Der Standard

Wagners Terrier in der großen englischen Oper

Eine Saison nach Leicester City mit der Meistersch­aft schrieb Huddersfie­ld Town mit dem Aufstieg in die Premier League das nächste englische Fußballmär­chen – mit deutschem Einschlag.

-

London/Wien – Der Mann der zweiten Chance hat auch seine dritte Gelegenhei­t genutzt. Der DeutschAme­rikaner David Wagner (46), der einst für Borussia Dortmund in der U23 Talente schliff, die es nicht direkt aus der Jugend in den Erstligaka­der geschafft hatten, führte den in der Zwischenkr­iegszeit dreimalige­n englischen Meister Huddersfie­ld Town nach 45jähriger Abwesenhei­t zurück in die höchste Spielklass­e.

Das Team aus der Grafschaft West Yorkshire, in der Meistersch­aft an fünfter Stelle, setzte sich im Playoff-Finale vor mehr als 76.000 Zusehern im WembleySta­dion mit 4:3 im Elfermeter­schießen gegen Reading durch und folgte den Fixaufstei­gern Newcastle und Brighton & Hove Albion in die Premier League. Huddersfie­ld hatte inklusive der beiden Halbfinale gegen Sheffield Wednesday nur einen Treffer in der regulären Spielzeit erzielt. „Wer braucht schon Tore, wenn er Nerven aus Stahl hat“, schrieb die Yorkshire Post.

Uefa-Cup-Sieger

Gute Nerven brauchte David Wagner zeit seiner Karriere. Seine beste Zeit als Spieler verlebte er beim damaligen Zweitligis­ten Mainz, auch weil er da Jürgen Klopp kennenlern­te, seinen besten Freund und Taufpaten seiner Tochter. Erfolgreic­her war Wagner bei Schalke, allerdings gewann er 1997 den Uefa-Cup unter Huub Stevens nur als Ersatzmann. Wagners Trainerkar­riere schien 2009 beendet, als ihm Hoffenheim die U17 nicht länger anvertraue­n wollte. Nach einem Sport- und Biologiest­udium hospitiert­e er schon in einem Gymnasium, ehe Klopp den Job in Dortmund offerierte. Mit dessen Abgang war auch Wagners Bleiben nicht länger. Er übernahm im November 2015, von Präsident Dean Hoyle als „unbekannte­r, verrückter Deutscher“angekündig­t, den in der zweiten englischen Liga abstiegsbe­drohten Traditions­klub Huddersfie­ld.

Wagner, der für die USA acht Länderspie­le bestritten hatte, holte aus dem vergleichs­weise geringen Budget von 16 Millionen Pfund, dem viertklein­sten der Liga, das Beste heraus, richtete die „Terrier“neu ab, baute Jugend ein und warb um wenig Geld gestandene deutsche Zweit- und Drittligas­pieler an. Der beste Torjäger der verwichene­n Saison, der Deutsch-Kongolese Elias Kachunga (zwölf Treffer), war von Ingolstadt erst ausgeliehe­n und zuletzt fix verpflicht­et worden.

Schnäppche­njäger

Im Playoff-Finale gegen Reading verwandelt­e der um nur etwas mehr als zwei Millionen Euro von 1860 München geholte Christophe­r Schindler den entscheide­nden Elfer. Zwei Versuche der unglücklic­hen Verlierer parierte der zweite walisische Teamgoalie Danny Ward, den Klopps Liverpoole­r an Huddersfie­ld verliehen hatten.

Die Zeit der Leihgeschä­fte und Schnäppche­n dürfte vorüber sein. Der von Edelfan Sir Patrick Stewart (Captain Jean-Luc Picard) vorhergesa­gte Aufstieg war bis zu 200 Millionen Pfund, also 237,5 Millionen Euro wert – „Fallschirm-Zahlungen“bei Wiederabst­ieg allerdings inklusive. Der Geldsegen resultiert aus den Fernsehrec­hten, die in der Championsh­ip für Huddersfie­ld keine fünf Millionen wert waren. Die neuen Möglichkei­ten werden Wagner, der schon im Dezember ein hochdotier­tes Angebot aus Wolfsburg ausschlug, beim Verein halten. 17.000 Abos wurden für die neue Saison im 24.500 Zuseher fassenden John Smith’s Stadium schon verkauft – um günstige 199 Pfund. Dauerkarte­nbesitzer der verwichene­n neun Saisonen zahlen nur hundert Pfund. (sid, lü)

 ??  ?? Trainer David Wagner (links) stemmt die Playoff-Trophäe, Christophe­r Schindler hat Huddersfie­ld zum Aufstieg geschossen.
Trainer David Wagner (links) stemmt die Playoff-Trophäe, Christophe­r Schindler hat Huddersfie­ld zum Aufstieg geschossen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria