Der Standard

Volksversa­mmlung der Festwochen- Gäste

Schauspiel­haus: Robert Misik fordert das Publikum auf, über Demokratie zu reden

- Margarete Affenzelle­r

Wien – In der Demokratie entscheide­n alle, Wölfe wie Schafe, was es abends zu essen gibt, und es gibt dann immer Schaf. Gewitzt leiten drei Schauspiel­er (Simon Bauer, Steffen Link und Vassilissa Reznikoff) den vom Autor und Journalist­en Robert Misik gemeinsam mit Regisseur Milo Rau konzipiert­en Diskussion­sabend Agora im Schauspiel­haus ein. Was ist die Demokratie wert? Fühlen wir uns von der Politik gut genug vertreten? Und ist das Volk wirklich so dumm wie 100 Hektar Mischwald?

Es ging bei der Auftaktver­anstaltung am Montag recht gesittet zur Sache. Wer etwas sagen wollte, stellte sich in einem seitlich aufgemalte­n Kreidekrei­s in Warteposit­ion, dazwischen moderierte­n Misik wie der als Coach geladene Psychiater und Psychoanal­ytiker August Ruhs die Statements von allen Seiten. Expolitike­r und PRBerater Stefan Petzner ist als Spindoctor ebenfalls an allen Abenden zugegen.

Zum Einstieg zeichnete der deutsche Historiker Philipp Blom einen beunruhige­nd ausscheren­den Vektor auf den Bühnenbode­n, an dem der CO -Anstieg „der letzten 400.000 Jahre“ablesbar wurde; dieser soll um 1950 horrend zugenommen haben. Blom brachte diesen Raubbau an den irdischen Ressourcen mit der Entwicklun­g der Demokratie in Verbindung, die sich zur Befriedung und Wohlstands­sicherung in der Nachkriegs­zeit entwickelt habe. Eine Rednerin erhob Einspruch, dass es in der Türkei bereits 1923 (Kemal Atatürk) demokratis­che Errungensc­haften gab.

Zu Gast: Chantal Mouffe

An drei Seiten der Bühne sitzt das Publikum, welches aufgerufen ist, in die Mitte zu treten und an einem Stehpult das Wort zu ergreifen. Auf dem Podium nehmen die Gäste Platz, am Montag Chantal Mouffe (belgische Politikwis­senschafte­rin), Möstafa Noori (nach Österreich geflüchtet­er Afghane) und Claus Pándi (Journalist). An den folgenden sechs Ter- minen werden etwa Ingrid Felipe (Bundesspre­cherin der Grünen), Andreas Rabl (Bürgermeis­ter Wels, FPÖ), AMS-Chef Johannes Kopf und die Journalist­in Livia Klingl erwartet.

Viele Frauen meldeten sich zu Wort, um u. a. die Chimären der Demokratie anzuprange­rn („Ist doch nur eine Show! In Wahrheit leben wir unter einer Herrschaft der Reichen!“) oder das Fehlen einer „Ermutigung­skultur“zu beklagen. Ein pessimisti­scher Sprecher prophezeit­e, dass unsere Demokratie spätestens dann einstürzen wird, wenn – mit Verweis auf Bloms Klimavekto­r – „Bangladesc­h unter Wasser steht“und Millionen nach Europa fliehen.

Ein klares Statement legte der 20-jährige Möstafa Noori ab: Die Schlagzeil­en der Hetzpresse lenkten seiner Ansicht nach die Meinungen im Land und bestimmten so den Alltag von Flüchtling­en.

Als Meinungsau­stausch bei gutem Benehmen und Konzentrat­ion aufs Wesentlich­e war diese Agora mehr als ein anregender analoger Facebook-Ersatz.

 ?? Foto: Luca Fuchs ?? „Ich will das Establishm­ent im Staub liegen sehen!“– Drei Schauspiel­er leiten in den Diskussion­sabend „Agora“im Schauspiel­haus Wien ein. Dort wird der Demokratie auf den Zahn gefühlt: „Selbst Establishm­ent!“.
Foto: Luca Fuchs „Ich will das Establishm­ent im Staub liegen sehen!“– Drei Schauspiel­er leiten in den Diskussion­sabend „Agora“im Schauspiel­haus Wien ein. Dort wird der Demokratie auf den Zahn gefühlt: „Selbst Establishm­ent!“.

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