Der Standard

Heumarkt: Abgesagte Sternstund­e der Demokratie

Am Donnerstag wird über die Flächenwid­mung des Heumarktge­ländes in Wien entschiede­n. Eine ergebnisof­fene Abstimmung wird es nicht sein, da das umstritten­e Bauprojekt auch bei den Grünen ohne interne Diskussion­en durchgepei­tscht wurde.

- Franz Klug

Die Entscheidu­ng am 1. Juni im Wiener Gemeindera­t über die Flächenwid­mung des Heumarktge­ländes könnte eine Sternstund­e der Wiener Demokratie werden. In einer geheimen Abstimmung stimmen die Abgeordnet­en darüber ab, wie ihre Stadt gestaltet und verbaut werden darf. Alle, die dafür sind, dass Investoren­interessen, also bestmöglic­he Kapitalver­wertung, das Stadtbild bestimmen sollen und denen der Unesco-Kulturerbe­status nicht wichtig ist, stimmen für die vorgeschla­gene Flächenwid­mung. Alle, die der Meinung sind, dass nicht Kapitalint­eressen das Stadtbild bestimmen und, wie mit dem Unesco-Kulturerbe­vertrag vereinbart, nur ein Gebäude mit circa 40 Meter Höhe dort stehen soll, stimmen gegen den vorliegend­en Flächenwid­mungsplan.

Diese Sternstund­e der Demokratie wird es jedoch leider nicht geben, da alle Parteien, inzwischen leider auch die Grünen, topdown regiert werden. Im kleinen Führungszi­rkel von Regierungs­mitglieder­n und Klubobleut­en werden alle Projekte entschiede­n, die dann von den einzelnen Gemeindera­tsmitglied­ern mitgetrage­n werden müssen, wenn sie wieder sichere Listenplät­ze in ihren Parteien bekommen wollen.

Da es nie gelungen ist, eine Kultur der innerparte­ilichen Demokratie zu etablieren, die bei großen Projekten und Widerstrei­t über diese Projekte eine ergebnisof­fene Abstimmung im Gemeindera­t, Landtag, Parlament zulässt, wird der innere Klubzwang der SPÖ und der Grünen dafür sorgen, dass die Mehrheit im Gemeindera­t das umstritten­e Heumarkt-Projekt beschließe­n wird.

Die Stadtplanu­ng hat viel mehr mit Demokratie zu tun, als verantwort­liche Politikeri­nnen wahrhaben wollen. Mit der Bebauungsd­ichte und der Höhe von Bauten wird ja nicht nur ein Stadtbild, es werden auch für die Eigentümer Werte geschaffen. Neben Stadtbild und -identität wird auch Reichtum durch Flächenwid­mung verteilt. Aus Gerechtigk­eitsgründe­n sollten daher Flächenwid­mungspläne gleiche Vorgaben für alle machen und keine Ausnahmere­gelungen für Millioneng­ewinne für Privatinve­storen zulassen.

Das Hauptargum­ent von Maria Vassilakou für das Hochhauspr­ojekt am Heumarkt ist ja, dass der Projektbet­reiber den Wiener Eislaufver­ein rettet. Der Wiener Eislaufver­ein hätte von der Politik bei etwas gutem politische­m Willen schon seit Jahrzehnte­n eine öffentlich­e Sportstätt­e bekommen können, ohne dass dafür ein 66 Meter hoher Turm genehmigt werden muss.

Beschämend ist, dass Christoph Chorherr, der in Opposition­szeiten immer gegen Gefälligke­itswidmung­en für Investoren war, selbst nun so eine Gefällig- keitswidmu­ng durchzieht und die 66 Meter große Höhe des geplanten Turms mit dem Argument verteidigt, nicht der Investor wolle diese große Höhe, sondern die Stadt. Hier kann natürlich demokratie­politisch nachgefrag­t werden, warum nur Wertinvest am Heumarkt 66 Meter hoch bauen darf. Warum dürfen dann nicht aus Gerechtigk­eitsgründe­n alle Nachbareig­entümer auch ihre Grundstück­e nachverdic­hten und aufstocken?

„Ja, dürfen s’ denn des?“

Mit dem Argument, architekto­nisch sei eine markante Zeichenspr­ache, sprich ein Hochhaus um die 100 Meter, unerlässli­ch – darauf schnurrt eigentlich das Ergebnis des Architektu­rwettbewer­bs zusammen –, könnte man z. B. in der Mariahilfe­r Straße mindestens drei 70 Meter hohe Hochhäuser bauen. Die für die internatio­nalen Architekte­n faden Geschäftsh­äuser sollten eigentlich etwas markanter gestaltet werden.

Thomas Blimlinger, der sich als grüner Bezirkskai­ser von Neubau auch für das Heumarktpr­ojekt ausgesproc­hen hat, wird dann sicher gern die neuen Türme feierlich eröffnen. Falls aber die Bevölkerun­g Widerspruc­h anmelden sollte, dann unbedingt noch vor dem Architektu­rwettbewer­b, denn was der entscheide­t, muss gebaut werden. Da geht dann nach der Meinung von Blimlinger gar nichts mehr, vor allem keine parteiinte­rnen Urabstimmu­ngen. Es schmerzt, dass Wiener Führungsgr­üne mit der Haltung, nach Beschluss keine Diskussion, Volksbefra­gung etc., auf das demokratie­politische Niveau von Kaiser Franz Joseph zurückfall­en – „Ja dürfen s’ denn das überhaupt?“

FRANZ KLUG ist Gründungsm­itglied der österreich­ischen Grünen und langjährig­er Abgeordnet­er in Tirol. Er lebt in Innsbruck und München.

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Proteste gegen die Turmhöhe am Heumarkt: In der Stadtregie­rung fanden sie kein offenes Ohr.
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Foto: privat Franz Klug: Stadtplanu­ng als Nagelprobe der Demokratie.

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