Der Standard

Juncker: Vom Saulus zum Paulus gegen Steuerfluc­ht in EU

Kommission­schef Juncker weist im Panama-Ausschuss des EU-Parlaments alle Vorwürfe zurück, er habe als Premier in Luxemburg die Steuerfluc­ht aktiv befördert. Abgeordnet­e sind skeptisch, loben seine jüngsten EU-Initiative­n.

- Thomas Mayer aus Brüssel

Vorwürfe, dass er in seinen 19 Jahren als Premiermin­ister von Luxemburg allen möglichen Modellen der Steuerfluc­ht und -begünstigu­ng wissentlic­h Vorschub geleistet habe, begleiten Jean-Claude Juncker seit Jahren. Anfang November 2014 war er als Kommission­spräsident kaum eine Woche im Amt, sorgten Enthüllung­en von (legalen) „Steuerdeal­s“großer Konzerne in seinem Heimatland EU-weit für Empörung.

Über Briefkaste­nfirmen konnten sich durch Verschiebu­ng von Gewinnen zwischen EU-Staaten Konzerne Milliarden an Steuern ersparen. „Luxleaks“, wie die von Journalist­en aufgedeckt­e Praxis betitelt wurde, brachte Juncker in die Defensive. „Pate der Steuerhint­erzieher“wurde er genannt. Er bestritt persönlich­e Involvie- rung in solche „tax rules“: Steuervere­inbarungen würden in Luxemburg von der Administra­tion gemacht, war sein Argument im vom EU-Parlament eingericht­eten Untersuchu­ngsausschu­ss. Tatsächlic­h wurde ihm kein Fehlverhal­ten nachgewies­en.

Auf Luxleaks folgten weitere Enthüllung­swellen, so auch über die Flucht tausender EU-Bürger in Steueroase­n wie Panama, belegt mit Dokumenten von Whistleblo­wern. Auch das untersucht­e das EU-Parlament. Und wieder tauchte Luxemburg, so wie mehr als ein Dutzend anderer EU-Länder, darunter Österreich und Belgien, als tatkräftig­e Unterstütz­er von Steuerverm­eidung auf.

Aus einer anderen Zeit

Am Dienstag war Juncker im Panama-Ausschuss wieder als Zeuge vorgeladen. Anders als viele Banken und Konzernche­fs, mit denen die EU-Abgeordnet­en gern Dinge abgeklärt hätten, kam er auch – für 90 Minuten. Im Vorfeld waren schwere Vorwürfe laut geworden. Die Grünen haben eigens eine Studie erstellen lassen mit dem Ergebnis, dass Juncker durch Obstruktio­n bei der EU-Zinsrichtl­inie seit 2002 den Partnern in Europa einen Riesenscha­den verursacht habe. Weil sein Land (so wie Österreich) durch Beharren auf die Quellenste­uer den Informatio­nsaustausc­h zwischen Finanzbehö­rden blockierte, seien allein Deutschlan­d 177 Millionen Euro an Steuern entgangen – von Deutschen, die ihr Geld nach Luxemburg brachten. „Die Bürger erwarten, dass dafür jemand die politische Verantwort­ung übernimmt“, hielt der Grüne Sven Giegold Juncker entgegen. Er ist der schärfste Kritiker im Ausschuss, wenngleich er ihm konzediert­e, dass die Kommission seit 2014 viele Initiative­n gegen Steuerverm­eidung gesetzt habe: „Sie sind vom Saulus zum Paulus geworden“, bemerkte Giegold. Der Kommission­spräsident weist die Anwürfe kategorisc­h zurück. Was die Quellenste­uer betrifft, sagt er, habe man „damals in einer anderen Welt gelebt“. Auch Wissenscha­fter hätten die Position vertreten, dass die Endbesteue­rung von Kapitalert­rägen effiziente­r sei als grenzübers­chreitende­r Informatio­nsaustausc­h.

Juncker wiederholt auch seine Verteidigu­ng im Luxleaks-Ausschuss, dass ein luxemburgi­scher Finanzmini­ster gar keinen Einblick in Steuerakte­n von Bürgern haben dürfe – „anders als in anderen Ländern“. Und er beginnt, eine ganze Liste von Vorschläge­n und Richtlinie­n „seiner“Kommission seit 2014 vorzutrage­n: bezüglich mehr Transparen­z, Steuerdate­naustausch­s, Bankenunio­n, Steuerbeme­ssung von Großuntern­ehmen etc. „Messen Sie meine Verantwort­ung nicht am Mist der Mitgliedss­taaten“, sagt er. Er habe gelernt, trete für Steuerwett­bewerb zwischen den Ländern ein, „aber für einen fairen Wettbewerb“.

Je länger der Kommission­schef „verhört“wird, desto schwächer werden Angriffe. Louis Michel, ein liberaler Belgier, lobt ihn am Ende: Im Vergleich zur Kommission von Vorgänger José Manuel Barroso habe Juncker „Kolossales“gegen Steuerfluc­ht geleistet.

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Jean-Claude Juncker wollte im Ausschuss nicht „in den Mist der Mitgliedss­taaten“in der Vergangenh­eit blicken, sondern jetzt auf EU-Ebene für einen geregelten und „fairen Wettbewerb bei Steuern“sorgen.

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