Heumarkt: Abgesagte Sternstunde der Demokratie
Am Donnerstag wird über die Flächenwidmung des Heumarktgeländes in Wien entschieden. Eine ergebnisoffene Abstimmung wird es nicht sein, da das umstrittene Bauprojekt auch bei den Grünen ohne interne Diskussionen durchgepeitscht wurde.
Die Entscheidung am 1. Juni im Wiener Gemeinderat über die Flächenwidmung des Heumarktgeländes könnte eine Sternstunde der Wiener Demokratie werden. In einer geheimen Abstimmung stimmen die Abgeordneten darüber ab, wie ihre Stadt gestaltet und verbaut werden darf. Alle, die dafür sind, dass Investoreninteressen, also bestmögliche Kapitalverwertung, das Stadtbild bestimmen sollen und denen der Unesco-Kulturerbestatus nicht wichtig ist, stimmen für die vorgeschlagene Flächenwidmung. Alle, die der Meinung sind, dass nicht Kapitalinteressen das Stadtbild bestimmen und, wie mit dem Unesco-Kulturerbevertrag vereinbart, nur ein Gebäude mit circa 40 Meter Höhe dort stehen soll, stimmen gegen den vorliegenden Flächenwidmungsplan.
Diese Sternstunde der Demokratie wird es jedoch leider nicht geben, da alle Parteien, inzwischen leider auch die Grünen, topdown regiert werden. Im kleinen Führungszirkel von Regierungsmitgliedern und Klubobleuten werden alle Projekte entschieden, die dann von den einzelnen Gemeinderatsmitgliedern mitgetragen werden müssen, wenn sie wieder sichere Listenplätze in ihren Parteien bekommen wollen.
Da es nie gelungen ist, eine Kultur der innerparteilichen Demokratie zu etablieren, die bei großen Projekten und Widerstreit über diese Projekte eine ergebnisoffene Abstimmung im Gemeinderat, Landtag, Parlament zulässt, wird der innere Klubzwang der SPÖ und der Grünen dafür sorgen, dass die Mehrheit im Gemeinderat das umstrittene Heumarkt-Projekt beschließen wird.
Die Stadtplanung hat viel mehr mit Demokratie zu tun, als verantwortliche Politikerinnen wahrhaben wollen. Mit der Bebauungsdichte und der Höhe von Bauten wird ja nicht nur ein Stadtbild, es werden auch für die Eigentümer Werte geschaffen. Neben Stadtbild und -identität wird auch Reichtum durch Flächenwidmung verteilt. Aus Gerechtigkeitsgründen sollten daher Flächenwidmungspläne gleiche Vorgaben für alle machen und keine Ausnahmeregelungen für Millionengewinne für Privatinvestoren zulassen.
Das Hauptargument von Maria Vassilakou für das Hochhausprojekt am Heumarkt ist ja, dass der Projektbetreiber den Wiener Eislaufverein rettet. Der Wiener Eislaufverein hätte von der Politik bei etwas gutem politischem Willen schon seit Jahrzehnten eine öffentliche Sportstätte bekommen können, ohne dass dafür ein 66 Meter hoher Turm genehmigt werden muss.
Beschämend ist, dass Christoph Chorherr, der in Oppositionszeiten immer gegen Gefälligkeitswidmungen für Investoren war, selbst nun so eine Gefällig- keitswidmung durchzieht und die 66 Meter große Höhe des geplanten Turms mit dem Argument verteidigt, nicht der Investor wolle diese große Höhe, sondern die Stadt. Hier kann natürlich demokratiepolitisch nachgefragt werden, warum nur Wertinvest am Heumarkt 66 Meter hoch bauen darf. Warum dürfen dann nicht aus Gerechtigkeitsgründen alle Nachbareigentümer auch ihre Grundstücke nachverdichten und aufstocken?
„Ja, dürfen s’ denn des?“
Mit dem Argument, architektonisch sei eine markante Zeichensprache, sprich ein Hochhaus um die 100 Meter, unerlässlich – darauf schnurrt eigentlich das Ergebnis des Architekturwettbewerbs zusammen –, könnte man z. B. in der Mariahilfer Straße mindestens drei 70 Meter hohe Hochhäuser bauen. Die für die internationalen Architekten faden Geschäftshäuser sollten eigentlich etwas markanter gestaltet werden.
Thomas Blimlinger, der sich als grüner Bezirkskaiser von Neubau auch für das Heumarktprojekt ausgesprochen hat, wird dann sicher gern die neuen Türme feierlich eröffnen. Falls aber die Bevölkerung Widerspruch anmelden sollte, dann unbedingt noch vor dem Architekturwettbewerb, denn was der entscheidet, muss gebaut werden. Da geht dann nach der Meinung von Blimlinger gar nichts mehr, vor allem keine parteiinternen Urabstimmungen. Es schmerzt, dass Wiener Führungsgrüne mit der Haltung, nach Beschluss keine Diskussion, Volksbefragung etc., auf das demokratiepolitische Niveau von Kaiser Franz Joseph zurückfallen – „Ja dürfen s’ denn das überhaupt?“
FRANZ KLUG ist Gründungsmitglied der österreichischen Grünen und langjähriger Abgeordneter in Tirol. Er lebt in Innsbruck und München.