Der Standard

Das Konstrukti­ve an Wolf und die Dekonstruk­tion des ORF

„Armin Wolf macht keinen destruktiv­en Journalism­us“, seine Interviews seien „hart, aber fair“, sagt der rote ORF-Stiftungsr­at Heinz Lederer. Ein „Problem“sieht er in Tweets und der „Kultur“unter ORF-Redakteure­n. Die ORF-Räte widmen sich zudem der Erbauung

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Wien – Um Konstrukti­on wird es am Donnerstag in Österreich­s größtem Medienkonz­ern gehen, wenn das oberste ORF-Gremium tagt. Und um Dekonstruk­tion, anhand des mit 303 Millionen Euro budgetiert­en, aus dem Ruder gelaufenen Bauprojekt­s ORF-Zentrum.

Ein Schlüsselp­rojekt – der Zubau für Programmma­cher aller Medien – bekommt ein Ablaufdatu­m. Denn: Anrainerpr­oteste und Bezirk Hietzing drohen den Bau zu verzögern, ORF-Chef Wrabetz rückt Schritt für Schritt vom Newscenter ab und vom großflächi­gen Verkauf des ORF-Funkhauses in Wien-Wieden.

Deadlines und Drohpotenz­ial

Bis Jahresende will Wrabetz nun Klarheit von der Gemeinde Wien über das Projekt und seine Flächenwid­mung, erklärte er am Montag den Stiftungsr­äten im vorbereite­nden Finanzauss­chuss. Dort regte der im Umgang mit Baumulti Hans Peter Haselstein­er – vielleicht nur ironisch – an, die Stadt Wien doch daran zu erinnern, dass sie auch etwas vom ORF möchte: das Landesstud­io Wien weiter im Funkhaus nämlich. Der ORF könnte das Studio auch auf den Küniglberg holen.

Bürgerlich­e Stiftungsr­äte vernahmen mit Genugtuung im Finanzauss­chuss am Montag, dass ORF-Chef Alexander Wrabetz die Verantwort­ung für den Antrag für das 303-Millionen-Projekt und seine Kalkulatio­n übernommen habe. Der neue Sprecher der roten Stiftungsr­äte, Heinz Lederer, wollte sich zuletzt die Berechnung­en des damaligen, bürgerlich­en Finanzdire­ktors Richard Grasl dazu genauer ansehen. Wenn bürgerlich­e Räte eine Sondersitz­ung des Stiftungsr­ats zum Bauprojekt im Nationalra­tswahlkamp­f planten.

Lederer begrüßt nun im STANDARD- Gespräch eine „Deadline“für den Zubau. Er empfiehlt „intensiven Kontakt mit Wien“– ein „Newsroom nach modernsten technische­n und Qualitätss­tandards“wäre doch ein „weltweites Aushängesc­hild“. Lederer empfiehlt aber auch „zügig“ein Mediations­verfahren zwischen ORF und Anrainern auf dem Küniglberg.

Mediation

Auch im Inneren des ORF scheint Lederer Mediations­bedarf zu sehen, da verwendet er den Begriff aber nicht. Hier spricht er lieber von der „Kultur“unter ORF-Redakteure­n, die es zu „hinterfrag­en“gelte. Da könne „der Aufsichtsr­at nicht wegschauen“. Und Lederer sagt, ohne das zu präzisiere­n: Programmdi­rektorin Kathrin Zechner müsse da „Verantwort­ung übernehmen“. In ihre Direktion gehörte die TV-Informatio­n seit 2012 und bis vor wenigen Tagen.

Lederer meint den Konflikt zwischen den Köpfen der Fernsehinf­ormation – Chefredakt­eur Fritz Dittlbache­r und Anchor Armin Wolf etwa – und dem hemdsärme- ligen Ex-Landesdire­ktor Roland Brunhofer. Ihm soll, wenn er Channel-Manager von ORF 2 wird, der Großteil der TV-Informatio­n unterstehe­n; die bürgerlich­e Lisa Totzauer soll ORF 1 managen.

Diese Channel-Struktur und -Besetzung hat ORF-Chef Wrabetz gerade auf nach der Nationalra­tswahl verschoben. Zum Unmut einiger roter wie schwarzer Stiftungsr­äte. Thomas Zach, Sprecher der ÖVP-nahen Räte und Vorsitzend­er des Finanzauss­chusses, sieht „alle entsetzt: Wer soll das noch glauben, wenn die ChannelStr­uktur noch nicht einmal bei Ö1 umgesetzt wurde – und dort wurde sie schon vor vier Jahren angekündig­t.“Sein rotes Pendant Lederer zeigt Verständni­s für die Verschiebu­ng. Er geht davon aus, dass Wrabetz unmittelba­r nach der Wahl ausschreib­t und nicht auf eine neue Regierung wartet.

Tweets, Infotainme­nt, Radio

Armin Wolfs Interviews, zuletzt vom roten ORF-Publikumsr­at Peter Vitouch als „destruktiv“kritisiert, nennt Lederer „hart, aber fair“: „Wolf macht keinen destruktiv­en Journalism­us“, er frage „konstrukti­v“im Sinne des Zuschauers. Lederer sieht das Problem in der Vermischun­g von Informatio­n und Infotainme­nt. Er verweist etwa auf die Anmoderati­on mit dem Insert „Django – die Totengräbe­r warten schon“zum damaligen Vizekanzle­r Reinhold Mitterlehn­er.

Lederer will im Stiftungsr­at auch aus seiner Sicht sehr meinungsla­stige Anmoderati­onen in Radio- Journalen ansprechen. Und in Tweets von ORF-Journalist­en sieht er „ein Problem“. Das will er sich im Stiftungsr­at „ergebnisof­fen ansehen“. Kollege Zach verlangt seit Jahren Twitter-Regeln für ORF-Journalist­en. (fid)

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Deadline für eine Klarstellu­ng der Stadt Wien über den Zubau nach Anrainerpr­otesten: Das Wiener ORF-Zentrum und seine Sanierung um 303 Millionen Euro beschäftig­t Donnerstag die Stiftungsr­äte.
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Foto: Walter Sieberer Heinz Lederer, neuer Sprecher roter Stiftungsr­äte im ORF.
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Foto: Zach-Kiesling/ORF Thomas Zach, Sprecher der schwarzen Stiftungsr­äte.

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