und Zielstrebi­gkeit habe sie mit der Zeit Freude daran gefunden. „Wenn ich etwas anfange, mache ich es auch fertig“, sagt Thalmann. „Und wenn ich eine Sache nicht verstehe, arbeite ich mich durch, bis es funkt. Das ist bei einem Studium wie Physik auch nötig.“

An der Entstehung ihres Weltraumfa­ibles hat auch ScienceFic­tion-Literatur einen Anteil: Anspruchsv­ollere Vertreter des Genres wie Stephen Baxter liest sie heute noch gern. Und wenn es ihre extraterre­strischen Ambitionen zulassen, ist sie ganz erdnah in den Kärntner Bergen unterwegs.

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Untersucht seit Jahren das Magnetfeld der Sone: Astrophysi­kerin Julia Thalmann.

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